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Glocke
Glócke, f.; –n; Glöckchen, lein, elchen; –n-:
1) ein hohles, metallnes, durch Anſchlagen eines Me-
tallkörpers, meiſt eines im Innern befeſtigten Klöp-
pels, ertönendes Werkzeug, nam. im Vergleich zu
Klingen, Schellen ꝛc. ein größeres, vgl.: Die Kappe,
bunt | mit Schellen und mit Glöckelchen. Baggeſen 3,
274 ꝛc.; Kranz oder Schlag, Schweifung, Haube, Henkel der
G.; Das Lied von der G. Sch. 77a; G–n gießen; ſprchw.:
Da ward die G. gegoſſen [kam die Sache zum Beſchluß].
Luther 8, 218b; Weidner 44; Rollenhagen Fr. 264; Soll
ich die Speiſe alle zuſammenſchmelzen, ſo will ich ihm eine
G. gießen, daß er’s hören ſoll, es ſei keine ſchlechte Cymbel
noch Schelle [kommts zur Sprache, ſo werd’ ich ihm
ganz gehörig die Wahrheit ſagen]. Luther 6, 7a ꝛc.
Die G–n läuten, ziehn (ſ. auch: beiern); Große (Chamiſſo
5, 220), alle (Luther 1, 373a) G–n läuten, von Etwas
viel Rühmens machen; Etwas an die große G. hängen
(Kinkel E. 98), bringen (261), binden ꝛc., es unnöthiger-
weiſe an die Öffentlichkeit bringen; Er hat läuten hören,
weiß aber nicht, wo die G–n hängen ꝛc., vgl. z. B. L. 10,
281, weiß nur oberflächlich Beſcheid; Von Wien her
hört man dieſelben G–n läuten, die von Paris erklangen
[dieſelben Nachrichten ꝛc.]. Arndt Ber. 350; Die Welt
iſt eine G., die einen Riß hat, ſie klappert, aber ſie klingt
nicht. G. 3, 184; Luther 8, 180a; Ihr pflegt zu ſchwatzen,
eh Ihr handelt | und ſeid die G. [der laute Vorherver-
künder] eurer Thaten. Sch. 435a; Seine Zunge | klingt
ſtets nachher wie eine dumpfe G., | die einſt dem abgeſchied-
nen Freund geläutet. Schlegel Sh. 6, 195; Um wen gehn
die G–n? [wem gilt das Grabgeläute?]; Die Kühe haben
G–n [Trinkeln] am Hals ꝛc. Hammer und G., Name
eines Geſellſchaftsſpiels. 2) die G. an Schlaguhren,
die durch den anſchlagenden Hammer ertönt und da-
nach die Schlaguhr (Zeit-G. Stumpf 400a) und allge-
meiner (nam. in Niederd.) = Uhr überhaupt: Früh
war’s Glock acht . .. Glock [Schlag] zehn Uhr Nachts.
HvKleiſt Kr. 91; Ich machte mich alſo dieſen Morgen Glocke
ſechs daran. Forſter B. 1, 642 (Lichtenberg) ꝛc. Wiſſen (z. B.
Chamiſſo 3, 192), merken (Weidner 350), Einem ſagen
(Heine NGd. 245), was die G–e geſchlagen hat = gehörig
Beſcheid ꝛc.; Ein Jeder zählt nach einer andern G. Nicolai
1, 99; Überhörte in meinem Eifer jede G. Tieck GſN. 1,
8; W. 11, 196. 3) Bez. einer Kanone, nach dem
hellen Klang. Arndt Gd. 356. 4) Gegenſtände von
der gewöhnlichen Form der Glocken, d. h. hohle
Kugelabſchnitte, bald mehr bald weniger ausgeſchweift,
z. B.: a) die Kelche mancher Blumen und danach die
Gewächſe ſelbſt (ſ. Zſſtzg. und G–n-Blume): Läutet
ihr [Blumen] die blauen G–n. Gottſchall G. 50; Blaue Ver-
gißmeinnicht, Schlüſſelchen, Glöckchen im Mai. H. 15, 90;
Aus zergangnem Wintereiſe | blühn des Lenzes G–n auf.
Matthiſſon A. 8, 140; Eine Hyacinthe neigt ihre blauen G–n.
Mörike N. 49 ꝛc. Wald-G., Halswurz. b) hohle
Halbkugeln aus Glas ꝛc. (ſ. Harmonika), z.B. wie ſie
über manche Speiſen, nam. über Butter und Käſe,
ferner von Gärtnern über manche Pflanzen zum Schutz
vor der Kälte geſtellt werden; ebenſo: G. der Luftpumpe;
G. zum Auffangen von Gaſen ꝛc.; auch: Gläſer und G.
[Kuppel] der Lampe waren ſpiegelblank geputzt. Hackländer
Hdl. 2, 44 ꝛc. Ferner: Glasgefäß in Form eines
größern Kugelabſchnitts, z. B.: G. oder Kuppel für
Goldfiſche; Beleuchtungs-G–n, die Abends ihren Schimmer
durch ein mattes rothes Glas warfen. Gutzkow R. 2, 376.
c) G., worin die Taucher ſich ins Meer laſſen.
d) ein Bügel-, Toll-Eiſen, ſ. Dolde, Anm. und
Glocken. e) ehemals eine Art Kleidungsſtück für
Männer und Frauen. Fauſt Limp.Chron. 10. t) Art
Garn, Repphühner im Winter zu fangen, vgl. Schnee-
haube. g) Glöckchen, Milchglöckchen, herabhängende
Warzen am Hals der Ziegen, bei Spate Druhglöcklein,
weil ſie auf Gedeihn (ſ. Druhen), auf reiche Milch-
fülle deuten. h) G. am Rappier, ſ. Korb 2f.
Anm. Ahd. clocca von cloccön (mhd. klocken), klopfe,
wie denn der Klöppel in der Glocke (von klopfen) noch mund-
artl. der Klöckel ꝛc. heißt (ſ. Spate 985; Benecke 1, 832a
und 847a). Danach iſt anlautendes K ſtatt G, wie es in
Norddeutſchl. geſprochen und theilweiſe auch geſchrieben wird,
minder üblich freilich, aber wohl berechtigt: Der Klocken
Lauten oder Schlagen. Göckingk 2, 138; Klocke zehn. 71;
Maien klocken. Hölty 53; Abend klocke. 12; Morgen klocke.
13; Todtenklocke. 4 ꝛc.
Zſſtzg. vielfach, vgl. auch die von Uhr, leicht zu
mehren nach den folgenden: Ābend- [1]: die Abends
geläutet wird. IP. 2, 185; Uhland 12; 229 ꝛc.
Armeſünder- [1]: die bei Hinrichtung eines armen
[ſ. d. Anm.] Sünders geläutet wird: Hörte ich das
Armeſünderglöckchen läuten. Heine Reiſ. 2, 94 ꝛc., ſ. Sün-
der-G. Aūfruhrs- [1]: Sturm-G. Meißner Gd.
141. Bēīcht- [1]: Die ſogenannte B., welche Die-
jenigen, die nach dem Schluſſe der Predigt das Abendmahl
feiern wollen, zu einer kurzen Andacht zuſammenruft. Grube
Geogr. 3, 93. Belēūchtungs- [4b]. Bêt-
[1]: deren Läuten zum Gebet auffordert. V. 1, 34 ꝛc.
Abend-B. G. 19, 136; H. 8, 312. Seltner: Gebet-G.
ALewald 1, 319. Béttler- [1]: Die B. klingt: Trag
her! bring mehr! gebet mir! mangelt ihr! (Sprchw.). Friſch
1, 89c, ſ. Veſper-G. Bímmel- [1]: kleine, hell-
tönende Glocke. Keler LvS. 317. Blūmen-[4a]: G.
1, 20; auch [4b]. Bȫrſen- [1]: Er läutete als kauf-
männiſcher Glöckner die B. JP. 3, 4. Bránd- [1]:
die bei Feuersbrünſten geläutet wird, Feuer-G. Sch.
120a. Bürger- [1]: durch deren Läuten die Bür-
ger zuſammengerufen werden, aber auch die ſogenannte
Bürger-Stunde oder -Zeit verkündende Glocke, wo-
durch die Bürger zum Aufbruch aus den Wirthshäu-
ſern gemahnt werden: Als ſich zur Zeit der B. die Geſell-
ſchaft . .. trennte. Kinkel E. 400. Búſch- [4a]:
Campanula rotundifolia. Bútter- [4b].
Dónner-: laut, wie Donner tönend: Des Ruhmes
D–n. Koſegarten Po. 2, 171. Dórf-: [1]: [2]. Tieck
16, 61. Drūh- [4g]. Eſs- [1]: womit zu
Tiſch geläutet wird. ALewald 1, 324; die Zeit des Eſſens.
Fēīer- [1]: womit zum Feierabend geläutet wird
und der Eintritt des Feierabends. Féld- [1]:
ſcherzh. ſt. Galgen, ſ. Feldbiſchof: Würfelknipfern, die
darnach Meiſter Hans knipft für ein Klipfel in einer F–n.
Fiſchart (Wackernagel 3, 465); Das Ende vom Lied iſt, daß
Einer als Schwengel in der F. gebraucht wird [baumeln
muß]. Grimm M. 284. Fēūer- [1]: Brand-,
Sturm-G.: Des Aufruhrs F. Sch. 334b. Fréſs-:
niedrig, ſcherzh. ſt. Eß-G. Gárten- [4b].
Glās- [4]: auch = Buſch-G. Grās-: Buſch-
G. Hyacinthen- [4a]. Kamēl- [1]: am
Hals der Kamele. Rückert Mak. 1, 93. Kǟſe- [4b].
Kírchen- [1]: ſo auch Dom-, Münſter-, Kapellen-,
Kloſter-G. ꝛc., und nach den Namen der Kirchen ꝛc. auch:
Marien-, Peters-G. (Fiſchart B. 11b) ꝛc.; [Die lettiſche
Sprache] klingt wie ein Tiſchglöckchen, die deutſche aber wie
eine K. Hippel Leb. 1, 72. Kūh- [1]: ſ. Trinkel.
Kúpfer- [1]: ſ. auch Glucke 3. Lámpen- [4b].
Lä́rm-[1]: Sturm-G. Lēīchen-[1]: Todten-
G. Līli-en- [4a]: Campanulalilifolia; Aus Mai-
und L–n. KGroth 64. Māī(en)- [4a]: Convallaria
majalis. B. 3a; Uhland 310 ꝛc. Malefīz-: Sün-
der-G. Marīen- [4a]: Campanula medium, ſ.
Kirchen-G. Mêêr- [4a]: Convolvulus Solda-
nella. Méſs- [1]: womit zur Meſſe in die Kirche
geläutet wird; Meßglöcklein, womit das Zeichen der ge-
ſchehenen Verwandlung bei der Meſſe wird. Fer-
ner: die Glocke, womit die Meſſe (der Markt) aus-
und eingeläutet wird. Mílch-: 1) Buſch-G.
2) [4g]. Mórgen-: ſ. Abend-G.: Sonntags-
M–n. Meißner Gd. 48. Nōth- [1]: durch deren
Läuten man fernhin ſeine Noth verkündet: So ruft die
N. alle Bewohner der Umgegend herbei. Körner Sch. 3, 309.
Pyramīden- [4a]: Campanula pyramidalis.
Sāū- [1]: ſprchw.: Die S. läuten, Zoten reißen.
Schánd-: wodurch Jemandes Schande öffentlich
verkündet wird, z. B. die eines muthwillig Bank-
brüchigen ꝛc.: Die Sch. über ihm läuten. IP. 21, 106 ꝛc.
Schíffs- [1]. Schnēē- [4a]: Leucojum
vernum; Soldanella alpina ꝛc. Schūl- [1].
Sílber-: 1) [1] Glocke von Silberklang. Göckingk
2, 147; Heine Rom. 64; W. 11, 235 ꝛc. 2) [4a]:
Seine [des Mai’s] S–n. Ramler 266, ſ. Maien-G.
Spérr- [1]: womit der Thorſchluß, der Beginn der
Thorſperre eingeläutet wird. Stádt-: [1; 2].
Stérbe- [1]: Todten-G. Matthiſſon 17 ꝛc. Stúrm-
[1]: womit Sturm geläutet wird. G. 20, 239, ſ.
Brand-G. Sünder-: Armeſünder-G. WMüller 1,
394. Tálg-: große Talgmaſſen in Glockenform,
wie ſie meiſt aufSchiffe verladen und verſandt werden.
Grube Geogr. 3, 4. Tāūcher- [4c]. Thōr-
[1]: an oder über einem Thor hängende Glocke, nam.
Sperr-G. Thǖr- [1]: die, an einer Thür be-
feſtigt, beim Offnen derſelben ertönt. Thúrm-:
[1; 2], auch [4a]: Campanula pyramidalis.
Tíſch- [1]: Eß-G.; aber auch eine auf dem Tiſch
ſtehende Glocke zum Schellen der Dienerſchaft, ſ.
Kirchen-G. Tōdten- [1]: die bei Begräbniſſen
geläutet wird ꝛc. Uhland 186; 322 ꝛc. Véſper-
[1]: womit in die Veſper geläutet wird. Keller gH. 2,
105; „Lamm, Lamm!“ iſt des Wolfes V. (Sprchw.)
Schottel 1134a, vgl. Bettler- G. Wáld- [4a]:
Campanula persicifolia ꝛc.; Phyteuma spicata; Di-
gitalis lutea; Ruscus hypoglossum. Wéck(er)-
[1]: ſ. Wecker. Wēīß-: Zaun-G. Wétter-
[1]: die beim Gewitter geläutet wird, Bet-G. Canitz
240. Wīēſen-: Buſch-G. Zāūn- [4a]:
Convolvulus sepium. Zēīt- [2]. Zügen-:
kleine Glocke, die geläutet wird, wenn Jemand in den
letzten Zügen liegt, damit die Hörenden für ihn beten
mögen. Spindler Stadt 1, 20; 139 u. ä. m.