Faksimile 0604 | Seite 596
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gleißen
Glēīßen, gliß (gleißte); gegliſſen (gegleißt), intr.
(haben): 1) glänzen, hell ſcheinen ꝛc. (ſ. 2): Es iſt
nicht Alles Gold, was gleißt (Sprchw.); Wenn du dich
gleich mit Laugen wüſcheſt, ſo gleißet doch deine Untugend
deſto mehr vor mir. Jer. 2, 22; Die ſo wir Citronen hei-
ßen | und ein wenig blaſſer g. Brockes 9, 188; Er gleißte ſo
geduldig. Chamiſſo 3, 190; 318; Das warf wie Gold ein
g–d Licht .. Dem goldnen Glanz entſprach auch das Gewicht.
4, 33; 84; 149; 6, 256; Daß von Gold .. Alles glanz,
glitz und gleiße. Fiſchart B. 38b; Wie doch der Schelm ſo
Viel verheißt | und nur verleiht, was golden gleißt. G. 12,
42; Zinnteller, ſo g–d wie eitel Silber. Goltz 1, 74; 223;
Wurde alſo ein lichter Teufel, der ſich verſtellet, daß er gliſſe
(„gließe“) wie ein himmliſcher Engel. Luther 6, 478b; 483b;
166a; 5, 492b; 8, 309b; 310a u. v.; Wie dein Ge-
wand | von lauter Unſchuldlilien gleißet. Mühlpforth 2, 39;
Platen 2, 100; Sein Rüſtzeug glänzt und gleißt, | daß mirs
wie Wetterleuchten noch in den Augen beißt. Uhland 413;
Bis in nächſter Nacht die ſpäten Sterne g. W. 12, 298; 33;
Die g–den Wellen. Zachariä Tag. 5 ꝛc. 2) Etwas ſchei-
nen, dem das Weſen nicht entſpricht, einen falſchen
Schein von ſich geben, heucheln (zuw. auch tr.): Laß
mich nicht im Schein verwildern | der Welt, die tauſendfar-
big gleißt. Arndt 595; Gleich dem edelſten Metalle, | das
glänzt und niemals gleißt. Blumauer 1, 170; Heißt G. Fröm-
migkeit und Andacht Heuchelei. Haller 79; Heuchelei und g–des
Frömmeln. Heine Reiſ. 4, 24; Faßte er den g–den Ent-
ſchluß, mit den Schäfern auf einem gütlichen Fuß zu leben.
L. 1, 159; Zeigte das Glück noch einmal ſein g–des Antlitz.
Prutz Muſ. 2, 59; Du g–der Prieſter. Tieck A. 1, 160;
163; G–der Trug. V. 3, 12; Meinen Handlungen einen
g–en Anſtrich zu geben. W. 24, 2 ꝛc. 3) tr.: be-, über-
g. (2): Kein Krieg kann gerecht ſein, ſo den tiefen | Grund
legt ewiges Kriegs. Betüncht ihn, | gleißt ihn, er wird nicht
gerecht! Kl. Od. 1, 82.
Anm. In unſerm Wort ſind 2 verſch. Stämme zuſam-
mengefloſſen: 1) dem ſtarke Abwandlung gebührt, entſpricht
dem ahd., mhd. glize, das mit Glitze(r)n, Glimmern, Glän-
zen ꝛc. urverwandt iſt; 2 dagegen mit ſchwacher Abwandlung
iſt durch Fortfall des ch aus gleichſen entſtanden, das ganz
dem lat. simulare (heucheln) zu similis (ähnlich) entſpricht;
ſich einem Andern gleich gebärden, ſtellen, ahd. līhison, mhd.
gelîchesen, auch gelīchsenen, dem noch bei Mendelsſohn Pſ.
62 das tranſ. Gleißnen entſpricht: Sie gleißnen Segen
mit dem Munde, | hegen Fluch im Herzen, und allgm.: Der
Gleißner, wofür Schottel noch Gleißer ſagt. Veralt. iſt das
Tranſ. (2) in Wendungen wie: Die Soldaten gleißeten die
Flucht [ſtellten ſich fliehend]. Adelung; Das Wort hat heute
meiſt die Bed. des blendenden, täuſchenden Glanzes, doch wie
die Belege unter 1 zeigen, auch bloß: glänzen. S. nam.
auch: Verächtliches Lob für dich (Sokraten mag es g.). W.
25, 131, d. h. ein Lob, das dir verächtlich iſt, obgleich es
Leuten wie einem Sokrates glänzend erſcheinen mag,
wozu aber der Herausgeber irrig bemerkt: „Mit dem hiezu
wohl von Wieland eigens gebildeten Wort g. ſtatt einen
gleißneriſchen Firnis anſtreichen“|
Zſſtzg. vgl. die von Glänzen, z. B.: Án-: Damit
wir nicht .. . uns laſſen ſeine große Gewalt a. und locken.
Luther 8, 136. Be-: Von außen begliſſen, von innen
beſchiſſen (Sprchw.). Goltz 1, 367. Dahêr-: Mit
Frommkeit gleißen ſie daher. Waldis Pſ. 36, 2. Ent-
gêgen-: Einen weißen Stein . . ſeh ich mir e. Müllner 1,
2, 53. Über-: tr.: 1) an blendendem Glanz ꝛc.
übertreffen. 2) mit Gleiße überziehn, überfirniſſen:
Indem ſie ihren Eigennutz mit einem gewiſſen Stolze über-
gleißt. König Leb. 2, 6; Schöne Sprache übergleißt den ..
hohlen Ausdruck. Prutz DM. 1, 1, 128. Um-: tr.:
mit etwas Gleißendem umgeben: Ging, | von Seid’ und
Gold umgleißt. Langbein 2, 208. Ver-: intr. (ſein):
aufhören zu gleißenu. ſo verſchwinden: Wo iſt der Geiſt,
vor dem vergleißt, | was trügiſch blinket? Arndt 365u. ā. m.