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glauben
Glāūben, tr., refl. u. intr. (haben): einen Glau-
ben hegen, vertrauend etwas nicht Gewußtes oder durch
Vernunftgründe Erkanntes für wahr halten, was bald
prägnant, namentl. in religiöſer Beziehung, die
innigſte Überzeugung von der Wahrheit einer Sache,
von der Exiſtenz eines Weſens und das feſteſte Ver-
trauen auf dasſelbe bezeichnen kann, bald aber auch in
abgeſchliffnem Sinn das bloße Dafürhalten und ſich
alſo dem „Meinen“ nähert: 1) tr.: Einem Etwas g.,
Dies im Vertrauen auf die Perſon und ihr Zeugnis
für wahr halten, wobei der Dativ zuw. auch etwas
Sachliches in perſönlicher Auffaſſung ſein kann: Er
wollte es mir auf meinen Schwur, es meinem Schwur
nicht g.; Er glaubte ſeinem Ohr den ſüßen Wechſel nicht. W.
3, 44 ꝛc. Das Obj. auch durch einen Satz ausge-
drückt: Man wollte ihm nicht g., daß er es geſehn hätte ꝛc.
Auch paſſ.: Die Erzählung, Das wurde ihm nur von
Wenigen geglaubt; Es wurde ihm nicht geglaubt, daß er dort
geweſen ſei ꝛc., ſ. 2 und 6a. Mundartl. auch: Einem
Waaren g., auf Kredit geben, ſ. Glaube 1c und Gläu-
biger. Verſch. mit reflex. Dat.: Sich Etwas g., zu-
trauen: Wer ſich Muth und Kraft glaube, ſie zu ſtudieren ꝛc.
G. 3, 196. 2) tr., ohne Dat. (ſ. 1): Etwas g., für
wahr halten; Etwas feſt, ſteif und feſt, ſicher, heilig g.;
Das kann ich nicht, unmöglich, nun und nimmer, in alle
Ewigkeit nicht g.; Es iſt kaum zu g.; Das will ich (gern)
g.; Das glaube ich, auch in Bezug auf einen Bedingungs-
ſatz = So geb’ ich der Sache meinen Beifall, ſo kann
ich ſie mir erklären, allerdings ꝛc.: Das glaub’ ich, wenn
wir Allen helfen könnten, dann wären wir zu beneiden. L. ꝛc.;
Wir glaubten Wunder [ſ. d.], was Ihnen widerfahren.
Gutzkow R. 3, 143; 117; Solche Handlung glaube ich von
ihm nicht, halte ihn deren nicht fähig ꝛc.; Einen (zuw.
Einem) Etwas g. laſſen, g. machen (ſ. a); Jch glaube den
Bericht nicht, halte ihn, das Berichtete, nicht für wahr,
verſch.: Ich glaube dem Bericht nicht, traue ihm, dem
Zeugnis des Berichtenden nicht, ſ. 6a. a) das Obj.
auch ein abhängiger Satz mit oder ohne „daß“: Ich
glaube [meine, halte dafür], daß du Recht haſt, du haſt
Recht; Ich glaubte, daß du Recht hätteſt (habeſt), du hät-
teſt Recht; Ich glaubte, er würde hier ſein; Ein Menſch, der
.einen Stollen | an ſeinem Bett umarmt und heilig glaubt,
er ſei | an ſeiner Göttin .. Buſen. W. 11, 174 ꝛc., wo
der Konjunktiv den Glauben als Wahn bezeichnet; ſo
auch zuw. mit: als wenn, als ob, z. B.: Der Schmuck an
Früchten . . ließ g., als wenn es der Herbſt .. wäre. G. 15,
298; Glaubt nicht, als ob der Zweck nur die Vergnügung
wäre. Lichtwer 117 ꝛc. Veralt.: Solchen Gottesdienſt,
den [jetzt gewöhnl.: von dem] wir glauben, daß er Gott
angenehm ſei. Zinkgräf 1, 318 ꝛc. Oft: Er ließ mich g.,
ich ſei ihm gleichgültig; Machen Sie ihn durch wiederholte
Stürme auf ſeine Leidenſchaft g., daß Sie der zärtliche Vater
nicht ſind, ſo ꝛc. Sch. 195a. Daneben (ſ. Machen):
So mußte er ihr nur g. machen, es ſei Einer da. G. 3, 194;
10, 24 ꝛc. b) haben Haupt- und Nebenſatz dasſelbe
Subj., ſo ſteht auch der Infin. mit „zu“: Ich glaube,
daß ich Recht habe, Recht zu haben; Weil man ſie doch
am Ende zu beherrſchen glaubt oder hofft. G. 39, 296 ꝛc.
c) früher, auch bei wechſelndem Subj., mit Accuſ.,
bei bleibendem mit „ſich“ und Infin. und zwar am
häufigſten mit ,,ſein“, z. B. noch: Daß man ſich mit
der Saalnixe .. verſchwägert zu ſein glaubte. G. 15, 175;
Was er ſeiner Nation am gemäßeſten zu ſein glaubte.
33, 178; Welches die Phrygier deßwegen géſchehen zu
ſein glaubten. Heinſe A. 2, 64; Geſinnungen, die man
ihn für dieſe Macht zu haben glaubte. JGJacobi Ir. 3,
220; Daß er Etwas nach dem Geſchmack ſeiner Landsleute
zu ſein geglaubt. L. 3, 392; 5, 61; 12, 247; 11, 162;
Das hölliſche Feuer, welches in dem vorigen Kriege der König
von Preußen zu haben geglaubt ward. 238; Daß man in
jedem Stiche eine Grazie verſteckt zu ſein glaubte. Möſer Ph.
1, 44; Stilling 1, 105; W. 10, 182 ꝛc. d) aus c ent-
wickelt ſich durch Fortfall des „zu ſein“ die heute gw.
Fügung: Einen, ſich klug, reich, im Recht g. ꝛc., z. B.:
Daß ſie mich einen redlichen Mann glaubten [dafür hiel-
ten]. Arndt E. 330; Weil wir dich weit in der Ferne ge-
glaubt. G. 1, 157; Jedermann glaubt mich in Ungnade.
10, 6; Als er ſein Zimmer neulich | erbrochen glaubte. 13,
106; 185; Daß der Menſch das Ziel ſo nahe glaubt. Höl-
derlin H. 1, 15; Sinkt, was man ewig glaubte, | wie eine
Sage hin? AMeißner Gd. 77; [Der ihn] ’nen Baſtard ſchilt,
vielleicht auch ſelber glaubt. Müllner 2, 10; 5, 347; Jun-
ges, | das er im Neſte glaubt. Rückert Roſt. 107a; Den
mächtig geglaubten Zauberſtab. W. 18, 72 ꝛc. Man
verwechsle hiermit nicht die ſeltnere Fügung, wo das
Ew. die Wirkung, den Erfolg des Glaubens bez.,
z. B.: Er glaubt ſich ſelig, gw.: er glaubt es zu ſein,
aber auch: Er wird es durch ſeinen Glauben. Vgl.
nam.: Sich im Himmel g., und: Der Einfältige glaubt
ſich in den Himmel und der Gelehrte zweifelt ſich in die Hölle.
V. Ant. 2, 362 ꝛc., ſ. hinein-g. 3) tr.: Etwas, ein
höheres Weſen g., von dem Daſein (und dem Wirken)
desſelben überzeugt ſein, ohne es mit dem Verſtande zu
begreifen: Wer darf ihn [Gott] nennen | und wer beken-
nen: | Jch glaub’ ihn? | wer empfinden | und ſich unterwin-
den, | zu ſagen, ich glaub’ ihn nicht? G. 11, 150; So g.
Sie kein Schickſal, keine Macht, die über uns waltet? 16,
79; Geſpenſter, den Teufel, Engel, die Unſterblichkeit der
Seele, die Auferſtehung Chriſti, der Todten ꝛc. g. S. 6b.
4) das Partic. Geglaubt ſ. o., z. B.: Die von Vielen
geglaubte, von Einigen aber bezweifelte Geſchichte ꝛc., zuw.
auch (ſ. 2d) = vermeint, für Etwas gehalten, z. B.:
Friederich, der ehemals geglaubte Eroberungsſüchtige. Engel
4, 95; So daß der Neuere . . ſeine geglaubte Originalität
oft beſchämt ſieht. G. 39, 108 ꝛc. Aber auch zuw. zu
der Fügung: Eine m g. (6a) gehörig, vgl. die Partic.:
Gefolgt, geſchmeichelt ꝛc., z. B.: Das Elend einer nie
von ihren Mitbürgern geglaubten Weisſagerin. WHumboldt
3, 8; Jetzo geglaubt, empfängt er ſofort die bezauberten
Kräuter. V. Ov. 2, 13; Wie ich Gekränkte weggeh’, unge-
glaubt. Sh. 2, 249. 5) refl., ſ. 2d. 6) intr.:
a) mit Dat. (ſ. 1): Einem, Jedem, Keinem, Jemandes
Wort, Eid, Schwur, Verſichrung, Zeugnis, den eignen Sin-
nen g. [trauen]; Den Ohren iſt’s ein Traum, | den Augen
ſelbſt wirſt du nicht g. G. 10, 255. Eine m, verſch.:
Einen Bericht g. ſ. 2, ähnlich (vgl. 3): Alle und jede
rechtgläubigen Katholiken g. die Bibel und der Bibel [hal-
ten ſie für ein göttliches Buch und trauen, folgen da-
her ihrem Wort]. L. 10, 246 ꝛc., ſ. auch b. b) An
Einen, an Etwas g., ſich nahe berührend mit 3, doch,
genau genommen, durch eine Nüance verſchieden, in-
dem an gleichſam die Stütze bez., Dasjenige, woran
man glaubend ſich hält, ſo nam. von religiöſen Glau-
bensſatzungen: Wer die Auferſtehung der Todten glaubt,
hält den Satz, daß ſie auferſtehen werden, für wahr; wer
daran glaubt, ſtützt ſich auf dieſe Überzeugung und handelt
ihr gemäß. So: An Gott, Chriſtum g., wo mit Nüance
auch der Accuſ. ſtehen kann, z. B.: An Träume g.
(nicht: Träume, ſondern eher: Träumen g.) ꝛc.: Chri-
ſtum g.: wiſſen und für wahr halten, daß ein Chriſtus in
der Welt geweſen ..; Chriſto g. (ſ. a): ſein Wort als
göttliche Wahrheiten annehmen und denſelben Beifall geben;
an oder auf Chriſtum g.: eine lebendige Erkenntnis des
Meſſiä haben und ſich ſein Verdienſt gläubig zueignen. Büch-
ner Konk. 918b; Wenn man ihn [den Teufel] glaubt [ſeine
Eriſtenz annimmt], muß man ſich nur hüten, nicht an ihn
zu g. [ſeinen Einwirkungen Folge zu leiſten]. Tieck N.
6, 67 ꝛc. Statt des an (ungw. mit Dativ: An der
preußiſchen Konſtitution will ich wohl g. Börne Par. 1, 189),
theol. auch auf (ſ. o. Büchner), veralt. in, z. B.: In
das Wort Gottes (Fiſchart B. 31b), in einen Gott g.
(Zwingli 2, 203) u. o. Übertr.: An Etwas, daran g.
müſſen (ſ. Anm.), einem unvermeidlichen Geſchick ver-
fallen, ſterben, z. B. Gutzkow R. 9, 415; Zaubr. 1, 118.
c) ohne Zuſatz: „Kommt dein Bruder?“ Ich weiß
nicht, aber ich glaube wohl [daß er kommt, ſ. 2a]; Er
wird, wie ich glaube, kommen; Er kommt, glaub’ ich, mor-
gen ꝛc. Selig ſind, die da nicht ſehn und doch g. [ſ. 3 ꝛc.].
Joh. 20, 29; Glaubt gläubig und ſagt der Vernunft euch
los! V. 4, 96 ꝛc.
Anm. Goth., ahd. galoubjan, mhd. g(e)louben, wie
noch z. B.: Auch gelaubt ſie nit. Schaidenreißer IIIb, und
veralt., mundartl. ohne Vorſ. ge, ga, wie mit andrer
Vorſ.: Erlauben, Urlaub, vgl. engl. be–lieve (glauben).
Das Grundw. hat man mit Lieben, Loben zuſammenzuſtellen
verſucht, ſ. jedoch Schm. 2, 412 nam. die widerſtrebende alte
Bed. des refl. mit Genit. = ſich einer Sache begeben (ſ.
Benecke 1, 1019a), etwa: ſich von ihr beurlauben, ſie
fahren laſſen. Dieſe veralt. Bed. ſcheint noch in der 6b
erwähnten Wendung: „Daran (ſ. d.) g. müſſen = das Leben
aufgeben müſſen“ nachzuklingen. Luther hat meiſt die
Form Gläuben, ſo auch z. B. Opitz 1, 17 v. 253; Haller
110; 208; alterthümelnd Tieck 2, 17 u. A. m., wie denn
Gläubig neben glaubig ꝛc. die gw. hochd. Form geblieben
iſt. Selten: Die Glaubung; Durch die Sympathie
des Glaubers. Tiedge Ep. 1, 191; Glauberei [das
Glauben, in tadelndem Sinn]. Jahn M. 106, vgl. übrigens
Klauberei.
Zſſtzg. z. B.: Āber-: intr. (veralt.), einen Aber-
glauben hegen, ſ. Grimm. Án-: tr.: Einem Etwas
a., durch den Glauben beilegen, zuſchreiben (vgl. An-
dichten ꝛc.): Man glaubt der Seele ein geheimes Vermögen
an, ihre künftigen Schickſale zu ahnen. Zſchokke 1, 101.
Āūs-: wortſpielend mit ausklauben (ſ. d.): Was
Glaube, Glaube? ſprechen ſie .. So bald kann dieſen Vers
Niemand ſprechen, ſie haben ihn in einem Augenblick rein
ausgegläubt, ja leider allzurein aus, daß ſie weder uns noch
Niemand Etwas daran gelaſſen haben. Luther 5, 67a.
Be-: tr.: Etwas b., ihm Glauben, Glaubwürdigkeit
verſchaffen, beglaubigen (ſ. d.): Er beglaubte mit viel
Zeichen | das Evangelium. Fleming 5; Wohl bin ich mit
köſtlichen Siegeln beglaubt. G. 1, 143; Das Herz .. liebt
ein [von den Prieſtern] beglaubtes Nichts. Haller 63; Ein
unbeglaubter Muth. L. 1, 176; In den beglaubteſten Ge-
ſchichtsſchreibern. W. 4, VII; Beglaubte [vidimierte] Ab-
ſchrift ꝛc. Die Beglaubung der Abſchrift. Aber das
Partic. auch mit aktivem Sinn: Stark (W. 9, 301),
feſt (12, 337; HB. 2, 228) beglaubt ſein, daß ꝛc. oder
mit Infin. und zu = feſt glauben ꝛc. Hinēīn-:
refl. [2d]: Adam Müller war kein Heuchler, er hatte ſich
in den Glauben hineingeglaubt. Börne Frzfr. 114; So hat
ſich .. Doktor und Köhler in Abgrund der Höllen hineinge-
gläubt. Luther 6, 107a. Nāch-: tr.: Einem Etwas
n., nach Deſſen Vorgang, Muſter glauben: Ohne zu
unterſuchen, treuherzig n. B. 135a; Dieſer Elende mag von
dir denken, was er will. Wer wird es ihm n.? L. 7, 199;
W. 20, 147 ꝛc. u. ä. m.