Faksimile 0506 | Seite 498
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Frieren
I. Frīēren, fror, fröre; gefroren: 1) tr.: die
Empfindung von Kälte hervorbringen, und —: Flüſſig-
keiten durch Kälte erſtarren machen. a) ſo zuw. perſön-
lich: Nordwind, der ſonſt frieret. Rückert 2, 182; Von dem
f–den [eiſigen, kalten] Nord bringen den Bernſtein. Sch.
82a; Daß der Winter hier am Rheine | ſie nicht in die Fin-
ger frier. Scheffel Tr. 147 (ſ. b) ꝛc. Das Gefrorene
(ſ. Eis), in Zucker gekochte Obſtſäfte, die man zum Ge-
frieren gebracht hat. Übertr.: Mit halbem Ruck der
Kapp’ und kaltem Nick | fror man mich ſtarr zum Schweigen.
V. Sh. 3, 515 (ſ. 2b). b) öfter unperſönl. mit:
Es (ſ. d. 7, u. vgl. Herrig 18, 105) als Subj.: Es
[ein unbekanntes, nur aus der Wirkung zu erkennendes
Etwas] friert mich [bringt die Empfindung von Kälte
in mir hervor,] friert Eis [macht das Waſſer zu Eis er-
ſtarren]; Es hatte die Nacht Eis gefroren. G. 23, 197; Es
hat ſtark, Stein und Bein gefroren ꝛc. Man weiß recht
gut, daß es ſie friert. Börne 2, 451; Da fror’s das Bäumlein
bald. Rückert 1, 416; Der reibt die Hände ſehr, | thut
auch, als ob’s ihn frör. 417; Dich friert’s ſo ſehr, wie mich.
ebd. ꝛc. Hier kann aber auch beivorangeſtelltem Obj.
das „es“ fortbleiben (vgl.: Mich durſtet, hungert):
Ich ſeh ſie an, mich friert. EvKleiſt 1, 120 U. v., ſo
daß, wenn das Obj. keine vom Nom. verſchiedne Form
hat, unentſchieden iſt, ob die Fügung hierher oder zu
2a gehört: Sie fror. Gutzkow R. 6, 398 ꝛc. Der Froſt
empfindende Körpertheil ſteht mit an und Dat.: Schon
fror’s an den Fingern. Echtermayer 372; Es friert mich ſo an
meinem Kopfe. Grimm M. 310, oder mit an und Accuſ.:
Daß es ihn nicht an die Hand friert. Hebel 3, 116; Es friert
mich an die Glieder. Rückert 1, 416 (vgl. Herrig 15, 61).
S. a. (Scheffel); verſch.: Es friert mich (bis) ins
Herz, (bis) in die Fingerſpitzen. 2) intr.: a) (haben):
Froſt, Kälte empfinden: Jch friere = mich friert (ſ. 1b);
Sie frören .. und hätten nicht Viel zu beißen. Forſter Br. 2,
234, vgl.: Sie fröre; Man mag es f–d bewundern und
bewundernd f. FSchlegel, ſ. Guhrauer L. 2, 56 ꝛc.; Mir friert
die Hand, das Herz im Leib. Münchhauſen 18 ꝛc. b) (ſein):
vor Kälte erſtarren, oft ge-f. (ſ. d.): Das Queckſilber
(ge)friert bei 40⁰ ꝛc., auch übertr.: Der gefrornen Muſik
Schall [von der Baukunſt als einer „erſtarrten Muſik“
ſ. G. 3, 258; Platen 2, 279]. Hebel 2, 165; Der ſteht ſo
lange gefroren [zur Statue erſtarrt], | bis ſeine Zeit er-
füllet iſt. W. 15, 103; Stolz auf ſein gefrornes [kaltes,
unempfindliches] Blut. 3, 40 ꝛc.; auch: „Er iſt nicht zu
verwunden, er iſt feſt“ .. gegen Schuß und Hieb! Er iſt |
gefroren, mit der Teufelskunſt behaftet. Sch. 398a; Wacker—
nagel 3, 1, 894 Z. 31; ſ. Schm. 1, 616; Stalder 1, 400.
Auch mit einem die Wirkung bezeichnenden Zuſatz:
Mit den ſteifgefrornen Beinen. Lewald Ferd. 1, 111; Mit
anſtandsvoll feſtgefrornem Geſicht. Stahr Jt. 2, 201; 445 ꝛc.;
vgl.: Ab-, an-, los-f. ꝛc. So auch (ſ. 1a). tr. und
refl.: Ich habe mir die Finger, ich habe mich, ich bin
ſteif gefroren; Eh friert er ſich zu Tode. W. HBr. 1, 243.
Anm. Ahd. friosan, ſ. Graff 3, 828, mit noch mundartl.
„ſ“ ſtatt „r“ (wie in Froſt), vgl. erkieſen und erkoren, ver-
lieren und Verluſt. Die Ableitung iſl unausgemacht, vgl.
lat. pruina, Reif, und prurio, jucke. Die Formen: Du
freurſt; er, es freurt (Spate 565; Fiſchart B. 265b) ſind
nur noch mundartl., wie das faktitive Frören: gefrieren
machen ꝛc., vgl. Schm. u. Stalder auch z. B. über: Die Ge-
frier u. ä. m. S. ver-f. Selten: Der Frierer. Freiligrath
1, 103 u. die Frierung, häufiger in Zſſtzg., ſ. II.
Zſſtzg. (ſ. Ge-f.) z. B.: Áb- [2b]: Er hat ſich,
ihm iſt die Naſe abgefroren. Án- [2b]: Daß ſein Stab
und ſeine Kleider und er ſelber feſt angefroren waren an dem
[oder „den“] Boden. Chamiſſo 4, 215; Die Stiefel ſind mir
. angefroren am Schlittenkufen. Hebel 3, 295; Dies ans
Eisfeld des Lebens angefrorne Vaterherz durch ſeine Liebe ab-
zulöſen. IP. 21, 6; Eine dem Fenſter angefrorne Blume [die
ſich durch Froſt dort gebildet, angeſetzt hat]. 2, 173;
Wie angefroren ſtehn bleiben. W. 20, 74 ꝛc. Aūf-[2b]:
aufthauen, vgl. los-f. und z. B.: Auf-, los-binden,
-knüpfen ꝛc. = das Gebundne auflöſen: Dieſe Herzen
werden aufthauen, a. Gotthelf 5, 39; Waldis Eſ. 1, 7. Bei
Frank Chr. 188a auch: auffrören als Faktitiv.
Āūs- [2b]: vom Froſt völlig durchdrungen werden:
Ich war ſo ſteif ausgefroren. IP. 11, 1; Der See iſt aus-
gefroren, bis auf den Grund; Die Wäſche a. laſſen; Sich
a., ſich vom Froſt durchdringen laſſen. So friert das
Wintergetreide zuweilen ganz aus, geht durch den Froſt
aus, zu Grunde. Be-: mit Eis bedeckt werden,
feſtfrieren, durchfrieren: Da ſie im Eiſe befror [feſt]. G.
5, 270; 271; Wenn dann die blinkende Stelle wieder be-
fror. Goltz 1, 113; 139; Die Bäume, nackt befroren. Kinkel
295; Sein befrornes Haupt. Zachariä 1, 52 ꝛc. I. Dúrch-:
ſ. aus-f.: Den harten durchgefrornen Schoß der Erde. Cha-
miſſo 4, 57; Ich war, als leichtgekleidet, durchgefroren. G.
22, 284 ꝛc. II. Durch-: = I: Ich bin ſo durch-
froren ꝛc. Eīn- [2b]: ſo frieren, daß es nicht her-
aus, ſich nicht frei bewegen kann: Die Schiffe ſind im
Hafen, die Mühlenräder ſind eingefroren; Um dich Winter,
in dir Winter | und dein Herz iſt eingefroren. Heine Reiſ. 2,
257; Wo zu Reif einfriert an der Lippe jeder | glühende
Seufzer. Platen 2, 159; Eine eingefrorne [ſtarrgewordne]
Pedanterie. Waldau N. 1, 323. Auch tr.: Die Gemü-
ther hatte | dies Wort „Rebellion“ ſo eingefroren, | wie Fiſch’
in einem Teich. Schlegel Sh. 6, 199. Er-: durch Froſt
zu Grunde gehn, verderben, ſterben: In Rußland e. viele
Leute; Die Weinſtöcke ſind erfroren; Die Finger ſind ihm er-
froren, und ſo auch tr.: Leicht erfriert man die Ohren.
D Muſeum 1, 2, 730; Daß du nicht erfriereſt die Glieder.
Rückert Mak. 1, 202; Seume Sp. 287; Das kalte Wehen, |
das die ganze Welt erfriert. WMüller Bibl. 5, 167, wo
der Urtert von Roberthin „erfrört“ hat ꝛc. Zuw. auch
nur = durch Froſt erſtarren: Ich bin draußen ganz erfro-
ren; vgl.: Den Verfrornen erwärmt. Baggeſen 1, 220; Er-
froren [kalt] bleibt ihr Blut. W. 12, 337 ꝛc. Ge-:
ſ. frieren [2b], womit es im Particip auch formell
zuſammenfällt: Zu Kryſtallen g. Chamiſſo 5, 108; Die
Waſſer gefroren, ehe ſie verlaufen konnten. G. 18, 256;
Wo wohl gar der Brandewein „gefrührt“. L. 3, 412; Er
läſſt im Winter ſchneien, reifen und g. Luther 5, 468a; Wie
der Hochſchnee durch Infiltration von Schmelzwaſſer und
Wieder-G. in .. Firn umgebildet wird. Tſchudi Th. 482;
übertr.: Machen das Blut vor Schrecken g. Sch. 166a.
Mundartl. auch z. B.: Darmit er nicht angefriere. Ryff
Th. 20 ꝛc. Lōs- [2b]: ſ. auf-f.: Von den Straßen-
ſteinen wieder loszufrieren. Börne 2, 93. Über- [2b]:
mit einer Eisdecke ſich überziehn, vgl. be-f.: über den..
zu Eisfeldern überfrorenen Wieſen. G. 22, 91; Platen 4,
341; Stumpf 725a; Die grauüberfrornen Fenſterſcheiben.
DMuſeum 1, 1, 626; Volger EE. 546 ꝛc. Ver- [2b]:
er-f.; im Part. auch als Ew.: Verfroren, froſtig; leicht
zu frieren geneigt. Auch tr.: Eine Zeit ver-f., frierend
verbringen, ſcherzh. mitſchwachformigen Partic.: Nach-
dem ich 2 .. Tage .. verfriert habe. Zelter 5, 351.
Zer- [2b]: durch Froſt berſten, zerſpringen, übertr.:
Seine Weisheit, die nun einmal in Apathien z. ſollte. Klinger
„Giaf. 27. Zū- [2b]: durch Froſt ſich ſchließen, ſich
mit Eis zudecken: Daß der Teich Winters nicht zufriere.
G. 40, 29 ꝛc. Zuſámmen- [2b]: durch Froſt zu-
ſammenſinken oder von zwei Dingen zuſammen-
kleben ꝛc. u. ä. m.