Faksimile 0752 | Seite 744
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herb Herbe
I. Hérb(e), a.: 1) von ſcharf zuſammenziehend
u. ſtreng ſaurem Geſchmack, Ggſtz. milde, ſüß: Schle-
hen, unreife Trauben, unreifes oder ſchlechtes Obſt, Holzäpfel
ſind, ſchmecken h–e; Abfallen reife, nimmer grüne Pflaumen|
und brichſt du ſie, ſo ſind ſie h. dem Gaumen. Freiligrath
Ven. 36; Dem Süß entgegen ſind geſtellt H., Bitter, Sauer.
Rückert W. 3, 235; Arbeitet, die h–eren Früchte zu mildern.
V. Ge. 2, 36 ꝛc., auch ſubſtant.: Der zweite Schluck vom
H–en [Wein ꝛc.]. Herwegh 37. Ferner vom Unreifen:
Mein Leben mag Frucht bringen, es mag | wie die Knoſpe
herb’ abfallen im Lenz. Platen 2, 178 ꝛc. 2) übertr.:
a) auf das (körperliche) Gefühl, durch rauhe Schärfe
zuſammenziehend wirkend und dadurch unangenehm
empfindlich, namentl. von Kälte: In dieſem h–en Win-
ter. Chamiſſo 5, 108; Tritt noch eine h–e Kälte ein. Tſchudi
Th. 85. b) auf den Geruch: H–e Gerüch’ aushauchend.
V. Od. 4, 406; Vor Angſt noch fieſtend h–er als ein Wie-
ſelchen. Ar. 3, 347. c) auf das Gefühl überhaupt,
auf die Empfindungen der Seele, auf den geiſtigen Ge-
ſchmack ꝛc. wirkend, wie das Herbe auf den körper-
lichen: ſtreng, ſcharf, rauh, hart, empfindlich verletzend,
in hohem Grade unangenehm ꝛc., vgl. den Gegenſatz
milde, ferner: Bitter, Sauer: Den h–en Tod. Chamiſo
6, 249; Er hegte einen h–en Haß. 4, 216; Ihre [der Deut-
ſchen] Anmaßung iſt hart und h., ihre Anmuth mild und de-
müthig; Das Eine ſchließt das Andre aus. G. 3, 176;
Sankt Paulus, wie ein Ritter derb, | erſchien den Rittern
minder h. 128; Menſchenfeindlich, bis zur h–ſten Grauſam-
keit; menſchenfreundlich, in die Tiefen ſüßeſter Neigung ſich
verſenkend. 33, 151; Es bleibt ihnen [den engliſchen
Luſtſpielen] aber immer ein h–er Kern, weil der Scherz
gar oft auf Mißhandlung von Perſonen beruht. 22,
148; Ein h–er Sauerteig für immer in eine ſtarke Seele
durch frühzeitigen Überdruß geworfen. 33, 74; Eine h–e und
klemme Zeit. Hebel 3, 379; H. iſt’s, das lang erſehnte Licht
nicht ſchauen. Lenau A. 252; Der Name „Mutter“ iſt ſüß;
aber „Frau Mutter“ iſt wahrer Honig mit Citronenſaft!
Der h–e Titel zieht das ganze der Empfindung ſich öffnende
Herz wieder zuſammen. L. 7, 90; Jeglicheh–e Schmach | war
unſer Loos. Platen 2, 198; Jede h–e Noth der Meinen |
ſchlug an mein empfindend Herz. Sch. 21b;. Dich ſtellte das
Geſetz der h–en Noth | an dieſen Platz, den man dir gern
verweigert. 366a; Höhnt mit h–em Spotte. 29a; Mit h–er
Wahrheit empfunden. 970b; Mit h–em Verdruß es be-
reuend. V. Od. 2, 194; Auf die Andern auch entſendet er
h–e Geſchoſſe. 24, 180 ꝛc. Zuweilen in Verbindung
mit dem Ggſtz.: Den liebgehegten Schmerz, die h–e Luſt.
Chamiſſo 2, 40, u. ſo auch: Das ſüß-h–e Weh des Liebes-
unglückes. Keller gH. 4, 6. d) von herben Empfindun-
gen zeugend: Kein | ſo h. [ſaures] Geſicht zu ſolcher Freu-
denbotſchaft. Sch. 391a ꝛc.
Anm. Ahd., mhd. har(e)we, herwe, vgl. acerbus, un-
reif; den Mund zuſammenziehend ꝛc. Mundartl.: H. [böſe]
ſein auf Einen. Schm. ſ. Herben. Veralt. Herr, ſ. L. 11,
625 und Herling.
Zſſtzg. z. B. 2c und: Herlings-h. V. Ar. 1, 28 ꝛc.