Faksimile 0547 | Seite 539
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gar
I. Gār, a.: 1) Ew.: fertig zubereitet, urſpr.
allgm., auch gerüſtet, jetzt nur noch in beſt. techn. An-
wendung (vgl. Gare), nam.: a) Ackerb.: Der Boden
der Ackerkrume iſt g., von der für das Wachsthum geeig-
neten Beſchaffenheit, locker; Die Jauche iſt g., in dem
Zuſtand, wo ſie zum Düngen geeignet iſt. b) Gär-
ber.: Das Leder iſt g., durchgegärbt, von dem Gärbſtoff
völlig durchdrungen (ſ. Zſſtzg.): Daß 6 Jahre darüber
hingehen, ehe eine rohe Haut g. und zeitig werde. Möſer Ph.
1, 38. c) Gießer.: Die Speiſe iſt g., fertig zum
Guß: Das Metall wird bald g. ſein. G. 29, 58; Die Form
iſt eingemauert, | die Speiſe gut und g. WMüller 1, 394.
d) Hüttenw.: Der Gang im Hohofen iſt g., hat die zur
Erzeugung von grauem dem ſogen. garen Roh-
eiſen nöthige Temperatur (vgl. weiß-g.), Ggſtz.: Roh-
gang. Das geröſtete Schwarzkupfer wird g. gemacht (ge-
gart), durch Schmelzen in einem Flammofen (dem Gar-
ofen) möglichſt von Beimengungen gereinigt, ſ. Ham-
mer-g. Das getriebene Silber iſt g., frei von Bei-
miſchungen. e) Kalkbrenn.: Der Kalkſtein wird g.
gebrannt, zu Kalk, vgl.: [Thon-Pfeifen, welche in 8 Stun-
den g. gebrannt ſind. Karmarſch 3, 506. f) Kohlen-
brenn.: Der Meiler, die Kohlen ſind g., die Verkohlung
vollendet. g) Kochk. ꝛc.: Die Speiſen ſind g., fertig
gekocht ꝛc., von der darauf wirkenden Hitze ganz durch-
drungen, ſo auch: Das Brot iſt g. ꝛc.; Die Fiſche .. auf
einer Seite gebraten und g. W. 11, 13 ꝛc., Ggſtz. roh.
h) Salzw.: Die Soole, das Salz wird g. gemacht, fertig
geſotten u. ä. m. 2) adv. zur Bez. eines hohen
Grads, der Intenſität: a) Über die Verbindung mit
„ganz“ ſ. d. 4b, wie auch über den Unterſchied beider
Wörter neben Verneinungen, nach hochd. Gebrauch.
Doch findet ſich auch abweichend g. ſtatt ganz, z. B.:
Daß die äußern Einrichtungen es allein wohl nicht g. thäten.
Claudius 6, 7; Ein architektoniſches Werk, nicht gar ſtockhoch.
G. 23, 291; Nicht g. einen Fuß im Durchmeſſer. 40, 31;
217; Das Eſſen iſt noch nicht g. fertig [ſ. 1g]. 9, 310;
Umdrohet .., | braucht ihr nicht vom Sattel abzuſteigen g.
Rückert Morg. 1, 106; Weil er nur nicht g. ein Gott war.
Hölderlin H. 1, 119. S. für das letzte Bſp. c und vgl.
b. Aber auch ohne Verneinung zuw. ſtatt ganz,
z. B.: Das Kraut im Lande g. abfreſſen. Amos 7, 2; Spr.
29, 11; Klagel. 3, 54; 2. Macc. 4, 11; Die heilige Schrift
gar aus [ganz zu Ende] verdeutſchen. Luther 5, 1a; Es iſt
mein Pſalm, den ich liebhabe, wiewohl der ganze Pſalter und
die heilige Schrift g. mir auch lieb iſt. 43b; 1, 298a; Bis
ich das Leichtuch .. g. [zu Ende, ſ. 1] verfertige. Schaiden-
reißer 6a; Die Reputation ſo g. verloren. Zinkgräf 1, 222;
2, 67 und ſo noch: Iſt die Neige trüb, o Zecher, | trinke
du ſie g. Rückert Erb. 1, 117. S. Gar-ab, Garaus und:
G. nahe (Luther 1, 166a), Nahend g. (Schaidenreißer 50a)
= beinahe. b) neben Ew. und Adv. (z. B. neben
ſehr), nicht neben Zeitw. = ſehr, in hohem Grad ꝛc.:
Ich freue mich ſehr, g. ſehr, bin g. [oder ſehr] froh darüber,
oft auch: Jch bin g. zu froh = ſehr froh, und ſo auch
zuw. mit Verneinung (vgl.: Ein nicht g. gelehrter Mann,
und Ein g. nicht gelehrter Mann, ſ. a): Eins der Ele-
mente, | das du g. geſchickt bezwingeſt. G. 4, 14; Wobei du
denn doch nicht g. zu großmüthig warſt. 15, 24; Seid mir
willkommen, es iſt mir ja g. lieb, daß ich Euch hier ſehe. 20,
57; „Das hab’ ich Alles auch“. Nicht g. [ganz]. 7, 219;
Den nicht g. entfernt ſtehenden Baron. König Kl. 3, 208;
Eine Kleinigkeit .., die jedoch hier ſo g. (,ſo-g.“) Kleinigkeit
nicht iſt. L. 10, 361; Wo wir nicht ſo g. unbußfertig ver-
ſtockte Leut wären. Luther 6, 351b; Mein Herz und deine
Stimme | verſtehn ſich g. zu gut. Platen 1, 122; Doch nicht
für möglich acht’ ich’s ſo gar ſteil | geht’s an, vom
Schiff es ſpringend abzureichen. Sch. 540b; Zum Glücke
brauche ich ſeinen Beiſtand ſo g. nöthig nicht. 648a ꝛc.
Veralt. iſt die Stellung: Gott iſt zu g. [vgl.: zu ſehr]
veracht. Luther 6, 351b; Diejenigen ſo zu g. ſubtil im Dispu-
tieren waren. Zinkgräf 1, 159 ꝛc. Wohl aber kann g.
als Beſtimmung attributiver Ew. vor den Artikel oder
die regierende Präpoſ. treten, vgl. Ganz 4c und d,
z. B. vgl.: Schönheit iſt überall ein g. willkommner Gaſt.
G. 15, 52 ꝛc. und Erſchienen ihren Augen g. eine fremde
[als eine ganz fremde, vgl. a] Welt. Chamiſo 3, 302;
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Machſt gar zu ’n flämiſches Geſicht. Eichendorf Ph. 189;
Ritt aus, wie’s ihm einkam, g. mit wenig Leuten. G. 9, 141;
Zu erfahren, wie g. ein ſchön Geſchrei ſie haben. Luther 6,
326b; Poſaunte g. eine traurige Melodei. Muſäus M. 2,
123; Das iſt g. eine andre Vielſeitigkeit. Tieck N. 3, 44;
Jch bin ſo g. ein [ein ſo g.] armer Mann. Uhland 11;
Dachte | g. an keinen Betrug. V. Od. 4, 452; Wie ſo g. |
ein andrer Mann war Der ꝛc.! W. 11, 147 ꝛc. c) zur
Angabe einer Steigrung gegen etwas Genanntes oder
Gedachtes, inſofern der höhere Grad Etwas bez., was
nicht zu erwarten war, nicht ſo ſein ſollte; die bloße
Steigrung ohne den tadelnden Nebenſinn bez. gw.:
So-g., z. B.: Er iſt wohlhabend, ja ſo-g. reich zu nennen;
Erſt nannteſt du ihn wohlhabend, nun g. reich [was er doch
gewiß nicht iſt]. So-g. ein Kind kann Das begreifen;
Nun wollen g. die Kinder ſich zu Richtern aufwerfen!
Nach deiner Anſicht hätt’ er es wohl g. Allen mittheilen ſollen?
ich lobe ihn, daß er es ſo-g. dem Bruder verſchwiegen.
Du nennſt ihn arm? warum nicht g. einen Bettler?; Welcher
Ausdruck gleichwohl keine ſo harte Bedeutung hat ..., ſo g.
daß .. es wohl bisweilen eine Schmeichelei anzeigen kann.
Kant SchE. 58 (ugw.); Wir ſehen uns nicht nur gelitten, |
ſo-g. wir ſehn uns hochgeehrt [gw.: wir ſehen uns ſo-g.].
G. 6, 380; Weine noch g. [das fehlte noch]! mache mich
noch elender durch deine Betrübnis! 9, 158; Heiße Magiſter,
heiße Doktor g.! 11, 18; Wie ſie kurz angebunden war, |
Das iſt nun zum Entzücken g. [gw.: gar zum Entz.]. 11,
111; Bedauerſt ſie noch g. 156; Wie ſchien mir’s ſchwarz und
ſchwärzt’s noch g. 157; 39, 307; 308; 309 ꝛc.; Sie
haben ſie doch nicht g. in Jhren romantiſchen Plan blicken
laſſen. Leiſewitz Jul. 45; Nein, bei Leibe nicht! Er darf’s nicht
wiſſen! Er g. nicht [am wenigſten]. Sch. 131b; Das iſt
zu arg! So wär ich g. betrogen! W. 11, 221; „So ſind
ſeine Bedürfniſſe befriedigt“. Doch nicht g. alle? 29, 169
ꝛc. So auch oft: Warum nicht g.? (Mülner 6, 106 ꝛc.);
Jch dachte g.! ꝛc., um Etwas entſchieden als falſch zu-
rückzuweiſen. Mundartl. auch: Offentlich unterhalten,
geehrt und nur nicht g. [faſt] vergöttert. W. 22, 16 ꝛc.
Anm. Ahd. garo, mhd. gar ꝛc., bereit, gerüſtet, fertig.
S. Garb, Schm. 2, 63 ff. Dazu: Gärben (ſ. d.) ꝛc.
Zſſtzg. nam. zu 1 u. vgl. gärben, Gärberei, z.B.:
Alāūn- [1b]: mit Alaun gegärbt, weiß-g.: Die a–en
Leder beſitzen mehr Weichheit als die lohgaren. Knapp Techn.
2, 585 ꝛc. Féll- [1b]: bei den Kürſchnern, ſo ge-
gärbt, wie ein Fell ſein muß. Fétt- [1b]: mit
Fett gegärbt, ſämiſch-g. Hálb-: Ggſtz.: über-g.
Hámmer- [1d]: Das gare Kupfer h. machen, durch
Ausſchmelzen mit Kohle dehnbarer machen. Karmarſch
2, 517; Mitſcherlich 2, 2, 221; Das flüſſige übergare Kupfer
durch desorydierende Subſtanzen ſogleich in h–es umändern.
ebd. Lōh- [1b]: mit Lohe gegärbt, roth-g.
Rēīter- [1g]: Halb-g.: Die Sänger . . ſind .. wie
gekocht, bin doch ich davon beinahe r. geworden. Zelter 5,
342. Sǟmiſch-: Fett-g. Schmáck- [1b]:
mit Schmack gegärbt. Schnéll-: nam. [1b] mit-
tels der Schnellgärberei gegärbt. So- [2c].
ſber-: allzugar, z. B. Eſſen. G. 14, 183; 19, 104,
ſ. Hammer-g. Ún-: z.B. [1b]: Spiſſige, u–e Leder.
Knapp Techn. 2, 563. Wēīß-: 1) [1b] alaun-g.
2) [1d] W–es Eiſen, im Ggſtz. zu dem gemeinen
(grauen) Roheiſen, die auf das Spiegeleiſen an Weiße
folgende Sorte.