Frieren
I. Frīēren, fror, fröre; gefroren:
1) tr.: die Empfindung von Kälte hervorbringen, und —: Flüssigkeiten durch Kälte erstarren machen.
a) so zuw. persönlich: Nordwind, der sonst frieret. 2, 182; Von dem f–den [eisigen, kalten] Nord bringen den Bernstein. 82a; Daß der Winter hier am Rheine | sie nicht in die Finger frier. Tr. 147 (s. b) etc. — Das Gefrorene (s. Eis), in Zucker gekochte Obstsäfte, die man zum Gefrieren gebracht hat. — Übertr.: Mit halbem Ruck der Kapp’ und kaltem Nick | fror man mich starr zum Schweigen. Sh. 3, 515 (s. 2b). —
b) öfter unpersönl. mit: Es (s. d. 7, u. vgl. 18, 105) als Subj.: Es [ein unbekanntes, nur aus der Wirkung zu erkennendes Etwas] friert mich [bringt die Empfindung von Kälte in mir hervor,] friert Eis [macht das Wasser zu Eis erstarren]; Es hatte die Nacht Eis gefroren. 23, 197; Es hat stark, Stein und Bein gefroren etc. — Man weiß recht gut, daß es sie friert. 2, 451; Da fror’s das Bäumlein bald. 1, 416; Der reibt die Hände sehr, | thut auch, als ob’s ihn frör. 417; Dich friert’s so sehr, wie mich. etc. — Hier kann aber auch beivorangestelltem Obj. das „es“ fortbleiben (vgl.: Mich durstet, hungert): Ich seh sie an, mich friert. 1, 120 U. v., — so daß, wenn das Obj. keine vom Nom. verschiedne Form hat, unentschieden ist, ob die Fügung hierher oder zu 2a gehört: Sie fror. R. 6, 398 etc. — Der Frost empfindende Körpertheil steht mit an und Dat.: Schon fror’s an den Fingern. 372; Es friert mich so an meinem Kopfe. M. 310, oder mit an und Accus.: Daß es ihn nicht an die Hand friert. 3, 116; Es friert mich an die Glieder. 1, 416 (vgl. 15, 61). — S. a. versch.: Es friert mich (bis) ins Herz, (bis) in die Fingerspitzen. — 2) intr.:
a) (haben): Frost, Kälte empfinden: Jch friere = mich friert (s. 1b); Sie frören .. und hätten nicht Viel zu beißen. Br. 2, 234, vgl.: Sie fröre; Man mag es f–d bewundern und bewundernd f. s. L. 2, 56 etc.; Mir friert die Hand, das Herz im Leib. 18 etc. —
b) (sein): vor Kälte erstarren, oft ge-f. (s. d.): Das Quecksilber (ge)friert bei — 40⁰ etc., auch übertr.: Der gefrornen Musik Schall [von der Baukunst als einer „erstarrten Musik“ s. 3, 258; 2, 279]. 2, 165; Der steht so lange gefroren [zur Statue erstarrt], | bis seine Zeit erfüllet ist. 15, 103; Stolz auf sein gefrornes [kaltes, unempfindliches] Blut. 3, 40 etc.; auch: „Er ist nicht zu verwunden, er ist fest“ .. gegen Schuß und Hieb! Er ist | gefroren, mit der Teufelskunst behaftet. 398a; nagel 3, 1, 894 Z. 31; s. 1, 616; 1, 400. — Auch mit einem die Wirkung bezeichnenden Zusatz: Mit den steifgefrornen Beinen. Ferd. 1, 111; Mit anstandsvoll festgefrornem Gesicht. Jt. 2, 201; 445 etc.; vgl.: Ab-, an-, los-f. etc. — So auch (s. 1a). tr. und refl.: Ich habe mir die Finger, — ich habe mich, — ich bin — steif gefroren; Eh friert er sich zu Tode. HBr. 1, 243.
Anm. Ahd. friosan, s. 3, 828, mit noch mundartl. „s“ statt „r“ (wie in Frost), vgl. erkiesen und erkoren, verlieren und Verlust. — Die Ableitung isl unausgemacht, vgl. lat. pruina, Reif, und prurio, jucke. — Die Formen: Du freurst; er, es freurt 565; B. 265b) sind nur noch mundartl., wie das faktitive Frören: gefrieren machen etc., vgl. u. auch z. B. über: Die Gefrier u. ä. m. — S. ver-f. Selten: Der Frierer. 1, 103 u. die Frierung, häufiger in Zsstzg., s. II.
Zsstzg. (s. Ge-f.) z. B.: Áb- [2b]: Er hat sich, — ihm ist die Nase abgefroren. — Án- [2b]: Daß sein Stab und seine Kleider und er selber fest angefroren waren an dem [oder „den“] Boden. Chamisso 4, 215; Die Stiefel sind mir . angefroren am Schlittenkufen. Hebel 3, 295; Dies ans Eisfeld des Lebens angefrorne Vaterherz durch seine Liebe abzulösen. IP. 21, 6; Eine dem Fenster angefrorne Blume [die sich durch Frost dort gebildet, angesetzt hat]. 2, 173; Wie angefroren stehn bleiben. W. 20, 74 etc. — Aūf-[2b]: aufthauen, vgl. los-f. und z. B.: Auf-, los-binden, -knüpfen etc. = das Gebundne auflösen: Diese Herzen werden aufthauen, a. Gotthelf 5, 39; Waldis Es. 1, 7. Bei Frank Chr. 188a auch: auffrören als Faktitiv. — Āūs- [2b]: vom Frost völlig durchdrungen werden: Ich war so steif ausgefroren. IP. 11, 1; Der See ist ausgefroren, bis auf den Grund; Die Wäsche a. lassen; Sich a., sich vom Frost durchdringen lassen. — So friert das Wintergetreide zuweilen ganz aus, geht durch den Frost aus, zu Grunde. —
Be-: mit Eis bedeckt werden, festfrieren, durchfrieren: Da sie im Eise befror [fest]. G. 5, 270; 271; Wenn dann die blinkende Stelle wieder befror. Goltz 1, 113; 139; Die Bäume, nackt befroren. Kinkel 295; Sein befrornes Haupt. Zachariä 1, 52 etc. — I. Dúrch-: s. aus-f.: Den harten durchgefrornen Schoß der Erde. Chamisso 4, 57; Ich war, als leichtgekleidet, durchgefroren. G. 22, 284 etc. — II. Durch-: = I: Ich bin so durchfroren etc. — Eīn- [2b]: so frieren, daß es nicht her- aus, sich nicht frei bewegen kann: Die Schiffe sind im Hafen, die Mühlenräder sind eingefroren; Um dich Winter, in dir Winter | und dein Herz ist eingefroren. Heine Reis. 2, 257; Wo zu Reif einfriert an der Lippe jeder | glühende Seufzer. Platen 2, 159; Eine eingefrorne [starrgewordne] Pedanterie. Waldau N. 1, 323. — Auch tr.: Die Gemüther hatte | dies Wort „Rebellion“ so eingefroren, | wie Fisch’ in einem Teich. Schlegel Sh. 6, 199. — Er-: durch Frost zu Grunde gehn, verderben, sterben: In Rußland e. viele Leute; Die Weinstöcke sind erfroren; Die Finger sind ihm erfroren, und so auch tr.: Leicht erfriert man die Ohren. D Museum 1, 2, 730; Daß du nicht erfrierest die Glieder. Rückert Mak. 1, 202; Seume Sp. 287; Das kalte Wehen, | das die ganze Welt erfriert. WMüller Bibl. 5, 167, wo der Urtert von Roberthin „erfrört“ hat etc. — Zuw. auch nur = durch Frost erstarren: Ich bin draußen ganz erfroren; vgl.: Den Verfrornen erwärmt. Baggesen 1, 220; Erfroren [kalt] bleibt ihr Blut. W. 12, 337 etc. —
Ge-: s. frieren [2b], womit es im Particip auch formell zusammenfällt: Zu Krystallen g. Chamisso 5, 108; Die Wasser gefroren, ehe sie verlaufen konnten. G. 18, 256; Wo wohl gar der Brandewein „gefrührt“. L. 3, 412; Er lässt im Winter schneien, reifen und g. Luther 5, 468a; Wie der Hochschnee durch Infiltration von Schmelzwasser und Wieder-G. in .. Firn umgebildet wird. Tschudi Th. 482; übertr.: Machen das Blut vor Schrecken g. Sch. 166a. — Mundartl. auch z. B.: Darmit er nicht angefriere. Ryff Th. 20 etc. — Lōs- [2b]: s. auf-f.: Von den Straßensteinen wieder loszufrieren. Börne 2, 93. — Über- [2b]: mit einer Eisdecke sich überziehn, vgl. be-f.: über den.. zu Eisfeldern überfrorenen Wiesen. G. 22, 91; Platen 4, 341; Stumpf 725a; Die grauüberfrornen Fensterscheiben. DMuseum 1, 1, 626; Volger EE. 546 etc. — Ver- [2b]: er-f.; im Part. auch als Ew.: Verfroren, frostig; leicht zu frieren geneigt. — Auch tr.: Eine Zeit ver-f., frierend verbringen, scherzh. mitschwachformigen Partic.: Nachdem ich 2 .. Tage .. verfriert habe. Zelter 5, 351. — Zer- [2b]: durch Frost bersten, zerspringen, übertr.: Seine Weisheit, die nun einmal in Apathien z. sollte. Klinger „Giaf. 27. — Zū- [2b]: durch Frost sich schließen, sich mit Eis zudecken: Daß der Teich Winters nicht zufriere. G. 40, 29 etc. — Zusámmen- [2b]: durch Frost zusammensinken oder — von zwei Dingen — zusammenkleben etc. — u. ä. m.
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