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Handlung
Hándlung, f.; –en; –s-:
von handeln (s. d.), namentl.:
1) (von handeln 2g) das Handeltreiben u. danach auch die Anstalt zum Betrieb des Geschäfts, das Lokal mit aller Zubehör, und dann auch wie das sinnverwandte „Geschäft“ (s. d. und vgl. namentl. Handlungshaus) der Inhaber eines Geschäfts als solcher, s. Handel 5, namentl. auch in Bezug auf die unzähligen Zsstzg.: Die H. erlernen; Sich der H. widmen etc.; Eine H. [ein Geschäft] etablieren, begründen, kaufen; In einer H. Bursche, Lehrling, Diener, Kommis sein; In einer H. Etwas kaufen; Er hat seine H. verkauft; Diese H–en konkurrieren (wetteifern) mit einander; Viele H–en haben ihre Zahlungen einstellen müssen etc. Veraltend st. Handel (5), kollektiv, z. B.: Denk an die Städte, die Edeln, das Volk, an die H., den Feldbau, die Gewerbe! G. 9, 183; So lange Deutschlands gegenwärtige Regierungsverfassung dauret, wird es nie zu der Größe in der H. gelangen, wozu es nach seinen Kräften gelangen könnte. Möser Ph. 1, 259; Daß der hanseatische Bund den Sund und die H. auf Dänemark etc. behauptete. 261; Diese güldenen Zeiten der deutschen H. 262; Das Handwerk zugleich mit der H. gesunken. 263 etc. und ganz veralt. in Mz.:- Mit ihren Bälgen werden große H–en getrieben. Brockes 9, 278, vgl.: Einzelne H–en erfreuen sich in Folge des Schmuggelhandels eines bedeutenden Wohlstandes, aber im Ganzen liegt der Handel sehr darnieder etc. Zsstzg. s. Handel 5 und Händler 1, wobei jedoch zu beachten ist, daß nach dem Sprachgebrauch (s. o.) H. ein eigens eingerichtetes Lokal für die Waaren voraussetzt: Die Indianer leben großentheils vom Pelzhandel, sie sind Pelzhändler, aber sie haben keine Pelz-H–en, wie die Kürschner in unsern Städten; Die Bauerfrau, die ihre Eier zum Verkauf nach der Stadt bringt, ist eine Eierhändlerin, hat einen Eierhandel, aber keine Eier-H. Ebenso sind für: Pferde-, Vieh-, Sklaven-, Schmuggel-Handel etc. die entsprechenden Zsstzg. mit H. unüblich, dagegen gäng u. gebe: Buch-, Butter-, Material-, Mehl-, Tabacks-, Tuch-, Wein-H. und tausend ähnliche, ferner z. B.: Groß-, Klein- oder Detail-, Ausschnitt(s)-H. etc., übertr.: Dieses ist die Groß-H. des Stücks [Dramas], die Ausschnitt- H. wirft folgenden Gewinn ab. Börne 1, 227 etc.; Verlags-H. V. Ant. 1, 238; Haupt-H. (versch. 3) im Ggstz. der Neben- oder Unter-H–en, Kommanditen, s. Unterhandeln, Anm. etc.
2) von handeln (s. d. 2e) im weitesten Sinne: die sich thätig kundgebende Außerung einer Kraft, von einem mit Absicht thätigen Wesen, u.: das durch solches Thun Bewirkte: Gute, böse, freie, sittliche H–en; Eine H. der Wohlthätigkeit, der Menschenliebe; Seine H–en entsprechen seinen Reden nicht; Eine H. ist immer gut und löblich, immer ein Schritt und nur das ekle Weilen ist todt. Chamisso 5. 36: Zu so einer Demuths-H. [demüthigenden H.] sich entschließen. G. 29, 226; H. | ist der Welt allmächtiger Puls. Platen 2, 195; Der angebornen Farbe der Entschließung | wird des Gedankens Blässe angekränkelt | und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck, | durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt, | verlieren so der H. Namen. Schlegel Haml. 3, 1; Eine Frevel-H. fasst die andre | in enggeschloßner Kette grausend an. Sch. 384a etc. Der Begriff der Absicht und Selbstbestimmung tritt zuw. etwas zurück: Wie schwer hielt es, diesen guten Willen der Nation für seine politischen Entwürfe zu bestimmen und in H. [Wirksamkeit] zu setzen. Sch. 880a; Weil er nur insofern Dichter ist, als er durch eine freie Selbst-H. [Selbstthätigkeit] unsrer Einbildungskraft seinen Zweck erreicht. 1241a etc. So will Adelung für die natürlich und von selbst erfolgenden Funktionen des thierischen Körpers, wie die Verdauung, den Blutumlauf etc. die Bez.: natürliche H–en einigermaßen gelten lassen, obgleich, wie Campe richtig bemerkt, sie gewöhnlich und füglicher: Natürliche oder thierische Verrichtungen etc. heißen, vgl. die Anwendung von H. im weitesten Sinn für alles Geschehende: Gegenstände, die neben einander oder deren Theile neben einander existieren, heißen Körper, .. Gegenstände, die auf einander oder deren Theile auf einander folgen, heißen überhaupt H–en. Folglich sind H–en der eigentliche Gegenstand der Poesie [wie Körper der Malerei]. L. 6, 464. Doch halte man dazu nähere Best. wie: Eine Reihe von Bewegungen, die auf einen Endzweck abzielen, heißt eine H. 11, 144; Eine H. nenne ich eine Folge von Verändrungen, die zusammen ein Ganzes ausmachen. 5, 370, und dazu: Dem Sprachgebrauche nach heißt gemeiniglich Das eine H., was einem gewissen Vorsatze zu Folge unternommen wird etc. 380 etc. (S. 3.)
3) Ästhet. (s. 2) eine in einer Dichtung dargestellte Reihe auseinander folgender Veränderungen, insofern sie aus der Thätigkeit handelnder, d. h. mit Absicht wirkender Wesen hervorgehn: Daß in einem Gedichte nur dann und insofern H. ist, als wir darin eine Veränderung durch die Thätigkeit eines Wesens werden sehen, das mit Absichten wirkt. Engel 4, 131; Die H. in einem Drama, Epos, Roman ist einfach, verwickelt, spannend, anziehend; Die H. rückt im dritten Akt kaum aus der Stelle, steht stille; Der Chor reinigt das tragische Gedicht, indem er die Reflexion von der H. absondert. Sch. 488b; Ein Witzling sagte von Gutzkow’s Uriel Akosta: Lauter Juden und keine H. [vgl. 1] etc. Zsstzg. z. B.: Die gaukelnde Naīvetät einer Schäfer-H. [Schäferspiel, Pastorale etc.]. Kant SchE. 40 etc., besonders aber: Haupt- H. (versch. 1), im Ggstz. von Neben-H., Zwischen-H., Episode etc.
4) Bühnenw.: Akt, Aufzug (s. Abhandeln 5), veralt. mit Rücksicht auf 3.
5) Unterhandlung, Verhandlung, z. B.: Aus den Reichsabschieden und andern teutschen H–en. Leibnitz 1, 457; Zwischen den beiden Frauen daselbst H. zu pflegen, es ist aber die H. mehrentheils ohne Frucht abgegangen. Schweinichen 3, 15 etc. Jetzt gewöhnl. nur in Zsstzg. wie: Friedens-H. etc., vgl. Verhandeln (4).
6) veralt. statt Streithandel, Fehde: Fing sich die H. mit dem Markgrafen und Denen von Nürnberg an. Berlichingen 48 (s. Handel 3).
Zsstzg. s. o. (nam.
1) u. vgl. die Zsstzg. von Handeln, je in den letzten Nummern. Bes. zu erwähnen bleibt danach nur noch: Thāt- [2]: im Ggstz. einer innern Handlung, einer innern Seelenthätigkeit, eine zur äußern That gewordne, verwirklichte: Es ist hier nicht von einem bloßen Vorsatz oder Wollen, sondern von einer Th. des Beklagten die Rede etc. Campe; Vom eigentlichen Schaffen als einer Th., vom Entstehen als „Anfang des Seins nach dem Nichtsein“ haben wir weder Begriff noch Erfahrung. Humboldt K. 1, 87; Die Physiognomie zeigt Nichts als Fähigkeit und Kraft zu wirken, die Th–en bestimmen den Gebrauch derselben. Musäus Ph. 3, 43; 56 etc., so nam. auch: gewaltthätige Handlung: Wenn nicht zugleich ganz unerlaubte Th–en und Umstände mitbescheinigt sind. Mecklenb. Erbvergl. § 328; Haben Sie ihm nicht zugesagt, keine Th–en mehr zu unternehmen, wie die bei Weinsberg? G. 9, 120, vgl. ,,thätliche Handlung“. Berlichingen 263, vgl. Thatsache, wofür Einige auch unpassend Th. gebrauchten.