Faksimile 0573 | Seite 565
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Geier
II. Gēīer, m., –s; uv.; –chen, lein; -, –s-:
1) Name mehrerer größrer Raubvögel (vgl. Aar, Anm.,
Adler, Falk, Weihe), nam. die Aas freſſenden, nackt-
köpfigen, mit gradem, erſt gegen das Ende gekrümmtem
Schnabel (Vultur, doch auch mehrere Arten v. Falco,
ſ. Zſſtzg.); auch übertr.: Kein G. ſtößt auf G. Falk
Menſch. 34; Kreiſcht .. ein vom Horſt verirrter G. Freilig-
rath 1, 204; Wie G. ſich um Äſer ſammeln. G. 4, 205;
Hör’ auf mit deinem Gram zu ſpielen, | der wie ein G. dir
am Leben friſſt [vgl. V. Od. 11, 578; Minckwitz Äſchylus
2, 57v. 1025]. 11, 67; Laß dich nicht von Gram und Furcht
beſiegen, | den G–n des Gemüths. EvKleiſt 4, 23; Beſſer,
daß ein Fürſt ein G. ſei unter Äſern, als Aas unter G–n.
L. (ſ. Guhrauer Beil. 2, 18) Nath. 1, 3; Dem eigenthümlich
ſchwermüthigen Pfiff eines unſichtbar kreiſenden Geiers.
Meißner Stein 20; Stürzt ſie auf den Gulden wie ein G.
Rückert Mak. 1, 59; Eine weiße Taube | wird fliegen und
mit Adlerskühnheit dieſe G. [die Feinde] | anfallen, die das
Vaterland zerreißen. Sch. 451a; Zween G. .. . hackten die
Leber. V. Od. 11, 578; Da es thöricht geweſen wäre, die
Habichte bei den G–n [die kleinen Räuber bei den grö-
ßern] anzuklagen. W. 8, 261; Zinkgräf 1, 142 ꝛc.
2) eine Art Waſſerſchwalben, Sterna hirundo, nach
ihrem Geſchrei, ſ. Schm. 2, 63. 3) (ſ. 1) verdeckte
Bez. des Teufels (ſ. d., vgl. Henker 3, Kuckuck ꝛc.):
Weiß der G.! Alexis H. 1, 1, 176; Hans ſtutzt, der G.
mag nicht ſtutzen, | wenn man auf einmal Schulze wird.
Burmann F. 166; Daß ſie beim G. wären, die verdammten
Ausleger! L. 3, 279; Wer G. heißt Ihnen ein falſches Sy-
ſtem haben! 12, 59; Ich möchte wohl wiſſen, wie der G.
dich gerade auf einen Roman hat führen müſſen, deſſen ꝛc.
383; Wer der G.! braucht 3 Tage von hier nach Braun-
ſchweig? 13, 567; Hole dich | mit deinem Streich der G.!
V. 4, 126 u. o.
Anm. Ahd., mhd. gir (1 und 3), wie noch ſchwzr.:
Neben Ghr und Aar. Reithard XII, wohl von der Gier
(ſ. d.) benannt, vgl.: Geier, a.: gierig. Alberus, und:
Seiner Geierheit [Gierigkeit willen] ſehr beſchreiet. Gar-
zoni 879b, ferner G.-Blick, G–s-Griff ꝛc. Ungw. das
fem.: Eine frauenköpfige Geierin. V. A. 2, 340; veralt.
Mz.: Geiren. Schaidenreißer 50a; Stumpf 612a.
Verſch. das mundartl., veralt.: Gei(e)rlin. Ryff Sp. 50a;
Gierlein. Nemnich, Görlein. Reichart Gart. 3, 184 = Möhre,
Zuckerwurzel.
Zſſtzg. vgl. die von Aar, theils übertr., z. B.:
An meinem Buſen nagt die Wuth | grauſamer Seelen-G.
B. 7a; Nur kein Grübeln! Dieſer Seelen-G. | läſſt, wenn
er gekrallt hat, nicht mehr ab. Tiedge Ep. 1, 288 (ſ. o. G.
11, 67; Kleiſt ꝛc.); Vom Steppen-G. [Rußland] ward
die Roſe Polen | vor unſern Augen wild und grimm zer-
pflückt. Freiligrath 2, 126 ꝛc.; ferner beſondre Arten,
z. B.: Aās-: (veralt. Keib-G.) Vultur percnopte-
rus; V. Aura; auch der Haſen-G. Bārt-: Gy-
paëtus barbatus. Bránd-, Brāūn-: Falco
rufus. Erd-: Aas-G. Fíſch-: Brand-G., ſ.
auch [2]. Gābel-: Falco milvus, Gabelweihe,
ſchwzr. auch Furkli-G. Tſchudi Th. 118. Góld-:
Bart-G.; Moosweihe. Grēīf-: V. gryphus;
Kondor, der größte Raubvogel. Hāſen-: V. le—
porarius. Jóch-: Lämmer-G. Kēīb-: Aas-
G. Korállen-: Ardea porphyrio, Art Reiher.
Adelung. Kútten-: V. papa. Lä́mmer-:
Bart-G. Baggeſen 1, 69; Tſchudi Th. 344. Lérchen-:
Falco pygargus. Maltēſer-: V. fuscus.
Mǟūſe-: F. buteo, Buſſard. Mönchs-: Kut-
ten-G. Öhren-: V. auricularis. Rīēſen-:
Greif-G. Ríttel-, Rȫthel-, Rüttel-: F.
tinnunculus, Wannenweher. Róſs-: Aas-G.
Sónnen-: Kutten-G. Tāūben-: F. palum-
barius, Habicht. Tráppen-. Vōgel-: Aas-
G. Wǖſten-: der ägyptiſche Aas-G. Freiligrath
1, 195 ꝛc.