Faksimile 0737 | Seite 729
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heimlich Heimlichkeit
Hēīmlich, a. (~keit, f.; –en): 1) auch Heimelich,
heimelig, zum Hauſe gehörig, nicht fremd, vertraut,
zahm, traut und traulich, anheimelnd ꝛc.: a) (veralt.)
zum Haus, zur Familie gehörig oder: wie dazu gehö-
rig betrachtet, vgl. lat. familiaris, vertraut: Die H–en,
die Hausgenoſſen; Der h–e Rath. 1. Moſ. 41, 45; 2. Sam.
23, 23; 1. Chr. 12, 25; Weish. 8, 4, wofür jetzt: Ge-
heimer (ſ. d. 1) Rath üblich iſt, ſ. Heimlicher. b) von
Thieren, zahm, ſich den Menſchen traulich anſchließend,
Ggſtz. wild, z. B.: Thier, die weder wild noch h. ſind ꝛc.
Eppendorf 88; Wilde Thier .., ſo man ſie h. und gewohn-
ſam um die Leut aufzeucht. 92; So dieſe Thierle von Jugend
bei den Menſchen erzogen, werden ſie ganz h., freundlich ꝛc.
Stumpf 608a ꝛc. So noch: So h. iſt’s [das Lamm]
und friſſt aus meiner Hand. Hölty; Ein ſchöner heimelicher
(ſ. c) Vogel bleibt der Storch immerhin. Linck Schl. 146,
ſ. Häuslich 1 ꝛc. c) traut, traulich anheimelnd;
das Wohlgefühl ſtiller Befriedigung ꝛc., behaglicher
Ruhe u. ſichern Schutzes, wie das umſchloßne, wohn-
liche Haus erregend (vgl. Geheuer): Iſt dir’s h. noch im
Lande, wo die Fremden deine Wälder roden? Alexis H. 1, 1,
289; Es war ihr nicht allzu h. bei ihm. Brentano Wehm.
92; Auf einem h–en Schattenpfade .., längs dem rieſelnden
rauſchenden und plätſchernden Waldbach. Forſter B. 1, 417;
Die H–keit der Heimath zerſtören. Gervinus Lit. 5, 375; So
vertraulich und h. hab ich nicht leicht ein Plätzchen gefunden.
G. 14, 14; Wir dachten es uns ſo bequem, ſo artig, ſo ge-
müthlich und h. 15, 9; In ſtiller H–keit, umzielt von engen
Schranken. Haller; Einer ſorglichen Hausfrau, die mit dem
Wenigſten eine vergnügliche H–keit [Häuslichkeit] zu ſchaffen
verſteht. Hartmann Unſt. 1, 188; Deſto h–er kam ihm jetzt
der ihm erſt kurz noch ſo fremde Mann vor. Kerner 540;
Die proteſtantiſchen Beſitzer fühlen ſich .. nicht h. unter ihren
katholiſchen Unterthanen. Kohl Irl. 1, 172; Wenns h. wird
und leiſe | die Abendſtille nur an deiner Zelle lauſcht. Tiedge
2, 39; Still und lieb und h., als ſie ſich | zum Ruhen einen
Platz nur wünſchen möchten. W. 11, 144; Es war ihm gar
nicht h. dabei. 27, 170 ꝛc. Auch: Der Platz war ſo ſtill,
ſo einſam, ſo ſchatten-h. Scherr Pilg. 1, 170; Die ab-
und zuſtrömenden Fluthwellen, träumend und wiegenlied-h.
Körner Sch. 3, 320 ꝛc. Vgl. namentl. Un-h:
Namentl. bei ſchwäb., ſchwzr. Schriftſt. oft dreiſilbig:
Wie „heimelich“ war es dann Jvo Abends wieder, als er zu
Hauſe lag. Auerbach D. 1, 249; In dem Haus iſt mir’s ſo
heimelig geweſen. 4, 307; Die warme Stube, der heimelige
Nachmittag. Gotthelf Sch. 127; 148; Das iſt das wahre
Heimelig, wenn der Menſch ſo von Herzen fühlt, wie wenig
er iſt, wie groß der Herr iſt. 147; Wurde man nach und nach
recht gemüthlich und heimelig mit einander. U. 1, 297; Die
trauliche Heimeligkeit. 380; 2, 86; Heimelicher wird es mir
wohl nirgends werden als hier. 327; Peſtalozzi 4, 240; Was
von ferne herkommt .., lebt gw. nicht ganz heimelig (hei-
matlich, freundnachbarlich) mit den Leuten. 325; Die
Hütte, wo | er ſonſt ſo heimelig, ſo froh | .. im Kreis der
Seinen oft geſeſſen. Reithard 20; Da klingt das Horn des
Wächters ſo heimelig vom Thurm, | da ladet ſeine Stimme
ſo gaſtlich. 49; Es ſchläft ſich da ſo lind und warm, | ſo
wunderheim’lig ein. 23 ꝛc. Dieſe Weiſe verdiente
allgemein zu werden, um das gute Wort vor dem Ver-
alten wegen nahe liegender Verwechslung mit 2 zu be-
wahren, vgl.: „Die Zecks ſind alle h. [2]“ H.? . . Was
verſtehn Sie unter h.? „Nun .. es kommt mir mit ihnen
vor, wie mit einem zugegrabenen Brunnen oder einem aus-
getrockneten Teich. Man kann nicht darüber gehen, ohne daß
es Einem immer iſt, als könnte da wieder einmal Waſſer zum
Vorſchein kommen.“ Wir nennen das un-h.; Sie nennen’s h.
Worin finden Sie denn, daß dieſe Familie etwas Verſtecktes
und Unzuverläſſiges hat? ꝛc. Gutzkow R. 2, 61. d) (ſ. c)
namentl. ſchleſ.: fröhlich, heiter, auch vom Wetter, ſ.
Adelung und Weinhold. 2) verſteckt; verborgen gehal-
ten, ſo daß man Andre nicht davon oder darum wiſſen
laſſen, es ihnen verbergen will, vgl. Geheim (2), von
welchem erſt nhd. Ew. es doch zumal in der ältern
Sprache, z. B. in der Bibel, wie Hiob 11, 6; 15, 8;
Weish. 2, 22; 1. Kor. 2, 7 ꝛc., und ſo auch H–keit ſtatt
Geheimnis. Matth. 13, 35 ꝛc., nicht immer genau ge-
ſchieden wird: H. [hinter Jemandes Rücken] Etwas
thun, treiben; Sich h. davon ſchleichen; H–e Zuſammen-
künfte, Verabredungen; Mit h–er Schadenfreude zuſehn: H.
ſeufzen, weinen; H. thun, als ob man Etwas zu verber-
gen hätte; H–e Liebſchaft, Liebe, Sünde; H–e Orte [die
der Wohlſtand zu verhüllen gebietet]. 1. Sam. 5, 6:
Das h–e Gemach [Abtritt]. 2. Kön. 10, 27; W. 5, 256
ꝛc., auch: Der h–e Stuhl. Zinkgräf 1, 249; In Graben,
in H–keiten werfen. 3, 75; Rollenhagen Fr. 83 ꝛc. Führte,
h. vor Laomedon, | die Stuten vor. B. 161b ꝛc. Ebenſo
verſteckt, h., hinterliſtig und boshaft gegen grauſame Herren
. ., wie offen, frei, theilnehmend und dienſtwillig gegen den
leidenden Freund. Burmeiſter gB. 2, 157; Du ſollſt mein h.
Heiligſtes noch wiſſen. Chamiſſo 4, 56; Die h–e Kunſt [der
Zauberei]. 3, 224; Wo die öffentliche Ventilation aufhö-
ren muß, fängt die h–e Machination an. Forſter Br. 2, 135;
Freiheit iſt die leiſe Parole h. Verſchworener, das laute Feld-
geſchrei der öffentlich Umwälzenden. G. 4, 222; Ein heilig
h. Wirken. 15; Ich habe Wurzeln, | die ſind gar h., | im
tiefen Boden | bin ich gegründet. 2, 109; Meine h–e Tücke
(vgl. Heimtücke). 30, 344; Empfängt er esnicht offenbar und
gewiſſenhaft, ſo mag er es h. und gewiſſenlos ergreifen. 39,
22; Ließ h. und geheimnisvoll achromatiſche Fernröhre zu-
ſammenſetzen. 375; Von nun an, will ich, ſei nichts H–es |
mehr unter uns. Sch. 369b. Jemandes H–keiten ent-
decken, offenbaren, verrathen; H–keiten hinter meinem Rücken
zu brauen. Alexis H. 2, 3, 168; Zu meiner Zeit | befliß man
ſich der H–keit. Hagedorn 3, 92; Die H–keit und das Gepu-
ſchele unter der Hand. Immermann M. 3, 289; Der H–keit
[des verborgnen Golds] unmächt’gen Bann | kann nur die
Hand der Einſicht löſen. Novalis 1, 69; Sag’ an, wo du ſie
..verbirgſt, | in welches Orts verſchwiegner H. Sch. 495b;
Ihr Bienen, die ihr knetet | der H–keiten Schloß [Wachs
zum Siegeln]. Tieck Cymb. 3, 2; Erfahren in ſeltnen
H–keiten [Zauberkünſten]. Schlegel Sh. 6, 102 ꝛc., vgl.
Geheimnis. L. 10, 291 ff.
Zſtzg. ſ. 1c, ſo auch nam. der Ggſtz.: Ún-: un-
behagliches, banges Grauen erregend: Der ſchier ihm
un-h., geſpenſtiſch erſchien. Chamiſſo 3, 238; Der Nacht un-h.
bange Stunden. 4, 148; Mir war ſchon lang’ un-h., ja
graulich zu Muthe. 242; Nun fängt’s mir an, un-h. zu wer-
den. G. 6, 330; Das Ding ward un-h., den Meiſten rieſelte
es kalt den Rücken auf. Gotthelf U. 2, 159; Die u–ſten Ge-
ſtalten. Gutzkow R. 2, 82; Empfindet ein u–es Grauen.
Heine Verm. 1, 51; Un-h. und ſtarr wie ein Steinbild. Reiſ.
1, 10; Den u–en Nebel, Haarrauch geheißen. Immermann
M. 3, 299; Dieſe blaſſen Jungen ſind un-h. und brauen
Gott weiß was Schlimmes. Laube Band. 1, 119; Un-h.
nennt man Alles, was im Geheimnis, im Verborgnen .. blei-
ben ſollte und hervorgetreten iſt. Schelling 2, 2, 649 ꝛc.
Das Göttliche zu verhüllen, mit einer gewiſſen U–keit zu um-
geben. 658 ꝛc. Unüblich als Ggſtz. von [2], wie es
Campe ohne Beleg aufführt.