Faksimile 0595 | Seite 587
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girren
Gírren: 1) intr. (haben) ein Tonw., das zunächſt
den zärtlichen oder klagenden Ton der Tauben nach-
ahmt, vgl. Ruck(ſ)en ꝛc.: Wilde Tauben girrten zärtlich.
Forſter R. 1, 322; Eine Turteltaube girrte in ihre Töne. H.
9, 57; Was kollert und girrt hier? .. Ein Täubchen. EvKleiſt
2, 34 u. o. Aber auch von andern zirpenden, zwit-
ſchernden, ſchmachtenden, klagenden Tönen z. B.: Wo
die Himmelsvöglein g., | Philomelen ꝛc. Arndt 415; Heu-
ſchrecken, die girrten. H. 9, 62; Fledermäuſe, die Tag und
Nacht girrten und wehklagten. Muſäus M. 1, 23; So girrt
ſie [die Nachtigall] ſchon. Ramler F. 1, 25; Jetzt kniſpert’s,
raſchelt’s, piepſt es, girrt’s. Roquette W. 25; [Die Pfeile]
ſchwirrten, | die laut im Fluge gleich blutgierigen Vögeln
girrten. Rückert Roſt. 89b; Wehklagende Schwäne, | tönt
aus g–den Kehlen melodiſche Halle des Grames. V. Moſchos
3, 14 (ſo auch Heinſe A. 2, 236) ꝛc. Nam. auch übertr.
auf Menſchen = klagen, ſeufzen, (verliebt) ſchmach-
ten ꝛc. Jeſ. 38, 14; Die Seufzallee, | wo die Verliebten
girrten. Blumauer 2, 131; G–d zu der Laute ſingſt du. Cha-
miſo 3, 269; Allerliebſte Turteltauben! [ſ. d.] girrt ihr in
der Finſternis. G. 8, 313; Girre nicht mehr, wie ein Wer-
ther. Heine N.Gd. 245; Dieſem Jungen, | deſſen Auge
ſchmachtend ſchon nach Liedern girrt. Matthiſſon A. 8, 303;
Wer noch von Liebe girrt. Platen 2, 53; Dieſe Weichheit,
wie zärtlich ſie für Koketten girrt. Sch. 104b; Nach dir
girret meine Seele. Stilling 4, 185; Wo die ſieche Armuth
girrt [ſeufzt]. Schubart 1, 25; W. 15, 217 ꝛc. u. ſo auch
nicht bloß: G. und feufzen Flöten und Geigen. Prutz Muſ.
1, 4; Wo Laut’ und Flöte girrte. Rückert Mak. 1, 97 ꝛc.,
ſondern auch: Wollüſtig g. die Wogen. Heine Verm. 1,
141 ꝛc. Seltner = knirren, knarren, z. B.: G. und
Brechen der Äſte. G. 11, 172; Daß die Achſen nicht knirren
und die Räder nicht g. 7, 120, vgl.: Da raxet und gyret
Alles. Gotthelf G. 259 u. Stalder 1, 447. 2) tr.: gir-
rend äußern, z. B.: Des Thraciers liebe-g–d ſüßer Ton.
Beer Arr. 16; Das halbe Dorf .. girrte leiſen Beifall. Heinſe
A. 1, 142; Uns laut küſſen und unſre Wonne g. 248; [Er]
girret Dank ihr. H. 16, 122; Schwermuth g–d, eine Turtel-
taube. Matthiſſon A. 11, 136; „Ach, ach, mein König!“
g–d. Rückert N. 103; Ein wolluſt-g–des Getön von Flöten.
W. 12, 302 ꝛc.
Anm. Vgl. Garren, Gurren. Daneben Kirren: Es
kirren und g. die Tauben. Schottel 910 (Clajus, ſ. Döbel 1, 52b);
Das Zwittern und Gekirre der Waldvögel. 62; Wann die
Sackpfeif nicht volliſt, ſo kirrt ſie. 1140a; Er kirrte [knirſchte]
mit den Zähnen. Peſtalozzi 1, 342 ꝛc. Tadelhaft aber: Mich
zu g. [kirren], zu ködern. Kühne Fr. 53. Dazu: Das Ge-
girre, z. B. Rahel 1, 379 ꝛc. Vgl. Quarren und das alte
Kar (Klage) als Bſtw. in Karfreitag ꝛc., ſ. Kar, Anm.
Zſſtzg. vielfach, vgl. die von Bellen ꝛc., z. B.:
Nannerl .. girrt ihn an. Heine Rom. 145. Da nun Adon
das zweite Jahr | vergebens durchgegirrt. Nicolai 3, 179.
Wenn am Hügel dich umfängt der Schlaf, | girren dich ver-
liebte Tauben ein. Platen 2, 15, vgl. einſingen. Dem
Ent-g. einer geſchlachteten Taube. Börne 1, 236. Der Nach-
tigall liebe-er-g–des, liebegelobendes Lied. VWeber 2, 78.
Ehe ſie ihre Empfindungen zärtlich, wie die Liebe ſelbſt, her-
vorgirrte. Thümmel 6, 30. Ich g. kläglich hin nach ihr |
gleich einem kranken Kinde. B. 7a. Der Tauber umgirrt
die Taube. Ein Seladon, der ſein Leben vergirrt. Der-
gleichen Herren girren | von Liebe Jeder vor. Müllner 5, 282.
Hier girret nur die ſanfte Turteltaube | dem Tauber ihre
Sehnſucht zu. W. 20, 312; Schubart 1, 92; Wen ihr ....|
dichtriſche Tauben umflogt und ſein mäoniſch Ohr | vor dem
Lärme der Scholien | ſanft zugirrtet. Kl. Od. 1, 3 [durch
euer Girren ſein Ohr vor dem Lärm verſchloſſt] u. ä. m.