Faksimile 0539 | Seite 531
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Galle
Gálle, f.; –n; –n-, Gall-: 1) durch Jnſekten ver-
anlaßter Auswuchs an Pflanzen, ſ. Gallapfel; auch die
durch Blattläuſe entſtandnen Blaſen. Körner Sch. 4,
133. 2) G., Harz-, Pech-G., durch Hervorquellen des
Harzes entſtandner Fleck im Holz. Döbel 3, 60; Schm.
2, 30; Harz-, pechgalliges Holz. ebd.; vgl. Theer-G., die
beim Schwelen im Theerofen zuerſt abfließende, mil-
chige Flüſſigkeit, Gallwaſſer. 3) Niere im Mineral-
reich; eine härtere Stelle im Sandſtein. Stalder 1, 415;
ſo auch Stein-G. Vgl.: Gries-, Sand-G.: ſteiniger
Fleck im Acker. Weinhold 25. 4) G., Acker-, März-,
Naß-, Sauer-, Waſſer-G. (ſ. d.), ſumpfige Stelle im
Acker, Pfütze, worin ſich Waſſer ſammelt; vgl.: G.:
Fäulnis im Käſe. Brem. Wörterb. 478; Sobald die Seele
geſegnet hat, ſo ſehen wir, daß das Übrige geweſen ſei ein
Schleim und G. [fauler Unrath], ein Geſtank und Etwas,
das ich nicht nennen mag. Opitz; Stein-G., die aus den
Steinen quellende Feuchtigkeit. Pictorius; Waſſergällig:
moraſtig. ebd. ſ. Gülle und: Die Fiſcherei war mittel-
mäßig, indem wegen der ſeltenen Ungewitter und Platzregen
nicht viel G. (Fiſchnahrung) in die Teiche geführt worden.
Bresl. Samml. (19. Sept.) 325. 5) Grube, kleine Höh-
lung im Lauf einer Kanone. 6) Name mehrerer
Pferdekrankheiten, ſo: ein häutiger Auswuchs unter
der Zunge. Krünitz 15, 715; ferner: Fluß-G.: wäßrige
Geſchwulſt an den Knieen; Gelenk-G.; Geſchwulſt durch
Entzündung der Gelenkkapſeln; Sehnen-G.: wäßrige
Geſchwulſt innerhalb der Sehnenſcheiden; Spat-G.: in
der Nähe des Spatknochens, Art Spat; Stein-G.:
Quetſchung der Fleiſchſohle, oft durch Steine verur-
ſacht; Wind-G.: aufgeblaſene, verſchiebbare Geſchwulſt
an beiden Seiten der Feſſel. V. Sh. 3, 391. 7) G.,
Glas-G.: die beim Schmelzen des Glaſes ſich auf der
Oberfläche anſammelnde ſchaumige Maſſe, welche aus
den Salzen beſteht, die in die glaſige Verbindung nicht
eintreten konnten. 8) Regen-G.: ein unvollſtändiger
Regenbogen, auch Waſſer-, Wetter-G. (ſ. d.) genannt.
Ähnlich: Wind-G.: ein heller Schein am Himmel, der
Sonne gegenüber, welcher Wind verkünden ſoll.
9) im thieriſchen Körper ein von der Leber ausgeſon-
derter bittrer, meiſt grünlich gelber Saft, und zwar
die Leber-G., die durch den Leber- u. Gallengang un-
mittelbar in den Fünffingerdarm ſich ergießt und zur
Zerſetzung des Speiſebreis dient, und die Blaſen-G.,
die ſich in der Gallenblaſe ſammelt, und viel bittrer,
dicker und dunkler iſt als jene. Die G. gilt als Be-
zeichnung des Bitterſten, ſowohl eigentl. als übertr.;
ferner im Ggſtz. des reinen, friſchen Bluts als Urſache
von Mißſtimmung (ſo nam.: ſchwarze G.), von Arger,
Verdrießlichkeit, Erbittrung, giftigem Neid, Wuth,
Zorn ꝛc., und dann auch für dieſe Gemüthsſtimmun-
gen ſelbſt: Bitter wie G.; Ich will dies Volk mit Wermuth
ſpeiſen und mit G. tränken. Jer. 9, 15; 5. Moſ. 29, 18;
Ihre Trauben ſind G. 32, 32; Du biſt voll bittrer G.
[Bosheit]. Ap. 8, 23; Honig im Munde und G. [böſe
Geſinnung] im Herzen (Sprchw.); Auch Ameiſen haben
G. [auch im Geringſten regt ſich Zorn und Grimm,.
wenn man ihn reizt]; Sie fluchten und ſpieen Gift und G.
gegen den Herzog. Forſter B. 2, 250; Muß der Augenblicke
Süßtes | ſich zu Giſcht und G. wandeln. G. 12, 31; Jmmer
bittrer ruht’ er nicht, | bis er den reinſten Tropfen Bluts in
mir | zur G. umgewandelt. 13, 148; Noch mehr G. zu
ſchlucken [ſich ärgern]. 14, 75; Schon fing die G. mir an
zu kochen. 20, 75; Ich ſchwur .. Rache und kochte lauter G.
Heinſe A. 1, 92; 229; Worüber Dieſe von Neuem Gift und
G. wurde. Klencke Gſp. 1, 250; Gift und G. möchte ich
ſpeien. L. 1, 285; Selten hat ein Grobian G. 511; Mit
ſo frommer G., mit einem ſo pietiſtiſchen Stolze. 6, 14;
Uns die G. rege zu machen. 11, 448: Die G. läuft mir
gleich über. 12, 105; Alles, was man da ſieht, muß Einem
ja die G. ins Geblüt jagen. 213; Vor G. berſten. Müllner
5, 177; Ein Männchen, ſchwarzer G. voll. Nicolai 1, 16;
So voll ſein ſchwarzer G–n | des Neides. Opitz 1, 162; Da
iſt mehr Gall denn Honig [mehr Bittres als Angeneh-
mes] bei. Rollenhagen Fr. 85; Ihre Liebe verwandelte ſich in
bittre G. und eſſigſauren Haß. Tieck A. 1, 266; Weil es
mir an G., an Kraft der Erbitterung fehlt, um Beleidigun-
gen zu ſtrafen. DBl. 2, 107; Wenn er auch die G. noch zu-
rückhält. 1, 85; Es ſchwillt mein Herz voll G. mir, wenn
ich des Mannes | denke. V. Il. 9, 646; So ſehr .. die Gall’
ihm ſtieg. W. 11, 48; Reizet Dies noch mehr des Weiſen
G. 3, 41; Nachdem er ſeiner G. Luft gemacht. 8, 265;
Beider G. zu verſäuren. 12, 138; Das .. erhitzt die G.
274; Daß mir die G. ſchwillt. 249; 3, 169; 20, 155;
Macht .. bei euch ſtatt friſchen Bluts nur böſe G. 164 ꝛc.
Zuw. auch der weidmänniſch als Sitz der Galle gel-
tende Schwanz des Rothwilds, ſ. Döbel 1, 14b.
Anm. Die verſch. Bed. vielleicht verſch. Stämmen an-
gehörig, doch laſſen ſich die meiſten ungezwungen auf die Bed.
des Erguſſes, des Heraustretens zurückführen, ſ. zu 9 nam.:
Die G. ſteigt, kocht, läuft über, ergießt ſich ins Geblüt ꝛc.,
vgl. zu dem der Lautverſchiebung nach entſprechenden griech.
óoςl9], ahd. gallâ, mhd. galle, z.B. zvöς, Magenſaft,
γoéρeα, Dachrinne ꝛc., von é, gießen, vgl. Geil I, Anm.
Zſſtzg. zu 9 nach den verſch. Thieren, z. B.: Bä-
ren-, Fiſch-, Ochſen-G. ꝛc.; ferner: Ácker- [4]. Blā-
ſen- [9]. Erd-: Name mehrerer gallbittrer Pflan-
zen, z. B. Tauſendgüldenkraut, Gentiana centaurea;
Gratiola officinalis; Ophiorrhiza mungos ꝛc., zuw.
auch = Erdgallert (ſ. d.). Flúß- ſ6]. Ge-
lénk- [6]. Glás- [7]; auch der Mittelpunkt von
Glastafeln, die durch Schwingen in der Luft gefertigt
werden. Grīēs- [3]. Hārz- [2]. Lêber-
[9]. März- [4]: in Bezug auf das im März ſich
ſammelnde Schneewaſſer. Náß- [4]. Ochſen-:
ſ. o., nach der Ahnlichkeit auch grüne konvexe Latern-
gläſer. Péch- [2]. Rêgen- [8], vgl. Waſſer-G.
Sánd- [3]. Sāūer- [4]. Sêhnen-[6].
Spāt- [6]. Stēīn-: [3; 4; 6]; aber auch =
Thurmfalke, nach dem Geſchrei, ſ. Gall. Thêêr-[2].
Wáſſer-: 1) [4]: Die niedrigen Stellen, wo ſich ſolche
W. ſammelte. V. Georg. 17; Aus der trägen, geſammelten
W. voll geſchwänzter Froſchwürmer. Myth. 1, 23; Wo eine
W. bisweilen Monate lang als rieſelnder Quell aufbrach.
Willkomm Banko 1, 272. 2) [8]: In der weiteſten Ferne,
über dem Gebirg konnte ich eine ſogenannte W. bemerken.
G. 23, 37; Eine Waſſergall’, ein falſcher Regenbogen.
Lohenſtein Roſ. 79. Wēīn-, Wêm-: in Liefland
der Name eines kleinen, eßbaren Fiſches, Cyprinus
vimba (Zärthe). Oken 6, 315, die erſte Hälfte nach dem
lat. Namen. Wétter- [8]: eine farbige Wind-
galle, ſ. Ochſenauge: Regenbogen, W–n ꝛc. G. 39, 52.
Wínd- [6; 8] ꝛc.