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Friede Friede~n
I. Frīēde(~nFrīēde(~n), m., –ns; –n:
1) (veralt., mund- artl.): der Zaun, die Einzäunung. Schm. 1, 603. So auch der umschloßne Bezirk, z. B.: Burgfried(e) (vgl. Freiheit 2), der rücksichts des Grundes oder der Gerichtsbarkeit zu einer Stadt etc. gehörende Bezirk (ebd.), nam. auch insofern die innerhalb der Umgrenzung sich Aufhaltenden geschützt sind vgl. 2a.
2) der Zustand des Geschütztseins vor Angriffen und Beunruhigungen, so:
a) aus den Zeiten des Faustrechts, der Schutz vor gewaltthätigen Angriffen auf Person und Besitz, sei es innerhalb gewisser Grenzen, z. B. Burg- F. (s. 1), Ding- od. Gerichts-, Kirchen-F. etc., sei es überhaupt die Sicherheit in der bürgerlichen Gesellschaft etc.: Einem F–n und [sichres] Geleit geben; Einen in seinen F–n [Schutz] nehmen; Der Geächtete wurde aus dem F–n in den Un-F–n gesetzt, aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgestoßen, schutz- und rechtlos etc.; Innerhalb unsers Königes Fried’ und freiem Geleite | hielt er Lampen gefasst mit seinen Klauen. G. 5, 125; Ich setzte ihn aus dem F–n, feimte ihn ins Elend. Immermann M. 4, 239; Die Mark liegt immer in Friede, d. i. kein Genosse darf sich seines Antheils nach Willkür gebrauchen, ohne den F–n zu brechen. Mö- ser Osn. 1, 13; Euch schützt des Königs F–n. Sch. 480a; Laß den F–n dein | mich haben, König Hagen, daß ich fahrlos möge sein. Simrock G. 363; 160 etc.
b) zu a gehören mancherlei Wendungen, die sich auch nach dem Aufhören des Faustrechts und der Ritterfehden etc. erhalten haben, z. B.: Wohl Dem, der .. zu Land und auf der See | des eignen F–ns lebt [sich selbst beschützend, unabhängig]. Hebel 2, 200; F–(n) vor Einem vor Etwas haben, davon nicht beunruhigt, nicht belästigt werden; Auf wen Alle zuschlagen, Der hat vor mir Friede. L. 12, 386; Wen ich nicht nothwendig werde besuchen müssen, Der soll vor mir wohl Friede haben. 460 etc.; [Da] genoß er F–n vor der innern Pein. Chamisso 4, 150 (s. c); Hiob 21, 9 etc. Einen zu, auch: in (Hebel 3, 180 etc.), mit (Lichtenberg 2, 353; Luther 6, 7a etc.) F–n lassen = in Ruhe lassen: Lässt ihn die Kantharide | Asmodi eher nicht mit Fried e. W. 11, 254, s. Zufrieden. Dem F–n oder Land-F–n (Hebel 3, 167) nicht recht trauen, keine rechte Zuversicht zu Etwas haben, sich dadurch nicht für ganz sicher halten, vgl. die bekannte Fabel vom „Hahn und Fuchs“, Hagedorn 2, 210; G. 5, 131.
c) die Abwesenheit von allem Beunruhigenden, die heitre Zuversicht Störenden, auch geistig: Die Gottlosen haben keinen Friede. Jes. 48, 22; Solches habe ich mit euch geredet, daß ihr in mir F. habet; in der Welt habet ihr Angst, aber seid getrost! Joh. 16, 33 u. o. So auch der bibl. Gruß: F. sei mit dir! etc. F. mit seiner [sanft ruhe seine] Asche! G. 39, 339; F. deinen heil’gen Resten! Sch. 53b u. o. Mir ist es, denk’ ich nur an dich, | als in den Mond zu sehn. | Ein stiller F. kommt auf mich. G. 1, 79; Süßer F., | komm, ach komm in meine Brust! 78; F. des Kriegs, o süße Ruhe der Schlachten [wo der Geist sich wohl und beruhigt fühlt, vgl. d]. Börne 2, 144; Nichts kann seinen innern F–n, den F–n des Geistes, der Seele etc. stören etc. S. auch zufrieden.
d) die Abwesenheit beunruhigender Feindlichkeiten und Feindseligkeiten in dem Verhältnis von Privatpersonen (Ggstz: Uneinigkeit, Zank, Streit) oder auch von Staaten (Ggstz. Krieg) zu einander: Den häuslichen F–n stören; F–n zwischen den streitenden Parteien stiften; Er lebt mit seiner Frau, mit seinen Nachbaren in Fried’ und Einigkeit; In Ruh und Fried mit meinem Nachbar. G. 9, 62; Ich hab den F–n deines Hauses gestört. 14, 150 etc.; Fried’ und Einigkeit auch Name des Küritzer Biers, wie im Ggstz. „Mord und Todschlag“ des Eislebers. Im F–n wurde zu Rom der Janustempel geschlossen; Zwischen beiden Staaten ist, herrscht F–(n); Sich dauernden F–ns erfreun; Um F–(n) bitten; F–(n) machen, schließen; Der König und die Kaiserin .. machten endlich F. B. 13a u. o.; Da ward es still, | nicht F., schweigsam lagen sie zu Füßen dir [Napoleon]. Chamisso 4, 184; Immer war es noch kein F. zwischen zwei gleichgeachteten Mächten, bloß ein Vertrag zwischen dem Herrn und einem überwundenen Rebellen. Sch. 883a; Schön ist der F. [personif.], ein lieblicher Knabe etc. 497a; Eine Frau als F. G. 28, 305. Auch = Friedensschluß: Der westfälische F.; Die vielen F–n [gw. Friedensschlüsse] zeigen, daß es eigentlich immer nur Waffenstillstände waren etc.
Anm. 1 (vgl. Fried- oder Freithof) und 2 eines Stamms, vgl. goth. freidjan, schonen. Bei Luther findet sich die Abwandlung: Der, dem, den Friede, des –s, neben: Der, dem, den F–n, des –ns. Von der erstern ist heute mit dem Artikel nur der Nomin. gewöhnlich, ohne Artikel aber auch der Accus. und Dat., vgl. z. B.: Mußte doch die wälsche Majestät . . F. machen, und den F–n seid ihr uns schuldig. G. 9, 143; Auch ein Seufzer wider den F–n .. und wie lange haben wir schon F.? L. Barnh. 2, 1; Sein Gärtchen .. in F. bestellt. V. 3, 26 etc., vgl.: Glaube, Haufe, Name, Same etc. Der schwankenden Deklination entsprechen auch versch. Formen des Bstw., z. B.: Friedlos. Schwab 175; Rechtslos und friedelos. Immermann M. 3, 15; Die Friedenslosen. Hölderlin H. 2, 123; Die friedenvolle Schönheit der Natur. Stahr Rep. 3, 99; Ihren Friede-Sitz. Jacobi Jr. 2, 24 etc. In den meisten neuern Zsstzg., nam. wo F. den Ggstz. von Krieg bez., ist Friedens- die gw. Form. vgl. Friede- und Friedensfürst. Die Mz. ist außer in der Bed. Friedensschlüsse nicht gewöhnlich, s. Land-F. Zstzg. vielfach, z.B.: Bánn- [1]: Einfriedigung des Bezirks. Bāūer- [1]: Heimschnat, s. Kirchen- F. etc. Bérg-: s. Belfried u. Burg-F. Blūmen-: Die ehemalige Heiterkeit, der B. der glücklichen Tage. Tieck 16, 271. Búrg- [1 und 2a]: Daß der B. vor des Herzogs Quartier nicht verletzt werden dürfe. G. 25, 255; 16, 218 etc. Dēīch-: die Ruhe und Sicherheit bei den Deicharbeiten schützende Ordnung. Díng- [2a]: die Unverletzlichkeit der Gerichtsstätten. Geríchts-: Ding-F. Góttes- [1 u. 2a]: Kirchen-F., eine Freistatt; die Unverletzlichkeit aller zum Gottesdienst gewidmeten Personen und Sachen; auch ein kirchlich geschloßner Vertrag: Die Schrift . ., darin des G–ns Klauseln standen. Chamisso 4, 135. Hánd- [2a]: Schutz vor Gewalt gewährende Sicherheit, s. Frisch 1, 410c. Hāūs-:
1) [2a] der dem Bewohner eines Hauses in demselben vor Gewaltthätigkeit zukommende Schutz.
2) die Eintracht der Hausgenossen, der Familienglieder. Iffland 5, 3, 1; Musäus Ph. 1, 68 etc. Hérzens- [2c]. Kírchen-: die Eintracht der Glieder oder Lehrer einer Kirche unter einander; auch Religions-F.; auch Gottes-F.: Heimschnaet ist insgemein in der gemeinen Mark ein Strich, welcher zwar zur Viehweide allen Genossen offen ist, zum Plaggenmatt aber einem Dorfe oder einer Bauerschaft allein gehöret; erster wird auch wohl der K., weil die Kirche im Dorfe liegt, genannt. Möser Osn. 1, 20. Lánd- [2a und b]: die Sicherheit und Ruhe eines Lands im Ggstz. der Befehdungen und der Vertrag darüber: Das Reich ist trotz ein vierzig L. noch immer eine Mördergrube. G. 9, 33; Trutz ein vierzig Landfriedens. 34, 32; Daß sich mit dem L. von 1495 ein ganz neues Reich angefangen. ..Das alte Reich endigte sich mit Provincial-L. und Verbindungen. Möser Ph. 4, 155; Weidner 54 etc. Márk- [2a]. Mēīn-: meineidiger Friede: [Da] gab es weniger M–n. Jahn V. 373. Profān-: der Land- F. von 1495 im Ggstz. des Religions-F–ns zu Augsburg von 1555. Religiōns-: wodurch das Verhältnis streitender Religions-Parteien geordnet wird, s. Profan-F. Sábbath- [2c]: Sabbathruhe. Reit- hard 49. Schēīn-: ein nur scheinbarer, nichternster Friede. Ruge Rev. 1, 74. Sēēlen- [2c]. Ún-: Zwietracht, Zwist, Feindschaft: Friede(n) ernährt, U–(n) verzehrt (zerstört). Sprchw. Hebel 3, 431; 488 u. o. Weil er mit seinem Nachbarn aus Brotneid in U–n lebte. ebd.; Also nährte sie den U–n im Herzen. 329; Einen schweren Spruch zu sprechen, | der dem Land U–n droht. Rückert Morg. 1, 164 etc.; Mit Einem zu Unfried werden, sich entzweien. Berlichingen 32; G. 9, 25. Ür-: das eidliche Versprechen eines Verhafteten, den Frieden wegen des Verhafts nicht zu brechen, vgl. Urfehde. Wáld- [2c]: der Friede, die stille Ruhe, wie sie im Wald herrscht. Gutzkow Bl. 1, 213. Wēīch-: Burg-F., s. Weichbild u. ä. m.