Faksimile 0711 | Seite 703
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Hauch
Hāūch, m., –(e)s; –e; -:
1) die Ausstoßung des Athems durch den geöffneten Mund, und der so ausgestoßne Athem, dann allgm.: der Athem (s. d.), auch übertr. z. B. auf das Wehn der Luft, des Windes, zumal das leise, sanfte, doch auch stärkres u. rauhes, auf das von Etwas Ausströmende u. sich Verbreitende, z. B. den Duft von Blumen, so auch auf Geistiges etc.: Der H. trübt den Spiegel; Bis zum letzten H.; In allen Wipfeln | spürest du | kaum einen H. G. 1, 79; O laß den reinen H. der Liebe dir | die Gluth des Busens leise wehend kühlen. 13, 48; Dringt doch der H. solcher Umgebungen durch alle Mauern. 39, 73; Wo dich der Athem der Bäume wie ein H. Gottes anwehte. Immermann M. 3, 141; Dein eifriges Bestreben | war: spät im eitlen H. der letzten Welt [im Munde der späten Nachwelt, von ihr genannt] zu leben. Kästner (L. 5, 55); Ein jeder H. von ihm ist Sturm. Rückert Rost. 80; Flieht seines Lebens leichter H. dahin. Sch. 24b; Mit des Windes H. Mycenen zugeflogen. 28b; Wie Zephyr’, deren H. das Veilchen küsst. Tieck Cymb. 4, 2; Wie der grimme H. des Nordens fchüttelt | er unsre Knospen ab. 1, 4; Zwanzig Blasebälge .. athmeten alle feuererweckende H–e. Stolberg Jl. 18, 472; [Bis sie] mit H. plötzlich die Lampe löscht. V. 3, 4 etc.
2) Sprachl.: der beim stärkern oder schwächern Hauchen hervorgebrachte Laut, namentl. der des h: Dann sollten sie [die Buchstaben im Hebr.] einmal wieder einen leisen H., dann einen mehr oder weniger harten Kehllaut andeuten. G. 20, 151 etc.
3) Bez. des Leichtesten, Unbedeutenden, schnell Hinschwindenden, in dünner Schicht Etwas Bedeckenden (s. Farben-H. und vgl. Duft) etc.: Dagegen will | ich keinen H. und keinen Pulsschlag leugnen. G. 13, 149, nicht das Geringste; Das Leben ist ein Augenblick, | der Mensch ein H. Gotter 1, 235; Ein H. bist du, | abhängig aller Änderung der Luft. V. Sh. 2, 190 etc.
4) s. Hauk.
Anm. Mhd. hüchen, kûchen, vgl. schwzr. chuchen, hauchen (in der Basler Bibel von 1523 noch als „ausländig“ erklärt durch „blasen, wehen“), Tonw., s. keuchen. Goth. kukjan, küssen, wozu vielleicht das erst nhd. heucheln (s. d.) gehört, zunächst in der Bed.: liebkosend schmeicheln.
Zsstzg. unerschöpflich mit Bestimmungsw., z. B.: Bis die Sonne im Weichen den Nebel seinen Abend- H. über den See breiten ließ. G. 14, 188; Wenn der Alpen-H. [Gebirgswind] ihre Spitzen und Kronen rührte. Immermann M. 2, 137; Begeistrungs-H. Zw. Schwestern 1, 24; Es durchrieselt ihn kalt wie ein Eises-H. Bodenstedt 1, 21; Farben-H. [3], | wann er verklärt sinnigen Stoff [in Gemälden]. Platen 2, 178; Nun schwillt vom Frühlings-H–e Lebenskraft. G. 13, 275; Das umwehte sie mit Geister-H–en. Gutzkow R. 9, 163; Der Verleumdung Gift-H.; Den Lebens-H. ihrer Hoffnungen noch einen Augenblick verlängern. G. 22, 97; Aller erquickende Lebens- H. H. Rel. 7, 250; Im Lenz-H. webt der Geist des Herrn. Matthisson 15; Sei gesegnet, Lippen-H.! Platen 2, 346; Sie lassen sich vom Nacht-H. wecken. Schwab 441; Nasen- H., nam. auch [2] das Aussprechen der Gaumenlaute durch die Nase; Was für ein fremder Pest-H. goß | sich in dein Ohr? Tieck Cymb. 3, 2; Sie [die Melodie] umfloß mein Ohr wie Säusel-H. V. Sh. 2, 273; Mit der Kehl’ aufwirbelndem Ton-H. | widergehallt. Baggesen 2, 314; Wechsel-H. und Kuß! | Liebesüberfluß! G. 1, 192; Die Haare naß vom Wellen-H. Freiligrath Pol. 2, 41; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert | vom Zauber- H., der euren Zug umwittert. G. 11, 3; Von deinem Drohen, Ewiger, | vom Oden deines Zorn-H–s. Mendelssohn Ps. 18, 16 etc., ferner mit Vors., vgl. Zsstzg. von Hauchen, z. B.: Án-: der Einen anwehende, sich an Etwas anlegende Hauch: Von seinem Grabe her stärkt uns der A. seiner Kraft. G. 30, 49; Mit einem bläulichen A. [Anflug]. 27, 188; Ein A. von den allerkleinsten weißen Amethystkrystallen. 40, 242; [Der Spiegel zeigt] einen feuchten A. Platen 4, 325; Eine Leiche .., deren A. fliehn auch die Geringen. Rückert Mak. 2, 175; Sandt’ eine Gottheit uns der Begeisterung | heilvollen A.? V. 3, 4 etc. So: Weil dieser Farben-A. so fein und leicht war. Stahr Nat. Zeit. 7, 371; In einem Feuer-A. zu Asche verkohlte. Alexis H. 2, 2, 211; Leise stieg ihr .. Rosen-A. | in der Wangen zart durchsichtige Blässe. Geibel Jun. 317 etc.
Āūf-: aufsteigender Hauch: Heftiges Seufzen erstickte den wollust-athmenden A. Baggesen 1, 150; 2, 99 etc.
Āūs-: ausströmender Hauch: Mit dem ersten A–e seiner wundersamen Begeisterung. Bouterweck Gsch. 1, 66; Den erquickenden aromatischen A. [der Nelke]. Engel 1, 339; Eines so subtilen materiellen Wesens, das gleichsam nur wie ein geistiger A. wirkt. G. 39, 184; EvKleist 2, 9; [Der Kolibri, der] auf Blumen schwebend, sich nur von ihrem A–e nährt. Thümmel 5, 202; 6, 53; 7, 21 etc.
Eīn-: der eingeblasene, einströmende Hauch: Ob er sich diesen Ton auf einer Flöte denkt, wo er nach dem E. verschwindet. Engel 8, 340; Sie [die Eigenliebe] flüsterte ihm so leise, daß er ihren E. vielleicht für die Stimme seines guten Genius hielt, den Gedanken zu. W. 6, 8; Welt-End’ und Anfang ist sein Wechselauseinhauch. Rückert W. 2, 23.
Míß-: schlimmer, widriger, schädlicher Hauch: Ausgerast hat endlich der Ost mit russischem M. V. 3, 59; Die schädlichen M–e [Winde]. Ant. 1, 261; Br. 2, 245; Myth. 1, 262 etc.
Über-: überfliegender Anhauch: Deren gelber Schein dem weißen Teint . .. einen orientalischen Ü. gab. Gutzkow R. 6, 32 u. ä. m.