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Ich
II. Ich, n., uv., –s, –es; uv., –s, –e; –lein;
-: eine Perſon, d. h. ein ſeines Daſeins ſich bewußtes
Weſen, das alſo über ſich denkend, von ſich ſprechend
ſich mit „ich“ (ſ. I) bez.: Daß nur meine Nerven zittern
würden, meine Seele bliebe ruhig; doch ſelbſt mein unſterb-
liches Jch iſt voll Schauer, wenn ꝛc. Börne 2, 231; Es ſoll
mein echtes Ich ſich offenbaren, | zu Nichts zerfließen deſſen
leerer Schein. Chamiſſo 4, 22; Der Körper wird wie ein
Kleid zerreißen; aber Jch, das wohlbekannte Ich, Ich bin. G.
17, 165; Vergiß dein Ich, dich ſelbſt verliere nie! H. 15,
72; Ich vertraute meinen Mantelſack und mein eignes Ich
einem .. Ruderboote. Kohl Irl. 1, 232; Die Dreieinigkeit
der Liebe, in der das Jch in dem geliebten Du untergehen
möchte, um das Jdeal aus ihm zu erzeugen. Lewald Ferd. 2,
36; Jener Menſch, der ich geweſen und den ich längſt | mit
einem andern Ich vertauſchte, wo iſt er nun? Platen 2, 10;
Nur in der Antwort ſeines Du kann jedes Ich ſeine unend-
liche Einheit ganz fühlen. FSchlegel Luc. 221; Ihrer Eitel-
keit, ihrem winzigen Ich fröhnen. Waldau N. 2, 95 ꝛc.
Sehr oft bezeichnet: Jemandes andres, zweites Ich, ſeinen
Freund, Geliebten ꝛc., in welchem er gleichſam lebt.
G. 15, 34; Lichtwer 239; W. 11, 163; 12, 203 ꝛc.,
auch: Mein Ich, du mein edleres! [mein geliebter Gatte].
V. Ov. 2, 241; Dein Herzblatt und dein halbes Ich. Rückert
Mak. 2, 8 [vgl.: deine theure Hälfte, Ehehälfte ꝛc.].
Andrerſeits bezeichnet: Jemandes andres, zweites Ich, das
Gleichbild einer Perſon, eine ihr ganz ähnliche ꝛc.,
ſcherzh. auch von Nicht-Perſonen: (Den andern Pan-
toffel hervorziehend): Hier iſt ſein andres Ich, ſie ſind ein
Paar. Platen 3, 113. Nur ſein, das eigene Ich ſuchen
[den eignen Vortheil, ſelbſtſüchtig ſein]. Der Genit.:
des Ichs, z. B. Chamiſſo 4, 87; Gutzkow 3, 74; R. 5,
77; IP. 2, 163; Waldau N. 3, 24; W. 23, 21; Zſchokke
1, 39 ꝛc.; des Ich. Auerbach Dicht. 1, 245; Herrig 16,
258; FSchlegel Luc. 24 ꝛc.; ſelten: Fühl’ .. | in deinem
kleinen Ich des großen Jches Hauch. Rückert W. 4, 153.
Mz.: Entweder ſind die Menſchen von ihren Ichs und was
damit Bezug hat, beſeſſen. Sch. Lengf. 237; G. 1, 284 ꝛc.;
Alle mir bekannten Ich ſitzen weicher. IP. 2, 35; Während
dieſer Napoleon nur die gekrönten Iche benagt oder ver-
zehrt, ſtellt uns der Philoſoph Fichte ein abſolutes Ich auf.
König Jer. 1, 230 ꝛc.
Anm. Zuw. als masc., ſ. Nicht-Ich. Ähnlich werden
auch andre Kaſus von I (ſ. d.) zu Hw. erhoben, z. B.: Der
der Welten Heer gemacht, | hat auch an mich, an dieſes Mich
[= Ich] gedacht. HLNicolai 1, 115; So viele Ich’s, Mich’s
und Mir’s [Fürwörter der erſten Perſon] in Briefen. Zelter
3, 286; Unſre Reiche ſind wie Schweſtern, | ſchon vermiſcht
ſich Mir und Dir. Platen 6, 10 [vgl.: das Mein und
Dein]; Wer ſind denn dieſe Wir’s? [Perſonen, die ſich mit
„wir“ bezeichnen]. Campe Verdeutſch. 46; Wer will, ſei mit
im Uns [unſerm Verein]. Chamiſſo 3, 367 ꝛc. Einige bei
Campe ſich findende Ableitungen indeſſen ſind nicht durch-
gedrungen: Jche(l)n, immer von ſeinem Ich ſprechen, ſelbſt-
ſüchtig ſein; Ichler, Egoīſt, vgl.: Icher, | wie wir,
Ego’s Volk, uns nennen. Glaßbrenner Verk. 120; Jchſam-
keit, Egoismus.
Zſſtzg. z. B.: Ein Einzel-Ich für ſich, der Jch-All-
heit vermählt. Rückert BE. 392; Niemand wird ſich ſelber
kennen, | ſich von ſeinem Selbſt-Ich trennen. G. 3, 116;
Das jeder [Zögling] Nichts als ſein Stief- und Kebs-Jch
werde. IP. 36, 38; Gott, dieſes Ur-Ich und Ur-Du zu-
gleich. 40 ꝛc., nam. auch: Nícht-: in Fichte’s Philo-
ſophie die Körperwelt, im Ggſtz. zum „Ich“ und da-
her ſcherzh.: Dann iſt verſchlungen der Wein. | Und gleich-
ſam ein Ich, der das N. verſchlang, ſitzt man trunken da.
Baggeſen 3, 200; Bis .. ein Studentenhaufen ihm [Fichte]
die Fenſter einwarf: die unangenehmſte Weiſe, von dem Da-
ſein eines N–s überzeugt zu werden. G. 27, 47 ꝛc.