Faksimile 0501 | Seite 493
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Freude
Frēūde, f.; –n; Freudchen, lein; –n-: 1) das
Gefühl des Frohſeins, die lebhafte Erregung, die das
Gemüth über etwas zu Theil werdendes oder geworde-
nes Angenehme empfindet; die Kundgebung dieſer
Empfindung und das ſie Erregende, vgl. Freudigkeit,
Fröhlichkeit, Vergnügen, Luſt, Wolluſt (ſ. 2), Er-
getzen, Wonne, Entzücken: Man empfindet, hat F. über
das Geſchehne, an etwas Gegenwärtigem oder als gegenwär-
tig Vorgeſtelltem, auf etwas Künftiges; ſtatt an und über
auch zuw. der Genit.: Deſſen hatte das Volk eine große
F. Hebel 4, 57; Luk. 1, 14 ꝛc.: Mit F–n [Vergnügen,
gern] Einem dienen; Mit F–n [frohem Muthe, freudig,
ſ. d.] in den Tod gehn; Vor F. zittern, weinen; F. [Wohl-
gefallen] an Etwas haben; Ich habe, erlebe F. an Einem
= er macht mir F.; Seine F. an Etwas ſehen. W. 19,
170 ꝛc. Einem eine große, eine heimliche, eine vergebliche
F. machen, bereiten; Einem ſeine F. verderben, verbittern,
vergällen, verſalzen ꝛc.; Meine F. auf dies Feſt iſt geſtört ꝛc.
Perſonif.: Angekettet feſt an deinen Wagen | die F–n.
G. 6, 55; F., ſchöner Götterfunken, | Tochter aus Elyſium ꝛc.
Sch. 19a. Ein weiſer Sohn iſt ſeines Vaters F. Spr. 10,
1; Das iſt meine F., daß ich an dem Herrn halte. Pſ. 73,
28; Eure Traurigkeit ſoll in F. verkehret werden. Joh. 16,
20; Keine F. iſt des Herzens F. gleich. Sir. 30, 16; Lebete
herrlich und in F–n. Luk. 16, 19 ꝛc.; Hat die F. mir,|
hat das Entzücken dieſes Augenblicks | das Mark in mei-
nen Knochen aufgelöſt? G. 13, 113; Hatte ich das erſte Mal
die F. der Überraſchung und des Staunens, ſo war zum zwei-
ten Mal die Wolluſt des Aufmerkens und Forſchens groß.
16, 13; Beim zweiten Leſen tritt an die Stelle der Über-
raſchung die F. an des Dichters künſtlicher Verknotung und
Entknotung, die .. faſt noch größer, auf jeden Fall dauernder
iſt als der Reiz der Überraſchung. HVoß JP. 39; Ich hatte
viel F. an ihm und viel Hoffnung auf ihn. G. Lav. 121;
F. des Daſeins iſt groß, | größer die Freud’ am Daſein [F.
im Bewuſſtſein des Daſeins, wie Jenes nur: durch das
Daſein]. G. 4, 86; Er ſei nicht für ſeine F. [zu ſeinem
Vergnügen] Vogt. Gotthelf G. 81; Ich hatte keine F. zur
Sache. Hebel 3, 457; Jetzt bin ich lauter F. [vgl. Auge,
Ohr]. Hölderlin H. 2, 34; F., Luſt und Entzücken ſind
nur die Glieder des Vergnügens, das ſie zu einem höhern
Leben verknüpft. Novalis 1, 105; Die F. lacht aus ihren
Mienen. Ramler F. 3, 33; Der Herr hat | keine Freud’ an
Ungebühren. Rückert G. 2, 450; Freudlos (ſ. Anm.) in
der F–n Fülle. Sch. 61a; Bei dieſem Anblick fiel ein Strahl
von F. in die Seele des Wanderers, eine F., die ſich in Ent-
zücken verwandelte, da ꝛc. W. 27, 225; Ohne ſie [die Cha-
ritinnen] ſind F–n ohne F. 3, 188. 2) euphemiſt. wie
„Wolluſt“ (ſ. d.): Ganze nahe ſtanden die Gebäude, | das
Gotteshaus, das Haus der F. [Bordell]. Ramler F. 2, 464;
Doria beſucht die verdächtigen Häuſer. Hänge dich an die Töch-
ter der F. Sch. 159a, ſ. F–n-Haus, -Mädchen ꝛc.
Anm. Verkl.: Das Freudchen iſt uns verdorben. L.
13, 490; Aus all den Freudchen flichſt du keinen Freuden-
kranz. Rückert W. 3, 201; Merck’s B. 1, 255. Die alte
Form des Genit. und Dat. auf –n iſt häufig, nicht bloß in
der Bibel, ſondern auch ſonſt, nam. nach Präpoſ. Daher
auch als Bſtw. meiſt F–n-, doch findet ſich auch: Freudlos.
Sch. 54b u. o.; In freudeloſer Hand die freudenfrohe
Welt. Rückert BE. 162 und nam.: Freude-berauſcht, -trun-
ken, -glänzend, -ſtrahlend ꝛc., aber auch: Freude-Beben (G.
11, 23), -Bringer (Sch. 22a), -Ruf (WHumboldt Sonn. 79),
-Störer (Börne 1, XV) ꝛc.
Zſſtzg. vielfach, leicht zu mehren nach den folgen-
den: Áffen-: wie ſie Affen empfinden. Heinſe A. 2, 87.
Áfter-: falſche, Schein-F. JAEbert Gd. 2, 43.
Aūgen-: Augen-Luſt, -Weide, etwas die Augen Er-
freuendes. Thümmel 2, 227. Bēī-: Bezeugung der
Theilnahme an freudigem Ereignis. Hippel 3, 236,
verſch. von Mit-F. (ſ. d.), wie Bei- und Mitleid.
Būben-: wie ſie Buben empfinden; z. B.: Gal-
gen-, Schaden-F. Spate 525. Dāſeins-: Freude
am Daſein: Alles lebte voll D. Lewald Ferd. 1, 190 ꝛc.
Eltern-: wie ſie Eltern an Kindern erleben, Vater-,
Mutter-F. Erden-: irdiſche, Ggſtz. Himmels-F.
Féſtes-: Die letzten Augenblicke einer F. beſonders
gierig auszukoſten. Immermann M. 4, 31. Gálgen-:
Buben-, Schaden-F. Gotthelf 5, 246; G. 261; U. 1,
254 ꝛc. Gêgen-: eine Freude, die der unſren ant-
wortet ꝛc. W. 11, 47. Gēīſtes-: geiſtige. G. 11,
46. Hérzens-: herzliche, große Freude. Hölderlin
H. 1, 51 ꝛc.; auch Name einiger Pflanzen (vgl. Augen-
troſt ꝛc.): Asperula odorata; Borrago ꝛc. Hím-
mels-: ſ. Erden-F. Hóffnungs-: auf Zukünf-
tiges. Hölderlin H. 2, 96. Jāgd-: Freude an der
Jagd, über die Beute. Auerbach Leb. 1, 11. Lêbens-:
Daſeins-F.; Genuß, den das Leben oder Etwas im
Leben gewährt: Tödten jede L. Börne 5, 1; Das Kind iſt
meine einzige L. Gutzkow R. 2, 79. Līēbes-: die
die Liebe gewährt; Liebesgenuß; auch: Lebens-Lie-
bens-Freud’. G. 7, 191. Mít-: Mitgefühl der
Freude: Man fühlt, empfindet M., äußert Bei-F. (ſ. d.);
Wir ſind nur der chriſtlichen Tugend des Mitleids fähig, aber
die ſchönere der M. iſt uns fremd geworden. Börne 2, 357;
Engel 4, 314; Lichtenberg 1, 197; IP. 1, 173; 22, 229;
W. 21, 102 u. o. Mútter-: ſ. Eltern-F.
Nárren-: vgl. Affen-F. Schāden-: boshafte
Freude über Andrer Schaden und Unglück, ſ. Pſ. 35,
15; Art heimlicher Sch. G. 15, 93; Sie werden uns eine
kleine Sch. nicht übelnehmen. 212; Mit tückiſcher Sch. 16,
163; Mit einer ſtillen Halb-Sch. 21, 17; Hämiſche Sch.
WHumboldt 3, 99 ꝛc. Schēīn-: geheuchelte.
Schöpfungs-: (Lewald W. 4, 87) die man ſchaffend,
Siēges-: (Kohl E. 2, 299) die man über einen
Sieg, Sómmer-: (Göckingk Lieb. 59) wie man ſie
im Sommer und durch denſelben, Vāter-: (G. 8,
3, ſ. Eltern-F.), wie man ſie als Vater empfindet ꝛc.
Vōr-: dem eigentlichen Genuß vorhergehnd, Hoff-
nungs-F.: Auf die Nachkommen zu hoffen, mit V. über-
zeugt zu ſein, daß ſie mehr wiſſen .. werden. G. 39, 54;
Gutzkow R. 2, 165; 7, 408 ꝛc. Wēīhnachts-,
Wínter-: ſ. Sommer-F. u. ä. m.