Faksimile 0504 | Seite 496
Faksimile 0504 | Seite 496
Faksimile 0504 | Seite 496
Friede Friede~n
I. Frīēde(~n), m., –ns; –n: 1) (veralt., mund-
artl.): der Zaun, die Einzäunung. Schm. 1, 603. So
auch der umſchloßne Bezirk, z. B.: Burgfried(e) (vgl.
Freiheit 2), der rückſichts des Grundes oder der Ge-
richtsbarkeit zu einer Stadt ꝛc. gehörende Bezirk (ebd.),
nam. auch inſofern die innerhalb der Umgrenzung ſich
Aufhaltenden geſchützt ſind vgl. 2a. 2) der Zu-
ſtand des Geſchütztſeins vor Angriffen und Beunruhi-
gungen, ſo: a) aus den Zeiten des Fauſtrechts, der
Schutz vor gewaltthätigen Angriffen auf Perſon und
Beſitz, ſei es innerhalb gewiſſer Grenzen, z. B. Burg-
F. (ſ. 1), Ding- od. Gerichts-, Kirchen-F. ꝛc., ſei es über-
haupt die Sicherheit in der bürgerlichen Geſellſchaft ꝛc.:
Einem F–n und [ſichres] Geleit geben; Einen in ſeinen F–n
[Schutz] nehmen; Der Geächtete wurde aus dem F–n in den
Un-F–n geſetzt, aus der bürgerlichen Geſellſchaft aus-
geſtoßen, ſchutz- und rechtlos ꝛc.; Innerhalb unſers Köni-
ges Fried’ und freiem Geleite | hielt er Lampen gefaſſt mit
ſeinen Klauen. G. 5, 125; Ich ſetzte ihn aus dem F–n,
feimte ihn ins Elend. Immermann M. 4, 239; Die Mark
liegt immer in Friede, d. i. kein Genoſſe darf ſich ſeines An-
theils nach Willkür gebrauchen, ohne den F–n zu brechen. Mö-
ſer Osn. 1, 13; Euch ſchützt des Königs F–n. Sch. 480a;
Laß den F–n dein | mich haben, König Hagen, daß ich fahr-
los möge ſein. Simrock G. 363; 160 ꝛc. b) zu a gehö-
ren mancherlei Wendungen, die ſich auch nach dem Auf-
hören des Fauſtrechts und der Ritterfehden ꝛc. erhalten
haben, z. B.: Wohl Dem, der .. zu Land und auf der
See | des eignen F–ns lebt [ſich ſelbſt beſchützend, unab-
hängig]. Hebel 2, 200; F–(n) vor Einem vor Etwas ha-
ben, davon nicht beunruhigt, nicht beläſtigt werden;
Auf wen Alle zuſchlagen, Der hat vor mir Friede. L. 12,
386; Wen ich nicht nothwendig werde beſuchen müſſen, Der
ſoll vor mir wohl Friede haben. 460 ꝛc.; [Da] genoß er F–n
vor der innern Pein. Chamiſſo 4, 150 (ſ. c); Hiob 21, 9 ꝛc.
Einen zu, auch: in (Hebel 3, 180 ꝛc.), mit (Lichtenberg 2, 353;
Luther 6, 7a ꝛc.) F–n laſſen = in Ruhe laſſen: Läſſt ihn die
Kantharide | Asmodi eher nicht mit Fried e. W. 11, 254, ſ.
Zufrieden. Dem F–n oder Land-F–n (Hebel 3, 167)
nicht recht trauen, keine rechte Zuverſicht zu Etwas haben,
ſich dadurch nicht für ganz ſicher halten, vgl. die be-
kannte Fabel vom „Hahn und Fuchs“, Hagedorn 2,
210; G. 5, 131. c) die Abweſenheit von allem
Beunruhigenden, die heitre Zuverſicht Störenden,
auch geiſtig: Die Gottloſen haben keinen Friede. Jeſ. 48,
22; Solches habe ich mit euch geredet, daß ihr in mir F.
habet; in der Welt habet ihr Angſt, aber ſeid getroſt! Joh.
16, 33 u. o. So auch der bibl. Gruß: F. ſei mit
dir! ꝛc. F. mit ſeiner [ſanft ruhe ſeine] Aſche! G. 39,
339; F. deinen heil’gen Reſten! Sch. 53b u. o. Mir iſt
es, denk’ ich nur an dich, | als in den Mond zu ſehn. | Ein
ſtiller F. kommt auf mich. G. 1, 79; Süßer F., | komm,
ach komm in meine Bruſt! 78; F. des Kriegs, o ſüße Ruhe
der Schlachten [wo der Geiſt ſich wohl und beruhigt
fühlt, vgl. d]. Börne 2, 144; Nichts kann ſeinen innern
F–n, den F–n des Geiſtes, der Seele ꝛc. ſtören ꝛc. S.
auch zufrieden. d) die Abweſenheit beunruhigender
Feindlichkeiten und Feindſeligkeiten in dem Verhältnis
von Privatperſonen (Ggſtz: Uneinigkeit, Zank, Streit)
oder auch von Staaten (Ggſtz. Krieg) zu einander:
Den häuslichen F–n ſtören; F–n zwiſchen den ſtreitenden
Parteien ſtiften; Er lebt mit ſeiner Frau, mit ſeinen Nach-
baren in Fried’ und Einigkeit; In Ruh und Fried mit mei-
nem Nachbar. G. 9, 62; Ich hab den F–n deines Hauſes
geſtört. 14, 150 ꝛc.; Fried’ und Einigkeit auch Name des
Küritzer Biers, wie im Ggſtz. „Mord und Todſchlag“
des Eislebers. Im F–n wurde zu Rom der Janustem-
pel geſchloſſen; Zwiſchen beiden Staaten iſt, herrſcht F–(n);
Sich dauernden F–ns erfreun; Um F–(n) bitten; F–(n)
machen, ſchließen; Der König und die Kaiſerin .. machten
endlich F. B. 13a u. o.; Da ward es ſtill, | nicht F., ſchweig-
ſam lagen ſie zu Füßen dir [Napoleon]. Chamiſſo 4, 184;
Immer war es noch kein F. zwiſchen zwei gleichgeachteten
Mächten, bloß ein Vertrag zwiſchen dem Herrn und einem
überwundenen Rebellen. Sch. 883a; Schön iſt der F. [per-
ſonif.], ein lieblicher Knabe ꝛc. 497a; Eine Frau als F. G.
28, 305. Auch = Friedensſchluß: Der weſtfäliſche
F.; Die vielen F–n [gw. Friedensſchlüſſe] zeigen, daß es
eigentlich immer nur Waffenſtillſtände waren ꝛc.
Anm. 1 (vgl. Fried- oder Freithof) und 2 eines
Stamms, vgl. goth. freidjan, ſchonen. Bei Luther findet
ſich die Abwandlung: Der, dem, den Friede, des –s, neben:
Der, dem, den F–n, des –ns. Von der erſtern iſt heute mit
dem Artikel nur der Nomin. gewöhnlich, ohne Artikel aber
auch der Accuſ. und Dat., vgl. z. B.: Mußte doch die wälſche
Majeſtät . . F. machen, und den F–n ſeid ihr uns ſchuldig.
G. 9, 143; Auch ein Seufzer wider den F–n .. und wie
lange haben wir ſchon F.? L. Barnh. 2, 1; Sein Gärtchen
.. in F. beſtellt. V. 3, 26 ꝛc., vgl.: Glaube, Haufe, Name,
Same ꝛc. Der ſchwankenden Deklination entſprechen auch
verſch. Formen des Bſtw., z. B.: Friedlos. Schwab 175;
Rechtslos und friedelos. Immermann M. 3, 15; Die Frie-
densloſen. Hölderlin H. 2, 123; Die friedenvolle Schön-
heit der Natur. Stahr Rep. 3, 99; Ihren Friede-Sitz.
Jacobi Jr. 2, 24 ꝛc. In den meiſten neuern Zſſtzg., nam.
wo F. den Ggſtz. von Krieg bez., iſt Friedens- die gw.
Form. vgl. Friede- und Friedensfürſt. Die Mz. iſt außer
in der Bed. Friedensſchlüſſe nicht gewöhnlich, ſ. Land-F.
Zſtzg. vielfach, z.B.: Bánn- [1]: Einfriedigung
des Bezirks. Bāūer- [1]: Heimſchnat, ſ. Kirchen-
F. ꝛc. Bérg-: ſ. Belfried u. Burg-F. Blū-
men-: Die ehemalige Heiterkeit, der B. der glücklichen
Tage. Tieck 16, 271. Búrg- [1 und 2a]: Daß der
B. vor des Herzogs Quartier nicht verletzt werden dürfe. G.
25, 255; 16, 218 ꝛc. Dēīch-: die Ruhe und
Sicherheit bei den Deicharbeiten ſchützende Ordnung.
Díng- [2a]: die Unverletzlichkeit der Gerichts-
ſtätten. Geríchts-: Ding-F. Góttes- [1 u.
2a]: Kirchen-F., eine Freiſtatt; die Unverletzlichkeit
aller zum Gottesdienſt gewidmeten Perſonen und
Sachen; auch ein kirchlich geſchloßner Vertrag: Die
Schrift . ., darin des G–ns Klauſeln ſtanden. Chamiſſo 4,
135. Hánd- [2a]: Schutz vor Gewalt gewährende
Sicherheit, ſ. Friſch 1, 410c. Hāūs-: 1) [2a] der
dem Bewohner eines Hauſes in demſelben vor Gewalt-
thätigkeit zukommende Schutz. 2) die Eintracht der
Hausgenoſſen, der Familienglieder. Iffland 5, 3, 1;
Muſäus Ph. 1, 68 ꝛc. Hérzens- [2c]. Kír-
chen-: die Eintracht der Glieder oder Lehrer einer
Kirche unter einander; auch Religions-F.; auch Got-
tes-F.: Heimſchnaet iſt insgemein in der gemeinen Mark ein
Strich, welcher zwar zur Viehweide allen Genoſſen offen iſt,
zum Plaggenmatt aber einem Dorfe oder einer Bauerſchaft
allein gehöret; erſter wird auch wohl der K., weil die Kirche
im Dorfe liegt, genannt. Möſer Osn. 1, 20. Lánd-
[2a und b]: die Sicherheit und Ruhe eines Lands im
Ggſtz. der Befehdungen und der Vertrag darüber: Das
Reich iſt trotz ein vierzig L. noch immer eine Mördergrube.
G. 9, 33; Trutz ein vierzig Landfriedens. 34, 32; Daß
ſich mit dem L. von 1495 ein ganz neues Reich angefangen.
..Das alte Reich endigte ſich mit Provincial-L. und Ver-
bindungen. Möſer Ph. 4, 155; Weidner 54 ꝛc. Márk-
[2a]. Mēīn-: meineidiger Friede: [Da] gab es
weniger M–n. Jahn V. 373. Profān-: der Land-
F. von 1495 im Ggſtz. des Religions-F–ns zu Augs-
burg von 1555. Religiōns-: wodurch das Ver-
hältnis ſtreitender Religions-Parteien geordnet wird,
ſ. Profan-F. Sábbath- [2c]: Sabbathruhe. Reit-
hard 49. Schēīn-: ein nur ſcheinbarer, nichternſter
Friede. Ruge Rev. 1, 74. Sēēlen- [2c]. Ún-:
Zwietracht, Zwiſt, Feindſchaft: Friede(n) ernährt, U–(n)
verzehrt (zerſtört). Sprchw. Hebel 3, 431; 488 u. o.
Weil er mit ſeinem Nachbarn aus Brotneid in U–n lebte.
ebd.; Alſo nährte ſie den U–n im Herzen. 329; Einen ſchwe-
ren Spruch zu ſprechen, | der dem Land U–n droht. Rückert
Morg. 1, 164 ꝛc.; Mit Einem zu Unfried werden, ſich ent-
zweien. Berlichingen 32; G. 9, 25. Ür-: das eidliche
Verſprechen eines Verhafteten, den Frieden wegen des
Verhafts nicht zu brechen, vgl. Urfehde. Wáld-
[2c]: der Friede, die ſtille Ruhe, wie ſie im Wald
herrſcht. Gutzkow Bl. 1, 213. Wēīch-: Burg-F.,
ſ. Weichbild u. ä. m.