Faksimile 0831 | Seite 823
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Irrsal
Irrſal, n., –(e)s; –e: 1) das Irren, Jrregehn,
die Jrrfahrt ꝛc.: Werden wir | durch neues J. rückwärts
müſſen fliehn. B. 142b; Endlich .. gefunden nach langem J.
Keller gH. 4, 330; Und Saadi nach langwier’gem J–e ruht.
Platen 1, 304 ꝛc. 2) (ſ. 1) das Jrren, das Abweichen
von der Bahn des Rechten und Guten, mildere Bez.
des Fehls, der Sünde, ſ. Jrren 1d: Bringe du dein ir-
rend Lamm | zurück zu deiner Herde! | Ich will, o lieber
Hirt, hinfort | mein I. ſtets bereuen. B. 49b; Daß Sie Alle
noch rein und unbefleckt ſind von den beſchriebenen J–en.
Fichle 6, 471; In ein I. gerathen, das ich nie wieder gut
machen kann. Tieck N. 5, 412 ꝛc. (ſ. 3). 3) etwas Ir-
riges, Falſches, ein Irrthum (ſ. d.), inſofern er ſich
weit verzweigend, gleichſam als eine Kette von Irr-
thümern, in ſeinen Folgen nachhaltig auf das ſittliche
Thun einwirkt, das ſo Irreführende: Ein Verſehn in
einer Rechnung iſt ein Jrrthum, kein J.; Orthodoxe Eife-
rer nennen J–e manche Sätze, die der milde Wahrheitsforſcher
nicht einmal mit Sicherheit als Irrthümer zu bezeichnen wagt;
I. predigen von dem Herrn. Jeſ. 32, 6; An dem und jenem
J. ſo feſt halten. Claudius 4, 100; Dergleichen Halbwahr-
heiten und die daraus entſpringenden J–e. G. 22, 205;
Gegen die ihn ſo fürchterlich bedrohenden J–e, gegen Schnell-
glauben und Aberglauben. 32, 121; Mich fortreißen zu laſſen
in Unverſtand und J. Heine Sal. 1, 142; O ewiges I.!
wann reißt der Menſch aus deinen Ketten ſich los! Hölderlin
H. 1, 67; Ich ſoll, wo I. ſchattet, | das Licht der Wahrheit
ſtreuen. V. 4, 38; Verjährte J–e des Kirchenglaubens. Ant.
2, 369; Myth. 1, 37 ꝛc. 4) Labyrinth (ſ. d.), eig.
und übertr.: Tyche .. lockt den Verirrten zu neuen Laby-
rinthen; hier iſt keine Grenze des Irrens, denn der Weg iſt
ein Irrthum. ... Wie man allein dieſem J. entkommen möge.
G. 3, 345; Kein Ausweg aus dem I. zeigt ſich mir. 6, 304;
Aus dem künſtlich verſchlungenen J. | meiner Geſänge. Jacobs
Verm. 2, 1, 167; Aus dem J. der Übel ſich herauszufinden.
Kant Anthr. 321; Mein [der Schönheit] irdiſch Himmel iſt
ein I. der Gedanken. Lohenſtein Roſ. 65; Dem J. meines
Lebens iſt es gleich. Tieck Cymb. 5, 4 ꝛc. 5) wie Jr-
rung (ſ. d. 2c) mildernder Ausdruck für Zerwürfnis,
zunächſt inſofern es auf Mißverſtändnis beruht: Mit
Lord Byron’s Tode, war das I., das ſich über die Menſchen
auf Newſtead-Abtei häufte, nicht zu Ende. Kühne Char. 1, 34;
Ein I. kam in die Mondſcheingärten | einer einſt heiligen
Liebe. Mörike N. 559.
Anm. Ahd. irrisal, mhd. ir(re)sal, n., aber auch m.
und f., vgl.: Das iſt ein I. [irrige, ketzeriſche Meinung ꝛc.],
der nicht .. vertheidingt mag werden. Eck (Luther 1, 158a);
Die I. 157a; Die ausgebreiteten Irrſaln zu revocieren.
457a ꝛc.; Die I. von verlornen Seelen. A Meißner Gd. 11;
149 ꝛc. Dazu: Etliche Artikel ſeien verdammt als ketze-
riſch, etliche als irrſalig, etliche als freventliche. Eck (Luther
1, 158a; Irrſelig, ſtärker als „irrend“, ſ. I. [3].