Faksimile 0599 | Seite 591
Faksimile 0599 | Seite 591
Glaube
Glāūbe (ſ. Anm.), m., –ns; –n; –ns-: 1) ohne
Mz., das vertrduensvolle Für-wahr-Halten von Etwas
und das daraus entſpringende Sich-Verlaſſen darauf;
vgl. Uberzeugung, Ggſtz. Zweifel u. andrerſeits auch:
Wiſſen, Erkenntnis, namentl. oft prägnant in religiö-
ſem Sinn (ſ. 2): Mein G., daß das Mittel hilft, an
die Heilkraft des Mittels, zu dem Mittel [Zutrauen
dazu, daß es mir helfen wird]; Der G., daß es Geſpen-
ſter giebt, an das Daſein von Geſpenſtern, an Geſpen-
ſter; Der G. an viele Götter, an einen Gott, an die Ver-
heißungen Gottes, an die Bibel, an den Fortſchritt der Menſch-
heit ꝛc.; Den G–n an die Menſchheit [das Zutrauen zu
ihr] verlieren; Weil ſie den G–n zu ihm nicht hätten. Gott-
helf G. 185; Jemandes G. iſt ſtark, feſt, unerſchütterlich,
ſteht feſt wie ein Berg, iſt wankend, erſchüttert, iſt ſchwach,
klein wie ein Senfkorn; Der wahre, rechte, ſeligmachende,
ein falſcher, irriger G. (vgl. Wahn), ein todter G.; Ein
blinder G. [der Alles ohne Prüfung annimmt]; Einen
im G–n, ſeinen G–n befeſtigen, beſtärken, wankend ma-
chen, erſchüttern; Bei einem G–n bleiben, beharren; Einem,
einer Sache G–n geben, ſchenken, beimeſſen, zuſtellen (Fichte
N. 54); Einer, Etwas findet G–n; Etwas in gutem G–n
[im Vertraun, daß es ſo iſt, ſo ſein müſſe] thun; Einem
Etwas auf guten G–n [in Rechnung auf Deſſen gläubi-
ges Vertraun] verſichern. G. 10, 55; Der G. kommt Einem
in die Hand (z. B. Luther 8, 174b), man erhält hand-
greifliche Beweiſe für Etwas, ſo daß man es glauben
muß ꝛc. a) zuw. = Glaubwürdigkeit, z. B.: Er
bringt ſich dadurch um allen G–n; Die Sache verliert
dadurch allen G–n; Das überſteigt —, iſt über
allen G–n [iſt unglaublich] ꝛc. b) oft in der Ver-
bindung: Treu und G–n, Vertrauen und darauf be-
gründete Zuverläſſigkeit und Ehrlichkeit, namentl. auch
in Erfüllung einer Zuſage: Der Lügener hofft vergeblich
Treu und G–n. G. 4, 39; Er muß ſich auf Anderer Treu
und G–n verlaſſen. 39. 352; Wie oft man Treu und G–n
bricht. Hagedorn 2, 57; Auf Treue und G. [bei Danzel 226
„G–n“] annehmen. L. 12, 13; Wohl ihnen, daß ſie ſeine
Tugend | auf Treu und G. nehmen können. Nath. 2, 1; Auf
Treu und G–n halten. Sch. 32a; Keine Nation, welche es
den Teutſchen .. an Haltung, Treu und G–ns vorthue. Zink-
gräf 1, 287. Seltner umgekehrt: Aus dem Geſpräche
verſchwindet die Wahrheit, G–n und Treue. Sch. 76b
(vgl. 2); Sie verſprachen’s ihr bei G–n und Treue. Schai-
denreißer 65b, und ſo als Verſichrungsformel (= bei
meinem Eide, auf mein Wort! ꝛc.) früher oft: Ich ſag
dir bei G–n. 59b; Bei meinen Edelmanns Trauen und G–n.
Berlichingen 83 ꝛc. (vgl.: In guten Trauen und G–n. 184),
vgl.: Darum will ich hie mein G. erlöſt [Wort gelöſt] und
meiner Zuſagung genug gethan haben. Franck Laſt. A. 2a.
c) daher zuw., nam. früher, auch kaufm. = Kredit:
Einem Waare auf G–n, ihm G–n geben; keinen G–n ha-
ben; ſeinen G–n retten. Adelung, jetzt ungewöhnl. wegen
Unbeſtimmtheit und nahe liegender Mißdeutung, vgl.:
Ihren G–n verlieren, Bankerott ſpielen. Fiſchart B. 50a.
S. Gläubiger. 2) mit Mz.: der Ggſtd. des Glau-
bens, das Geglaubte beſonders in Bezug auf Gottes-
verehrung: a) Religion: Der chriſtliche, jüdiſche, muha-
medaniſche G.; Seines G–ns ein Proteſtant; Sich zum katho-
liſchen G–n bekennen; Ein Renegat, der ſeinen G–n abſchwört
und einen andern G–n annimmt ꝛc.; G. 1, 188; 8, 372; Der
allgemeine Chriſt, | der aller G–n Glied und keines Eigen iſt.
Haler 112; Zwei G–n hat die Welt hierin ſich längſt er-
wählt [als Abweichungen vom Wahren, Aber-G–n und
Un-G–n]. 58; Ein katholiſcher Chriſt, des allein heilbrin-
genden G–ns. V. u. ſ. w. b) das Glaubensbekennt-
nis (Credo), eine kurze Formel als Inbegriff der we-
ſentlichſten Glaubenslehren in der chriſtlichen Kirche:
Der apoſtoliſche, der athanaſiſche G.; Schaut .. | auf ihren
Roſenkranz und hält’s in einem Stück | bis an den G–n
aus. W. 11, 165 ꝛc. c) der (chriſtliche) G., perſoni-
ficiert, nam. oft in Verbindung mit Liebe und Hoff-
nung, z. B. G. 10, 238 ff., gewöhnl. als eine Frau
mit Kelch u. Kreuz. Vgl.: Des G–ns fromme Taube.
Freiligrath Garb. 70 ꝛc.
Anm. Ahd. galoubo (m.), daneben galouba (f.),
ebenſo mhd. geloube (m. u. f.). Nhd. findet ſich auch: Der
Glauben z. B. Pſ. 146, 6; Chamiſſo 3, 361; Gottſchall G.
39; Rückert Mak. 1, 127; Ein Aberglauben. Hölderlin H. 1,
47; Der Unglauben. Heine Verm. 1, 99 ꝛc., wozu der jetzt
gewöhnl. Gen. G–ns, Dat. und Accuſ. G–n gehört, während
die zu G. gehörigen Formen: des Glaubes; dem, den
Glaube im Allgemeinen als veralt. zu bez. ſind, obgleich
z. B. noch L. 3, 216 ſchreibt: Wer weiß, ob nicht eheſtens
der elende Geſchmack den Aberglaube zu Hülfe ruft, und
G. 21, 113: Bei dem wenigen Glaube, Liebe und Hoff-
nung, wo freilich die drei Wörter gleichſam zu einem
Begriff verſchmolzen erſcheinen. Dagegen iſt die Form
Glaube als Dat. und Accuſ. ohne Artikel oder Ew. ge-
wöhnl., vgl. z. B.: Dies Abſchiednehmen von Liebe, Glaube
und Heiligung auf Erden, von dem Glauben an ꝛc. Goltz
1, 16; Eine Art von Aberglaube. G. 39, 165; Was
man gewöhnlich Aberglauben nennt. 80 u. ä. m. In der
Verbindung mit Treue (ſ. 1b) meiſt Glauben, was aber
auch als ſubſt. Infin. gefaſſt werden kann u. ä. m. Vgl.
Friede(n), Haufe(n), Name(n), Same(n) u. a. m. Zuw.
auch Verkl. z. B.: Auch nur mit einem kleinen und winzigen
Gläublein, das nur wie ein Senfkorn iſt. Mattheſtus
Troſtſchr. 81; Wage 111 ꝛc.
Zſſtzg. (vgl. die von Gläubigkeit), z. B.: Āber-:
ein die Grenzen des rechten Glaubens namentl. in reli-
giöſer Beziehung überſchreitender Glaube, ſ. Über-G.:
Der Un-G. ein umgekehrter A. G. 39, 82; Die meiſten Völ-
ker leben unter dem Joch des A–ns [2c] ꝛc. Haller 58; Hatte
oft auch einen wunderbaren A–n an die Heilkraft mancher
Dinge. Hölderlin H. 1, 77 u. o. Auch perſonif. (ſ.o.)
und als Geſammtheit von Abergläubiſchen. Af-
ter-: falſcher Glaube, Aber-G. Hagen Nor. 112; Glaub’
an Nichts [Un-G.] umfinſtert unſre Schritte, | wie der After-
glaub’. Tiedge Ep. 1, 289. Altwēīber-: Aber-G.,
Leichtgläubigkeit, wie ſie bei alten Weibern herrſcht:
Euren alten Weiberglauben ablegen. Peſtalozzi 1, 299, ſ.
Alt, Anm. Bēī-: (veralt., mundartl.) Aber-G.
Frank Weltb. 44b. Chríſten-. Alexis H. 2, 3, 81.
Góttes-: Religion. Platen 4, 282, vgl.: Glücklich
genug, wenn die Bildung des Gottes- oder Götter-G–ns nicht
dem Zufall überlaſſen blieb. Hebel 7, 248. Hēīls-:
der ſeligmachende Glaube. Hérzens-: der im
Herzen lebendige Glaube, Ggſtz. Mund-G. Hēū-
chel-: geheuchelter Glaube. Irr-: Kant SW. 1,
166. Kétzer-. Kínder-: wie ihn Kinder he-
gen, lobend und tadelnd. Kírchen-: wie ihn die
Kirche vorſchreibt: Kälte des geformelten K–s. V. Ant. 1,
191. Kȫhler-: blinder Glaube: „Was gläubſt du?“
der Köhler antwortet: Das die Kirche gläubt. Der Doktor:
„Was gläubt denn die Kirche?“ Der Köhler: Das ich gläube.
Luther 6, 107a; Je mehr der K. meiner Jugend abnahm.
B. 352b; Politiſchen K–n, den man Loyalität, Treue nannte.
Gutzkow R. 5, 193 ꝛc. Lēīcht-: Leichtgläubigkeit.
JP. 1, 186. Mílch-: im Ggſtz. zum ,feſten Glau-
ben“. Luther 6, 147b. Míß-: falſcher Glaube:
Den gefährlichen M–n ſammt den Mißgläubigen auszu-
rotten. V. Ant. 2, 4; L. 8, 324; Luther 6, 3b; 1, 306b;
HSachs 1, 532c ꝛc. Múnd-: Gegenſatz von
Herzens-G., der bloß in Worten bekannt wird.
Pfáffen-: Prieſter-: ſ. Ur-G. Schēīn-: ſchein-
barer Glaube im Ggſtz. des wahren. Schnéll-:
Leicht-G., ſchneller Glaube: Den Sch–n an eine wan-
kende Hypotheſe durch hiſtoriſche Gründe befeſtigen. FAWolf
H. 112. Stérnen-: Glaube an die Sterne, nam.
in ihrem Einfluß auf das Geſchick der Menſchen:
Wallenſtein’s St. Devrient 3, 283. Tēūfels-: ver-
dammter, der Hölle angehöriger Glaube. Über-:
zuw. ſtatt Aber-G.: Der Glaube, gleich entfernt von Un-
und Ü–en. Rückert W. 2, 117; JP. 33, 21. Un-: der
Mangel an Glauben, nam. im Ggſtz. von Aber-G.
(ſ. d.), der Zweifel an etwas zu Glaubendes: Zweifel-
ſucht, U. und ſtarres hochmüthiges Ableugnen. G. 39, 114;
Äußerte ſogar einen entſchiedenen U–n an meine Beharrlich-
keit. 22, 150 ꝛc. Auch perſonif. u. kollekt.: die Ge-