Faksimile 0648 | Seite 640
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Gunst
Gúnst, f.; –en (Anm.); -:
1) (veralt.) das Gönnen (s. d.): Wenn Wünschen und Gonst (Anm.) hälfe, wollte ich ihm gern ein ander Herz wünschen und gönnen. Luther 6, 8b etc.
2) die Erlaubnis, Gestattung, so in der Formel: Mit G.; Mit G–en, mit Erlaubnis (für die Bemerkung), ich bitte etc.: Mit G–en, Herr Kaiser, Das lasst nur hübsch bleiben. B. 67b; Ja, mit G., Das ist die Art der Alten. Reithard 37 etc.; auch als Entschuldigung derber Ausdrücke: Der so den Scheißkübel (mit G.) lobete. Garzoni 337a etc. Ferner Kanzleispr.: Konsens, die zu Etwas ertheilte schriftliche Einwilligung, s. Gunstbrief, mit Mz. Günste, z.B. Amtsgünste, vom Amt ertheilte Einwilligung etc. (s. Zsstzg.).
3) die wohlwollend geneigte Gesinnung gegen Einen, wonach man ihm alles Gute gönnt und sein Wohl, seine Absicht fördert etc.: Beim Volk, bei einem vornehmen Herrn, bei einer Dame in G. stehn; Sich Jemandes G. erfreuen; Sich bei ihm in G. setzen; Aus seiner G. fallen; Hatte solche G. unter seinen Bürgern, daß ihn Jedermann Vater hieß. 2. Macc. 14, 37; Danke, daß die G. der Musen | Unvergängliches verheißt. G. 1, 98; Es geht die Sonne mir der schönsten G. | auf einmal unter; seinen holden Blick| entziehet mir der Fürst. 13, 180; Wenn sie noch so sehr mir ihre G., mir ihre Zärtlichkeit | mit süßen Worten zeigte. 190; Gewöhnlich erwarb ich ihre G., aber nicht ihren Beifall. 20, 238; Aus G. und Nachsicht. 39, 233; Du hast der Götter G. erfahren. Sch. 57a; Dadurch | giebt Neigung sich ja kund, daß sie bewilligt | aus freier G., was sie auch nicht gebilligt. 425a; 338b; Frauen, durch deren G. und Huld allein sie Jenen mitgetheilt werden kann. FSchlegel Luc. 62 etc. So in der gehobnen Rede auch in Bezug auf Personifikationen: Wenn ihr die G. des Schicksals blüht. WHumboldt 3, 242; Die dringende Noth verstattete nicht mehr die G. der Sterne [vorher: „die günstigen Konstellationen“] zu erwarten. Sch. 977b; Die G. des Augenblicks .. Der mächtigste von allen | Herrschern ist der Augenblick. 49b; Die G. des Glücks etc. Während es aber auch in Bezug auf willenlos Gedachtes, das unsern Zwecken entspricht, sie fördert, ganz gewöhnlich heißt: Wir hatten auf unsrer Fahrt günstiges Wetter; Wir waren vom Wetter begünstigt etc., so würde doch der Ausdruck: Die G. des Wetters etc. eine der gewöhnlichen Prosa widerstrebende Personifikation in sich schließen, vgl. dagegen: Sich über die Un-G. des Wetters zu beklagen haben etc., während Ab-G. und Miß-G. gewöhnl. wiederum nur vor Pers. stehen.
4) (s. 3) auch oft von parteiischer Vorliebe: Es geht Alles nach G., nicht nach Verdienst; Nach G. urtheilen; G. geht vor Kunst; Eins wie das Andre wechselsweise mit G. oder Un-G. behandelt. G. 39, 310; Von der Parteien G. und Haß verwirrt. Sch. 319a; Wenn wahr, so ergehe Recht vor G. V. Myth. 1, VI etc.
5) etwas aus G. (3) Gewährtes, Gunstbezeugung: Einem eine G. erweisen, gewähren; Mancher hatte schon vorher | der geilen Feie G. genossen. Nicolai 2, 94; Eine Mühe, | ein Amt bloß war’s, nicht eine G., | für die ichs vorschnell nahm. Sch. 339a; Selbst ihr Widerstand ist eine G. W. 11, 220; Keiner, der sich nur | der kleinsten G. von ihr zu rühmen hätte. 12, 13; Die letzte [äußerste] G. entzückt den Faun nicht so. 257 etc.
6) der Einem aus Etwas erwachsende Vortheil, das für ihn Sprechende, ihm zum Besten, zum Nutzen, zur Fördrung Gereichende: Zu Jemandes G–en auf Etwas verzichten, sich äußern; Die schmeichelhaftesten Sachen zu sagen, die sie zu ihren schönsten G–en auslegen kann. G. 10, 192; 39, 247; Hätte sich, zu meiner G., | in kurzer Zeit dein Wille so verändert? 13, 351; 314; Seine beiden Säume sind schon dergestalt genähert zu G–en des Gespenstes [Spektrums] und zu Un-G–en [zum Nachtheil] des Beschauers. 39, 338; So kommt ihnen die G. der Neuheit zu Gute. 22, 140; Hoffentlich wird man mir die Abschrift .. zu G–en [zu Gute] schreiben und für einen Brief gelten lassen. Platen 7, 63 etc.
7) veralt. als Titel: Ew. G–en, vgl. den höhern: Ew. Gnaden.
Anm. S. Gönnen, Anm., veralt. Gonst, s. 1 wie Gönstig. Luther 6, 8b. Bei ältern Schriftst. masc., wie ahd. und mhd. (neben fem.) und in einigen veralt. Bed. z. B. Eppendorf 81; Ryff Th. 7; Schaidenreißer VIb; Stumpf 79a; 391b; Hasses oder Gunsts urtheilen. Zwingli 2, 3 etc. Dazu auch Mz.: Das Volk nahm dich in seine Günste. Fleming, vgl. 2. Übrigens ist die Mz., außer in den adverbiellen Fügungen: Mit G–en (2); Zu G–en (6) unüblich (vgl. 7), indem nam. für 5 lieber Gunstbeweise gesagt wird, doch z. B. alterthümelnd im Kanzleistil: Mit Hulden und Großgunsten omni modo überschüttet. W. (Merck’s Br. 1, 291).
Zsstzg. vielfach mit Hw. (s. 3—5), z. B.: Da- men-G. sorgfältig zu verbergen. W. 11, 203; Und wärst du selbst der Preis und deine Frauen-G. [gewährte Liebe]. Sch. 420b; Ein Seil, aus drei mächtigen Stricken, Weiber-, Fürsten-G. und Schmeichelei gedreht. 9, 49; Herren-G. (s. u.) ist veränderlich wie Aprilwetter; Hof- G. oder Hofe-G. Logau 2, 5, 65; Alles .. druckst du aus durch Musen-G. G. 6, 73; Von dem Weihrauche der Parteien-G. so betäubt. Gutzkow R. 6, 45 etc.; aber auch: Herren-G. [2]: Konsens des Gutsherrn an einen Pächter zur Ubernahme eines Laßguts, d. h. eines solchen, wovon der Herr ihn jährlich gegen Rückgabe des Laudemiums entfernen kann und dazu: Herrengünstler: der so der Gunst des Herrn abhängige Besitzer eines Laßguts. Ferner mit Vors. z. B.: Ab- [3]: die Abneigung, Entfremdung, wonach man sich von Einem abwendet, sein Interesse nicht theilt und nicht fördert, oft nahe grenzend an Miß-G., die Gesinnung, wonach man Einem das Gute mißgönnt und ihm zu schaden sucht, vgl. Un-G.: Geheimen Neid und stille A. Immermann M. 1, 370; Gerechtigkeit entfernt von Zu- und Gegenneigung, | von Vorlieb’ und Mißlieb’, A. und Gunstbezeigung. Rückert W. 2, 117; Der eure Gunst nicht sucht, | noch eure A. fürchtet. Sch. 558a; So hätten wir die A. des Stagiriten [vom Heraklit] um so mehr zu beklagen. Schleiermacher 3, 2, 52; Wachsamkeit gegen Gunst oder A. V. Ant. 1, 166; Zu Einem, der zu ihm sagte, er wäre ihm mißgünstig, sagte er: Ich wünschte .., daß ich Etwas in dir finden möchte, das der A. werth. Weidner 189 etc. Gêgen- [3]: Erwidrung der Gunst: G. erhöhet Gunst, | Gegenliebe nähret Liebe. B. 27a; Ihm ihre G. zu gönnen. Hagedorn 2, 154 etc.
Miß-: s. Ab-G. und Mißgönnen: Von Gunst und M. gleich entfernt. Chamisso 4, 10; Neid entspringt aus Selbstsucht, M. aus Feindschaft. Engel 7, 265; M. und Haß beschränken .. Hingegen Wohlwollen und Liebe etc. G. 3, 189; An seinen Thaten beißt der Zahn der M. nicht. Haller 86; Besorgnis vor dem Neid und der M. des Geschicks. WHumboldt 3, 7; Die M. nagte | ihm an der Leber. Ramler F. 3, 7; [Des Königs] Ungunst musst du lassen dir gefallen; | doch seine M. ist ein Dämon schadenfroh. Rückert W. 2, 31; Drum sieht er jedes Biedermannes Glück | mit schelen Augen gift’ger M. an. Sch. 519b; Schelsehende M. 314a; Der Sterne M. W. 20, 185 etc. Zuw. = Un-G., Mißkredit: Um sich an den Höfen, an welchen er gelitten war, nicht in M. zu setzen. L. 11, 45 etc.
Un-: der reine Gegensatz von Gunst [3; 6]: Wer Liebe hegt, soll keine U. achten. Freiligrath Ven. 39;. Durch liebreiche Scheltworte mit scheinbarer U. Etwas günstig zu bezeichnen. G. 32, 252; Uns durch die U. des Schicksals entzogen. Guhrauer L. 1, 13; Einen getreuen, weder von Gunst noch U. gefärbten Bericht. Prutz Mus. 2, 269 etc. Ver- [2]: Ei, ei! mit V. Chamisso 3, 226; Isst man denn, mit V., spanischen Pfeffer bei Euch? Xenien 364 etc.; 1. Kor. 7, 6; Er erlangte nur die V., in der Ostermesse .. spielen zu dürfen. Devrient 2, 81; Du meinst wohl selbst, kein V. dazu von mir zu gebrauchen. Fouqué (Schlegel DM. 4, 113); Bewahre Jeder die V., | auf seine Weise toll zu sein. G. 3, 130 etc., vgl. Vergünstigung. Mundartl. [5] Carion Mar. Ther. 1, 64 etc.