Faksimile 0600 | Seite 592
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glauben
Glāūben, tr., refl. u. intr. (haben):
einen Glauben hegen, vertrauend etwas nicht Gewußtes oder durch Vernunftgründe Erkanntes für wahr halten, was bald prägnant, namentl. in religiöser Beziehung, die innigste Überzeugung von der Wahrheit einer Sache, von der Existenz eines Wesens und das festeste Vertrauen auf dasselbe bezeichnen kann, bald aber auch in abgeschliffnem Sinn das bloße Dafürhalten und sich also dem „Meinen“ nähert: 1) tr.: Einem Etwas g., Dies im Vertrauen auf die Person und ihr Zeugnis für wahr halten, wobei der Dativ zuw. auch etwas Sachliches in persönlicher Auffassung sein kann: Er wollte es mir auf meinen Schwur, es meinem Schwur nicht g.; Er glaubte seinem Ohr den süßen Wechsel nicht. W. 3, 44 etc. Das Obj. auch durch einen Satz ausgedrückt: Man wollte ihm nicht g., daß er es gesehn hätte etc. Auch pass.: Die Erzählung, Das wurde ihm nur von Wenigen geglaubt; Es wurde ihm nicht geglaubt, daß er dort gewesen sei etc., s. 2 und 6a. Mundartl. auch: Einem Waaren g., auf Kredit geben, s. Glaube 1c und Gläubiger. Versch. mit reflex. Dat.: Sich Etwas g., zutrauen: Wer sich Muth und Kraft glaube, sie zu studieren etc. G. 3, 196. 2) tr., ohne Dat. (s. 1): Etwas g., für wahr halten; Etwas fest, steif und fest, sicher, heilig g.; Das kann ich nicht, unmöglich, nun und nimmer, in alle Ewigkeit nicht g.; Es ist kaum zu g.; Das will ich (gern) g.; Das glaube ich, auch in Bezug auf einen Bedingungssatz = So geb’ ich der Sache meinen Beifall, so kann ich sie mir erklären, allerdings etc.: Das glaub’ ich, wenn wir Allen helfen könnten, dann wären wir zu beneiden. L. etc.; Wir glaubten Wunder [s. d.], was Ihnen widerfahren. Gutzkow R. 3, 143; 117; Solche Handlung glaube ich von ihm nicht, halte ihn deren nicht fähig etc.; Einen (zuw. Einem) Etwas g. lassen, g. machen (s. a); Jch glaube den Bericht nicht, halte ihn, das Berichtete, nicht für wahr, versch.: Ich glaube dem Bericht nicht, traue ihm, dem Zeugnis des Berichtenden nicht, s. 6a.
a) das Obj. auch ein abhängiger Satz mit oder ohne „daß“: Ich glaube [meine, halte dafür], daß du Recht hast, du hast Recht; Ich glaubte, daß du Recht hättest (habest), du hättest Recht; Ich glaubte, er würde hier sein; Ein Mensch, der .einen Stollen | an seinem Bett umarmt und heilig glaubt, er sei | an seiner Göttin .. Busen. W. 11, 174 etc., wo der Konjunktiv den Glauben als Wahn bezeichnet; so auch zuw. mit: als wenn, als ob, z. B.: Der Schmuck an Früchten . . ließ g., als wenn es der Herbst .. wäre. G. 15, 298; Glaubt nicht, als ob der Zweck nur die Vergnügung wäre. Lichtwer 117 etc. Veralt.: Solchen Gottesdienst, den [jetzt gewöhnl.: von dem] wir glauben, daß er Gott angenehm sei. Zinkgräf 1, 318 etc. Oft: Er ließ mich g., ich sei ihm gleichgültig; Machen Sie ihn durch wiederholte Stürme auf seine Leidenschaft g., daß Sie der zärtliche Vater nicht sind, so etc. Sch. 195a. Daneben (s. Machen): So mußte er ihr nur g. machen, es sei Einer da. G. 3, 194; 10, 24 etc.
b) haben Haupt- und Nebensatz dasselbe Subj., so steht auch der Infin. mit „zu“: Ich glaube, daß ich Recht habe, Recht zu haben; Weil man sie doch am Ende zu beherrschen glaubt oder hofft. G. 39, 296 etc.
c) früher, auch bei wechselndem Subj., mit Accus., bei bleibendem mit „sich“ und Infin. und zwar am häufigsten mit ,,sein“, z. B. noch: Daß man sich mit der Saalnixe .. verschwägert zu sein glaubte. G. 15, 175; Was er seiner Nation am gemäßesten zu sein glaubte. 33, 178; Welches die Phrygier deßwegen géschehen zu sein glaubten. Heinse A. 2, 64; Gesinnungen, die man ihn für diese Macht zu haben glaubte. JGJacobi Ir. 3, 220; Daß er Etwas nach dem Geschmack seiner Landsleute zu sein geglaubt. L. 3, 392; 5, 61; 12, 247; 11, 162; Das höllische Feuer, welches in dem vorigen Kriege der König von Preußen zu haben geglaubt ward. 238; Daß man in jedem Stiche eine Grazie versteckt zu sein glaubte. Möser Ph. 1, 44; Stilling 1, 105; W. 10, 182 etc.
d) aus c entwickelt sich durch Fortfall des „zu sein“ die heute gw. Fügung: Einen, sich klug, reich, im Recht g. etc., z. B.: Daß sie mich einen redlichen Mann glaubten [dafür hielten]. Arndt E. 330; Weil wir dich weit in der Ferne geglaubt. G. 1, 157; Jedermann glaubt mich in Ungnade. 10, 6; Als er sein Zimmer neulich | erbrochen glaubte. 13, 106; 185; Daß der Mensch das Ziel so nahe glaubt. Hölderlin H. 1, 15; Sinkt, was man ewig glaubte, | wie eine Sage hin? AMeißner Gd. 77; [Der ihn] ’nen Bastard schilt, vielleicht auch selber glaubt. Müllner 2, 10; 5, 347; Junges, | das er im Neste glaubt. Rückert Rost. 107a; Den mächtig geglaubten Zauberstab. W. 18, 72 etc. Man verwechsle hiermit nicht die seltnere Fügung, wo das Ew. die Wirkung, den Erfolg des Glaubens bez., z. B.: Er glaubt sich selig, gw.: er glaubt es zu sein, aber auch: Er wird es durch seinen Glauben. Vgl. nam.: Sich im Himmel g., und: Der Einfältige glaubt sich in den Himmel und der Gelehrte zweifelt sich in die Hölle. V. Ant. 2, 362 etc., s. hinein-g. 3) tr.: Etwas, ein höheres Wesen g., von dem Dasein (und dem Wirken) desselben überzeugt sein, ohne es mit dem Verstande zu begreifen: Wer darf ihn [Gott] nennen | und wer bekennen: | Jch glaub’ ihn? | wer empfinden | und sich unterwinden, | zu sagen, ich glaub’ ihn nicht? G. 11, 150; So g. Sie kein Schicksal, keine Macht, die über uns waltet? 16, 79; Gespenster, den Teufel, Engel, die Unsterblichkeit der Seele, die Auferstehung Christi, der Todten etc. g. S. 6b. 4) das Partic. Geglaubt s. o., z. B.: Die von Vielen geglaubte, von Einigen aber bezweifelte Geschichte etc., zuw. auch (s. 2d) = vermeint, für Etwas gehalten, z. B.: Friederich, der ehemals geglaubte Eroberungssüchtige. Engel 4, 95; So daß der Neuere . . seine geglaubte Originalität oft beschämt sieht. G. 39, 108 etc. Aber auch zuw. zu der Fügung: Eine m g. (6a) gehörig, vgl. die Partic.: Gefolgt, geschmeichelt etc., z. B.: Das Elend einer nie von ihren Mitbürgern geglaubten Weissagerin. WHumboldt 3, 8; Jetzo geglaubt, empfängt er sofort die bezauberten Kräuter. V. Ov. 2, 13; Wie ich Gekränkte weggeh’, ungeglaubt. Sh. 2, 249. 5) refl., s. 2d. 6) intr.:
a) mit Dat. (s. 1): Einem, Jedem, Keinem, Jemandes Wort, Eid, Schwur, Versichrung, Zeugnis, den eignen Sinnen g. [trauen]; Den Ohren ist’s ein Traum, | den Augen selbst wirst du nicht g. G. 10, 255. Eine m, versch.: Einen Bericht g. s. 2, ähnlich (vgl. 3): Alle und jede rechtgläubigen Katholiken g. die Bibel und der Bibel [halten sie für ein göttliches Buch und trauen, folgen daher ihrem Wort]. L. 10, 246 etc., s. auch b.
b) An Einen, an Etwas g., sich nahe berührend mit 3, doch, genau genommen, durch eine Nüance verschieden, indem an gleichsam die Stütze bez., Dasjenige, woran man glaubend sich hält, so nam. von religiösen Glaubenssatzungen: Wer die Auferstehung der Todten glaubt, hält den Satz, daß sie auferstehen werden, für wahr; wer daran glaubt, stützt sich auf diese Überzeugung und handelt ihr gemäß. So: An Gott, Christum g., wo mit Nüance auch der Accus. stehen kann, z. B.: An Träume g. (nicht: Träume, sondern eher: Träumen g.) etc.: Chri- stum g.: wissen und für wahr halten, daß ein Christus in der Welt gewesen ..; Christo g. (s. a): sein Wort als göttliche Wahrheiten annehmen und denselben Beifall geben; an oder auf Christum g.: eine lebendige Erkenntnis des Messiä haben und sich sein Verdienst gläubig zueignen. Büchner Konk. 918b; Wenn man ihn [den Teufel] glaubt [seine Eristenz annimmt], muß man sich nur hüten, nicht an ihn zu g. [seinen Einwirkungen Folge zu leisten]. Tieck N. 6, 67 etc. Statt des an (ungw. mit Dativ: An der preußischen Konstitution will ich wohl g. Börne Par. 1, 189), theol. auch auf (s. o. Büchner), veralt. in, z. B.: In das Wort Gottes (Fischart B. 31b), in einen Gott g. (Zwingli 2, 203) u. o. Übertr.: An Etwas, daran g. müssen (s. Anm.), einem unvermeidlichen Geschick verfallen, sterben, z. B. Gutzkow R. 9, 415; Zaubr. 1, 118.
c) ohne Zusatz: „Kommt dein Bruder?“ Ich weiß nicht, aber ich glaube wohl [daß er kommt, s. 2a]; Er wird, wie ich glaube, kommen; Er kommt, glaub’ ich, morgen etc. Selig sind, die da nicht sehn und doch g. [s. 3 etc.]. Joh. 20, 29; Glaubt gläubig und sagt der Vernunft euch los! V. 4, 96 etc.
Anm. Goth., ahd. galoubjan, mhd. g(e)louben, wie noch z. B.: Auch gelaubt sie nit. Schaidenreißer IIIb, und veralt., mundartl. ohne Vors. ge, ga, wie mit andrer Vors.: Erlauben, Urlaub, vgl. engl. be–lieve (glauben). Das Grundw. hat man mit Lieben, Loben zusammenzustellen versucht, s. jedoch Schm. 2, 412 nam. die widerstrebende alte Bed. des refl. mit Genit. = sich einer Sache begeben (s. Benecke 1, 1019a), etwa: sich von ihr beurlauben, sie fahren lassen. Diese veralt. Bed. scheint noch in der 6b erwähnten Wendung: „Daran (s. d.) g. müssen = das Leben aufgeben müssen“ nachzuklingen. Luther hat meist die Form Gläuben, so auch z. B. Opitz 1, 17 v. 253; Haller 110; 208; alterthümelnd Tieck 2, 17 u. A. m., wie denn Gläubig neben glaubig etc. die gw. hochd. Form geblieben ist. Selten: Die Glaubung; Durch die Sympathie des Glaubers. Tiedge Ep. 1, 191; Glauberei [das Glauben, in tadelndem Sinn]. Jahn M. 106, vgl. übrigens Klauberei.
Zsstzg. z. B.: Āber-: intr. (veralt.), einen Aberglauben hegen, s. Grimm.
Án-: tr.: Einem Etwas a., durch den Glauben beilegen, zuschreiben (vgl. Andichten etc.): Man glaubt der Seele ein geheimes Vermögen an, ihre künftigen Schicksale zu ahnen. Zschokke 1, 101.
Āūs-: wortspielend mit ausklauben (s. d.): Was Glaube, Glaube? sprechen sie .. So bald kann diesen Vers Niemand sprechen, sie haben ihn in einem Augenblick rein ausgegläubt, ja leider allzurein aus, daß sie weder uns noch Niemand Etwas daran gelassen haben. Luther 5, 67a.
Be-: tr.: Etwas b., ihm Glauben, Glaubwürdigkeit verschaffen, beglaubigen (s. d.): Er beglaubte mit viel Zeichen | das Evangelium. Fleming 5; Wohl bin ich mit köstlichen Siegeln beglaubt. G. 1, 143; Das Herz .. liebt ein [von den Priestern] beglaubtes Nichts. Haller 63; Ein unbeglaubter Muth. L. 1, 176; In den beglaubtesten Geschichtsschreibern. W. 4, VII; Beglaubte [vidimierte] Abschrift etc. Die Beglaubung der Abschrift. Aber das Partic. auch mit aktivem Sinn: Stark (W. 9, 301), fest (12, 337; HB. 2, 228) beglaubt sein, daß etc. oder mit Infin. und zu = fest glauben etc.
Hinēīn-: refl. [2d]: Adam Müller war kein Heuchler, er hatte sich in den Glauben hineingeglaubt. Börne Frzfr. 114; So hat sich .. Doktor und Köhler in Abgrund der Höllen hineingegläubt. Luther 6, 107a.
Nāch-: tr.: Einem Etwas n., nach Dessen Vorgang, Muster glauben: Ohne zu untersuchen, treuherzig n. B. 135a; Dieser Elende mag von dir denken, was er will. Wer wird es ihm n.? L. 7, 199; W. 20, 147 etc. u. ä. m.