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grünen
Grünen, intr. (haben): grün ſein oder werden
(im letztern Fall auch oft refl.), z. B.: 1) allgm.:
Der Smaragd allein verdient, | daß er an deinem Herzen
grünt [in ſeiner grünen Farbe ſtrahlt]. G. 12, 196;
Können Eſel g. [Giebt es grüne Eſel]? Hagedorn 2, 253;
Wie dieſe Wangen g.! | wie blau der weite Mund! W. 15,
100 (ſ. Grün 6) ꝛc. Häufiger, auch in gw. techn.
Anwendung, rcfl.: Wobei ſich das Öl zuerſt grünt, ſpäter
eine bräunlichſchwarze Farbe annimmt. Karmarſch 2, 775 u. ö.
Vgl.: Die eiſengrünende Modifikation der Gärbſäure.
431 ꝛc. 2) nam. aber in Bezug auf Vegetation (ſ.
Grün 1) eig. und übertr.: in friſchem, fröhlichem
Wachsthum ſtehn, gedeihn ꝛc. (vgl. Blühen): Das
Gras, die Wieſen, die Fluren, die Bäume, der Wald, die be-
ſonnten Hügel g. ꝛc.; Die Gottloſen g. wie das Gras und
die Übelthäter blühen alle. Pſ. 92, 8; Sein Fleiſch grüne
wieder wie in der Jugend! Hiob 33, 25; Der Frühling grünte
zeitig. G. 6, 50; Im Thale grünet Hoffnungsglück. 11, 39;
In dieſem Hain, wo ringsum die Namen meiner Geliebten
g., ſchneide ich den deinigen in eine Buche. 31, 4; Auf Erden
grünet überall ein Vaterland. 33, 29; Grüne der Lorber-
kranz des Ruhms um deine Schläfe. Immermann M. 4, 111;
Da ſieht man, wem das Glücke grünet. Lichtwer 51; Deſſen
Lob hinfort gleich einer Zeder grünt. Nicolai 1, 37; Wekl
wir noch g. und uns | noch die Kniee nicht wanken. Ramler
211; Flechte ſich Kränze, | wem die Locken noch jugendlich
g. Sch. 497a; Zum Ölbaum grünt [wandelt ſich grünend]
die Lanze. ASchlegel Gd. 1, 54; Unſer Geſchlecht wird da
ſelbſt g. und blühen. Stilling 1, 108; Anno 1460 lebten und
grüneten noch Hans und Heinrich die Truchſeſſen von Dießen-
hofer. Stumpf 412b; Solange die Tugenden in einem Ge-
ſchlecht grüneten. 313a; Doch grünt der Kamp von Winter-
korn. V. 3, 202; Wenn die Feldfrüchte über die Furchen
grünten. Georg. 22; Trebiſond ſelbſt fing wieder an zu g., |
der kurz zuvor ſich aller Hoffnung begab. W. 15, 84 ꝛc.
So nam. auch das Partic. (als Ew.): Mit der Früh-
lingsſonne friſcher und g–der zu erwachen. Börne 2, 144 und
Zſſtzg.: In der friſch-g–den Kraft eines .. Mannes. V. Ar.
1, 397; Auf dem friſch-g–dſten Raſen. Heinſe Körte 1, 456;
Den frühlings-g–den Laubwäldern. Holtei Ob. 1, 64; Mit
immer-g–den Tannen. EKleiſt 2, 9 ꝛc. 3) zuw. auch
in Bezug auf das Modergrün (ſ. Grün 7): Es ſtand
der See lang eingehemmt | und ſumpft’ in ödem Rohr; | vor
Fäulnis grünt’ er. V. 3, 218. 4) Nam. zu 2 im eig.
Sinn: Allerhand Grünungen, welche das Geſicht zum
höchſten erfreuen. Garzoni 553a ꝛc.
Anm. Vgl. Blauen, wie auch für die Zſſtzg. Mund-
artl., veralt.: Grunen. Luther 5, 536a; Gotthelf Sch. 72 ꝛc.
Als tr. iſt ſtatt G. (vgl. Röthen, Schwärzen, Weißen ꝛc.)
grün färben üblich; doch: Ein Faß grunen [weingrün
machen]. Straßburg. Policeiordn. 148.
Zſſtzg. ul. die von Blauen ꝛc. und von Blühen:
Áb-: das Grün allmählich verlieren: Im Spätſommer
noch von einem a–den Vorſprung. Tſchudi Th. 237.
An-, intr.: anfangen zu grünen und tr. (nam. im
Partic.): anfangen zu begrünen: Läſſt nun der Fels ſich
angegrünt erblicken. G. 12, 204 oder tr.: Einen grünend
anblicken ꝛc.: Raſenſtelle, die uns angrünet. JP. 3, 91.
Āūf-, intr. (ſein): empor-g., ſich grünend heben,
aufſproſſen: Wenn mein faſt ganz hinwelkendes Leben ..
wieder aufzugrünen und zu blühen anfängt. B. 484b; Da
grünen alle Wälder auf. Geibel Jun. 141; Die Fichte ſieht
mißfärbig aus neben hell-a–der Birke. G. 18, 264; Das
Frühjahr wieder a. ſehen. 22 159; Wo unſere Freundſchaft
ſo friſch und mächtig aufgrünte. Heinſe A. 1, 233; Wenn
dem Mai a. die Erſtlinge. V. 3, 63; Sah der alte Philemon
in Laub a. die Baucis. Ov. 2, 107; 30 ꝛc. Āūs-: 1)
aufhören zu grünen. 2) grünend ausſchlagen: Eine
Leidenſchaft .. grünt in jedem Augenblick wieder neu aus.
Goltz 1, 368; 309 ꝛc. Be-, tr.: grün werden laſſen
und refl., intr. (ſein): grün werden: Den Sand zu b.
und zu beangern; Mit begrünten Hügeln umgeben. G. 18,
286; Begrünet ſich die Ruine. 10, 235; Bäume, die ſich
täglich neu b. 11, 68; Im faul-begrünten [3] Pfuhl. V.
Sh. 1, 85; Der mein Leben beſcheint und begrünt. Zelter 2,
108 ꝛc. Das grasbegrünte Grab. Koſegarten Rh. 2, 127;
Moosbegrünte Becken. Stahr Weim. 19 ꝛc. Dahêr-:
Luther 4, 42b. Empōr-: auſ-g.: Pappel, | welche
dem Agneswerder emporgrünt. D. 3, 71; Sobald ſie [die
Saat] | jugendlich über die Furche emporgrünt. Georg. 1,
113; Od. 12, 103 ꝛc. Ent-, intr. (ſein): grünend
entſprießen, vgl. Entblühen, er-g.: Nur Moos und
Flechten e. | den wilden Ruinen. Matthiſſon 172; Die braunen
Keime, | halb entgrünt. V. 4, 45; Dicſen entgrünet | all
der Wälder und Stauden Geſchlecht. Gcorg. 2, 20. Ent-
gĒgen-: Nichts grünte dem Winter entgegen als wir armen
Tannenbäume. Putlitz Wald 33. Er-, intr. (ſein):
grün werden, z. B. ſcherzh.: So lief über ſeine Geſichts-
fläche ein grüner Farbenton; daher hatte der Baron .. den
Ausdruck e. [ſtatt erröthen] gebraucht. Immermann M. 1,
213; 2, 5 ꝛc., ferner: So e. die Gletſcher . . mit einer ſo
ſaftgrünen Farbe. Kohl A. 3, 224 ꝛc., gw. von Pflanzen:
Von Blättern ſah ich mancherlei e. G. 6, 87; Weinberg, an
deſſen Ergrünung er ſich zu erfreuen die Luſt hatte. Zelter 5,
68; Mein Botenſtab ergrünt von friſchen Zweigen. Sch. 491a;
Die Buchen waren noch nicht ergrünt. Tieck GſN. 1, 101 ꝛc.
Hêr-, Hín- ꝛc.: Schön hergrünte der Kranz aus
ſchöner Umlockung. V. 1, 108; Fetter grüne, du Laub’, | am
Rebengeländer, | hier mein Fenſter herauf. G. 1, 67; Wie
ein Gewächs am Gewitterableiter hinaufgrünen. IP. 22,
197; Daß das in die Erde geſenkte Korn ſeiner Zeit wieder
herausgrünt. Schubart Nachtſ. 82; Blumen, die aus Vater
Stilling’s Moder hervorgrünen. Stiling 1, 151; IP. 36,
27 ꝛc. Über-, tr.: mit Grün überdecken, vergl.
Be-g.: Dort übergrünte ſie ſchon geiles Neſſelkraut. Alexis
Dor. 1, 5; Wo die Ulme das alternde Hofthor | übergrünt.
Hölderlin (Wackernagel 2, 1261); Kinkel 130; Die übergrün-
ten Felſen. König (Hausbl. [56] 1, 219) ꝛc. Um-, tr.:
mit Grün, grünend umgeben: Ihr Grab umgrünet friſch
das grüne Gras. Arndt 40; Der Tugend Kranz umgrüne
deine Locken. Chamiſſo 4, 191; Wenn ich in Graſe ruht’ und
zartes Leben mich umgrünte. Hölderlin H. 2, 119; Erden-
ſohn .., umgrünt von Amor’s Myrtenkrone. Matthiſſon 80;
Die lorbeer-umgrünte Daphne. ASchlegel Gd. 1, 221; Gar-
ten, Feld und Weide | umgrünt hier jedes Haus. V. 3, 116;
Am umgrünten Teiche. 146; 23 ꝛc. Ver-, intr.
(ſein): das Grün verlieren, ſo: 1) verwelken, eig. und
übertr.: Wenn winterlich die Au vergrünt, | der Garten öde
ſteht. JJBehr (Matthiſſon A. 9, 63); Himmel, ſpann dein
blaues Zelt! | mein [der Blume] vergrüntes ſinket hier.
Rückert 1, 28; Sie ließen ihn, als [wie] einen Baum v.
Hagedorn 2, 296; Freuden echter Art, | die nie ver-g., immer
dauern. Uz 2, 140 ꝛc. 2) Färb.: das aus der Jndig-
küpe genommne grün erſcheinende Zeug der Einwirkung
der Luft ausſetzen, wodurch es ſich blaut, ſ. Karmarſch
2, 304.