gar
I. Gār, a.: 1) Ew.: fertig zubereitet, — urſpr.
allgm., auch gerüſtet, jetzt nur noch in beſt. techn. An-
wendung (vgl. Gare), nam.: a) Ackerb.: Der Boden
der Ackerkrume iſt g., von der für das Wachsthum geeig-
neten Beſchaffenheit, locker; Die Jauche iſt g., in dem
Zuſtand, wo ſie zum Düngen geeignet iſt. — b) Gär-
ber.: Das Leder iſt g., durchgegärbt, von dem Gärbſtoff
völlig durchdrungen (ſ. Zſſtzg.): Daß 6 Jahre darüber
hingehen, ehe eine rohe Haut g. und zeitig werde. Möſer Ph.
1, 38. — c) Gießer.: Die Speiſe iſt g., fertig zum
Guß: Das Metall wird bald g. ſein. G. 29, 58; Die Form
iſt eingemauert, | die Speiſe gut und g. WMüller 1, 394. —
d) Hüttenw.: Der Gang im Hohofen iſt g., hat die zur
Erzeugung von grauem — dem ſogen. garen — Roh-
eiſen nöthige Temperatur (vgl. weiß-g.), Ggſtz.: Roh-
gang. — Das geröſtete Schwarzkupfer wird g. gemacht (ge-
gart), durch Schmelzen in einem Flammofen (dem Gar-
ofen) möglichſt von Beimengungen gereinigt, ſ. Ham-
mer-g. — Das getriebene Silber iſt g., frei von Bei-
miſchungen. — e) Kalkbrenn.: Der Kalkſtein wird g.
gebrannt, zu Kalk, vgl.: [Thon-Pfeifen, welche in 8 Stun-
den g. gebrannt ſind. Karmarſch 3, 506. — f) Kohlen-
brenn.: Der Meiler, die Kohlen ſind g., die Verkohlung
vollendet. — g) Kochk. ꝛc.: Die Speiſen ſind g., fertig
gekocht ꝛc., von der darauf wirkenden Hitze ganz durch-
drungen, ſo auch: Das Brot iſt g. ꝛc.; Die Fiſche .. auf
einer Seite gebraten und g. W. 11, 13 ꝛc., Ggſtz. roh. —
h) Salzw.: Die Soole, das Salz wird g. gemacht, fertig
geſotten u. ä. m. — 2) adv. zur Bez. eines hohen
Grads, der Intenſität: a) Über die Verbindung mit
„ganz“ ſ. d. 4b, wie auch über den Unterſchied beider
Wörter neben Verneinungen, nach hochd. Gebrauch.
Doch findet ſich auch abweichend g. ſtatt ganz, z. B.:
Daß die äußern Einrichtungen es allein wohl nicht g. thäten.
Claudius 6, 7; Ein architektoniſches Werk, nicht gar ſtockhoch.
G. 23, 291; Nicht g. einen Fuß im Durchmeſſer. 40, 31;
217; Das Eſſen iſt noch nicht g. fertig [ſ. 1g]. 9, 310;
Umdrohet .., | braucht ihr nicht vom Sattel abzuſteigen g.
Rückert Morg. 1, 106; Weil er nur nicht g. ein Gott war.
Hölderlin H. 1, 119. S. für das letzte Bſp. c und vgl.
b. — Aber auch ohne Verneinung zuw. ſtatt ganz,
z. B.: Das Kraut im Lande g. abfreſſen. Amos 7, 2; Spr.
29, 11; Klagel. 3, 54; 2. Macc. 4, 11; Die heilige Schrift
gar aus [ganz zu Ende] verdeutſchen. Luther 5, 1a; Es iſt
mein Pſalm, den ich liebhabe, wiewohl der ganze Pſalter und
die heilige Schrift g. mir auch lieb iſt. 43b; 1, 298a; Bis
ich das Leichtuch .. g. [zu Ende, ſ. 1] verfertige. Schaiden-
reißer 6a; Die Reputation ſo g. verloren. Zinkgräf 1, 222;
2, 67 und ſo noch: Iſt die Neige trüb, o Zecher, | trinke
du ſie g. Rückert Erb. 1, 117. S. Gar-ab, Garaus und:
G. nahe (Luther 1, 166a), Nahend g. (Schaidenreißer 50a)
= beinahe. — b) neben Ew. und Adv. (z. B. neben
ſehr), nicht neben Zeitw. = ſehr, in hohem Grad ꝛc.:
Ich freue mich ſehr, g. ſehr, bin g. [oder ſehr] froh darüber,
oft auch: Jch bin g. zu froh = ſehr froh, und ſo auch
zuw. mit Verneinung (vgl.: Ein nicht g. gelehrter Mann,
und — Ein g. nicht gelehrter Mann, ſ. a): Eins der Ele-
mente, | das du g. geſchickt bezwingeſt. G. 4, 14; Wobei du
denn doch nicht g. zu großmüthig warſt. 15, 24; Seid mir
willkommen, es iſt mir ja g. lieb, daß ich Euch hier ſehe. 20,
57; „Das hab’ ich Alles auch“. Nicht g. [ganz]. 7, 219;
Den nicht g. entfernt ſtehenden Baron. König Kl. 3, 208;
Eine Kleinigkeit .., die jedoch hier ſo g. (,ſo-g.“) Kleinigkeit
nicht iſt. L. 10, 361; Wo wir nicht ſo g. unbußfertig ver-
ſtockte Leut wären. Luther 6, 351b; Mein Herz und deine
Stimme | verſtehn ſich g. zu gut. Platen 1, 122; Doch nicht
für möglich acht’ ich’s — ſo gar ſteil | geht’s an, — vom
Schiff es ſpringend abzureichen. Sch. 540b; Zum Glücke
brauche ich ſeinen Beiſtand ſo g. nöthig nicht. 648a ꝛc. —
Veralt. iſt die Stellung: Gott iſt zu g. [vgl.: zu ſehr]
veracht. Luther 6, 351b; Diejenigen ſo zu g. ſubtil im Dispu-
tieren waren. Zinkgräf 1, 159 ꝛc. — Wohl aber kann g.
als Beſtimmung attributiver Ew. vor den Artikel oder
die regierende Präpoſ. treten, vgl. Ganz 4c und d,
z. B. vgl.: Schönheit iſt überall ein g. willkommner Gaſt.
G. 15, 52 ꝛc. und — Erſchienen ihren Augen g. eine fremde
[als eine ganz fremde, vgl. a] Welt. Chamiſo 3, 302;
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Machſt gar zu ’n flämiſches Geſicht. Eichendorf Ph. 189;
Ritt aus, wie’s ihm einkam, g. mit wenig Leuten. G. 9, 141;
Zu erfahren, wie g. ein ſchön Geſchrei ſie haben. Luther 6,
326b; Poſaunte g. eine traurige Melodei. Muſäus M. 2,
123; Das iſt g. eine andre Vielſeitigkeit. Tieck N. 3, 44;
Jch bin ſo g. ein [ein ſo g.] armer Mann. Uhland 11;
Dachte | g. an keinen Betrug. V. Od. 4, 452; Wie ſo g. |
ein andrer Mann war Der ꝛc.! W. 11, 147 ꝛc. — c) zur
Angabe einer Steigrung gegen etwas Genanntes oder
Gedachtes, inſofern der höhere Grad Etwas bez., was
nicht zu erwarten war, nicht ſo ſein ſollte; die bloße
Steigrung ohne den tadelnden Nebenſinn bez. gw.:
So-g., z. B.: Er iſt wohlhabend, ja ſo-g. reich zu nennen;
Erſt nannteſt du ihn wohlhabend, nun g. reich [was er doch
gewiß nicht iſt]. — So-g. ein Kind kann Das begreifen;
Nun wollen g. die Kinder ſich zu Richtern aufwerfen! —
Nach deiner Anſicht hätt’ er es wohl g. Allen mittheilen ſollen?
ich lobe ihn, daß er es ſo-g. dem Bruder verſchwiegen. —
Du nennſt ihn arm? warum nicht g. einen Bettler?; Welcher
Ausdruck gleichwohl keine ſo harte Bedeutung hat ..., ſo g.
daß .. es wohl bisweilen eine Schmeichelei anzeigen kann.
Kant SchE. 58 (ugw.); Wir ſehen uns nicht nur gelitten, |
ſo-g. wir ſehn uns hochgeehrt [gw.: wir ſehen uns ſo-g.].
G. 6, 380; Weine noch g. [das fehlte noch]! mache mich
noch elender durch deine Betrübnis! 9, 158; Heiße Magiſter,
heiße Doktor g.! 11, 18; Wie ſie kurz angebunden war, |
Das iſt nun zum Entzücken g. [gw.: gar zum Entz.]. 11,
111; Bedauerſt ſie noch g. 156; Wie ſchien mir’s ſchwarz und
ſchwärzt’s noch g. 157; 39, 307; 308; 309 ꝛc.; Sie
haben ſie doch nicht g. in Jhren romantiſchen Plan blicken
laſſen. Leiſewitz Jul. 45; Nein, bei Leibe nicht! Er darf’s nicht
wiſſen! Er g. nicht [am wenigſten]. Sch. 131b; Das iſt
zu arg! So wär ich g. betrogen! W. 11, 221; „So ſind
ſeine Bedürfniſſe befriedigt“. Doch nicht g. alle? 29, 169
ꝛc. — So auch oft: Warum nicht g.? (Mülner 6, 106 ꝛc.);
Jch dachte g.! ꝛc., um Etwas entſchieden als falſch zu-
rückzuweiſen. — Mundartl. auch: Offentlich unterhalten,
geehrt und nur nicht g. [faſt] vergöttert. W. 22, 16 ꝛc.
Anm. Ahd. garo, mhd. gar ꝛc., bereit, gerüſtet, fertig.
S. Garb, Schm. 2, 63 ff. Dazu: Gärben (ſ. d.) ꝛc.
Zſſtzg. nam. zu 1 u. vgl. gärben, Gärberei, z.B.:
Alāūn- [1b]: mit Alaun gegärbt, weiß-g.: Die a–en
Leder beſitzen mehr Weichheit als die lohgaren. Knapp Techn.
2, 585 ꝛc. — Féll- [1b]: bei den Kürſchnern, ſo ge-
gärbt, wie ein Fell ſein muß. — Fétt- [1b]: mit
Fett gegärbt, ſämiſch-g. — Hálb-: Ggſtz.: über-g.
— Hámmer- [1d]: Das gare Kupfer h. machen, durch
Ausſchmelzen mit Kohle dehnbarer machen. Karmarſch
2, 517; Mitſcherlich 2, 2, 221; Das flüſſige übergare Kupfer
durch desorydierende Subſtanzen ſogleich in h–es umändern.
ebd. — Lōh- [1b]: mit Lohe gegärbt, roth-g. —
Rēīter- [1g]: Halb-g.: Die Sänger . . ſind .. wie
gekocht, bin doch ich davon beinahe r. geworden. Zelter 5,
342. — Sǟmiſch-: Fett-g. — Schmáck- [1b]:
mit Schmack gegärbt. — Schnéll-: nam. [1b] mit-
tels der Schnellgärberei gegärbt. — So- [2c]. —
ſber-: allzugar, z. B. Eſſen. G. 14, 183; 19, 104,
ſ. Hammer-g. — Ún-: z.B. [1b]: Spiſſige, u–e Leder.
Knapp Techn. 2, 563. — Wēīß-: 1) [1b] alaun-g. —
2) [1d] W–es Eiſen, im Ggſtz. zu dem gemeinen
(grauen) Roheiſen, die auf das Spiegeleiſen an Weiße
folgende Sorte.
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