Geil
I. Gēīl, a:
in Bezug auf Wachsthum und Vermehrung von allzu üppiger Kraft erfüllt, nam.:
1) in Bezug auf Pflanzenwachsthum: Ein g–er [allzufetter, in manchen Gegenden auch nur: fetter, viel Dungkraft enthaltender] Boden; Ein Baum, die Saat wächst g., vgl. Geilhorst; Dort übergrünte sich schon g–es [üppig wucherndes] Nesselkraut. Dor. 1, 5; Ein g–er Schuß und Trieb aus edler Wurzel. 12, 112; Düngen sie zu sehr, so wird die Frucht zu g. Ph. 1, 346; Indem der allzug–e Überwuchs des Hauptstammes durch die ins Nebengewächs abgeleiteten Säfte zurückgehalten und bezähmt wird. Ph. 1, 112; Erheben sich .. in g–er Üppigkeit mächtige Baumgruppen. DM. 1, 1, 577; Je üppiger also das Wagner’sche Unkraut in der allgemeinen Zeitung wucherte, desto nöthiger ward es, in seine allzu-g–en Sprößlinge einen scharfen Hieb zu führen. Köhl. 23 etc. —
2) vom Fleisch:
a) allzufett und daher widerlich schmeckend, riechend, vgl. galstrig: Daß dies [das Schweine-] Fleisch im mindesten Nichts von dem g–en Geschmack hatte, den es wohl in Europa zu haben pflegt. R. 1, 238. —
b) (veralt.) Das überflüssig g. [wilde] Fleisch in Schädigung der Nasen. Sp. 134a. —
3) in Bezug auf Empfindungen und Triebe lebender Wesen:
a) wählig (s. d.), muthwillig-munter, in härtrem Sinn: übermüthig: Löcken, wie die g–en Kälber. 50, 11; 31, 18; Da er aber fett und satt ward, ward er g. 5. 3, 215. —
b) von stachelnder, kitzelnder, zur Befriedigung anreizender Begier erfüllt: Wartet des Leibes, doch also daß er nicht g. werde. 13, 14; Wenn die jungen Wittwen g. worden sind wider Christum, so wollen sie freien (s. c). 1. 5, 11; Wo Armuth, Schand’ und Gram die g–en Schlemmer stäupt. 200; Der aufs Empfangen ist g. Mak. 2, 160; Ihr eigen freche, g–e, ungestüme Bewegnis des Gemüths als seind: Trunkenheit, Zorn, unordentliche Liebe. IIla; Wenn er dem g–en Kitzel eines Augenblicks zehn Jahre eures Lebens aufopfert. 105a; Die g–e [gierige] Zeit, | immer Kinder gebärend, immer Kinder verschlingend. 2, 65 etc. —
c) (s. b) im engern, heute gewöhnlichsten Sinn in Bezug auf den Kitzel der Wollust: von übermäßigem Geschlechtstrieb erfüllt, oder — davon zeugend, ihn erregend: Ein g–er Bock (s. d. auch von Menschen); Überrascht bei g–en Küssen. D. 136; So ein g–er Vogel, daß er wohl in einem Ritte 20—30mal auf die Sieke springt und sie betritt. 1, 67; Die g–e Wollust kürzt die kaum gefühlten Tage. 50; Wenn dich beim Lesen freier Lieder | zu leicht ein g–er Kitzel sticht. 1, 257; 192; Der g–en Feie Gunst genossen. 2, 94; So g. wie ein Affe. Sh. 6, 296 u. .
Anm. Ahd., mhd. geil, — veralt., in der Bed. muthig, kühn. 5; lebhaft, froh, munter (von Personen, z. B.: Die sittsamen Gebärden, | die g–e Höflichkeit. (1690) 2, 178, von seiner Sylvia; stolz 1, 15 v. 193). — Vgl. Gala, Galan etc. — Zunächst liegt wohl das goth. gáiljan, froh machen, aber man darf vielleicht auch lat. valere (kräftig sein) herbeiziehn, vgl. das svw. wählig; frz. vaillant, galan etc., so daß es denn mit „wohl“ (s. d. u. vgl. nam.: Wollust), „wollen“ etc. stammvwdt. sein würde, — wenn man nicht lieber, wie bei Galle (s. d.), den Begriff des Überfließens als Grundbed. annehmen will. Vgl. auch das mundartl. sinnvwdte. „gelbsch“. 3, 273.
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