Faksimile 0499 | Seite 491
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fremd Fremde
Frémd(e), a., –eſt: fernſtehnd: 1) nicht zu uns,
unſerm engern oder weitern Kreis, Familie, Haus,
Bekanntſchaft, Zunft, Geſellſchaft, Volk, Heimaths-
Ort oder Land gehörig: F–e Völker, Länder, Städte,
Sprachen ꝛc., vgl. aus-ländiſch, -wärtig, -heimiſch ꝛc.:
1. Kön. 8, 41; Epheſ. 2, 14; Sch. 491a; 492a ꝛc.; Meine
Hausgenoſſen achten mich für f–e. Hiob 19, 13; Wenn
man F–e [Gäſte] hat. Hippel Leb. 1, 489; Das bedeutet ja
F–e. V. 2, 149. a) ſo auch: irgendwo nicht ſeine
Heimath habend: F–e [exotiſche] Pflanzen ꝛc.; Es gewöhnt
ſich nicht mein Geiſt hierher .. Jmmer bin ich wie im erſten
[Jahre] f. G. 13, 3; Solange der Geſell wandert oder ſich
in vorübergehender Arbeit an einem Ort aufhält, iſt er f.
Publiciſt 11, 2 ꝛc. 2) fernſtehnd z. B.: a) der ver-
wandtſchaftlichen Beziehung nach: So ſeid Ihr Beide
doch von einer Mutter nicht | und ſoweit f. genug. Rachel
7, 437. b) dem Intereſſe nach fernſtehnd: Weil mir
der Kopf davon [von meinem Stück] noch warm iſt und es
mir erſt wieder f. werden muß. L. 12, 351; Ich, | ein blö-
der, ſchwachgemuther Schurke, ſchleiche | wie Hans der Träu-
mer, meiner Sache f. Schlegel Haml. 2, 2. Daher auch:
ſich nicht nähernd, kalt, zurückhaltend: Mit den Officie-
ren blieb ſie ſehr f. Forſter Br. 1, 103; Mein zu ſchüchternes
Betragen | hältſt du es für f. und kalt? Platen 6, 3; W. 11,
128 ꝛc. c) der Bekanntſchaft nach fernſtehnd: „Iſt
jemand F–es drin?“ Ja, ein f–er [unbekannter] Herr; Faſt
kein F–es, kein Beſuch aus der Nachbarſchaft kommt zu ihr.
G. 9, 319 ꝛc. (ſ. Fremdling, Anm.); Gar eine f–e Welt.
Chamiſo 3, 302 [eine neue, anders als die bekannte];
Ich bin f. [Laie] in der hier gebräuchlichen Sprache. Claudius
5, 61; Überfällt dich f–e Fühlung [neu Verlangen]. G. 4,
16; Die Zeit, welche dem Seltſamſten das F–e abſtreift und
es als etwas Bekanntes vor uns hinſtellt. 40, 5; Haller 54;
So f. und doch ſo wohl bekannt. Heine Lied. 7; Aber wer
raubt mir auf einmal den lieblichen Anblick? Ein f–er | Geiſt
verbreitet ſich ſchnell über die f–ere Flur. Sch. 75b ꝛc.
d) daher auch: Staunen erregend, wunderbar, unge-
wöhnlich, ſeltſam, befremdend, wunderlich: Von ſel-
tenem Geflügel iſt die Luft, | von f–en [1a] Herden Wieſ’
und Bach erfüllt. G. 13, 121; Wir haben Rafaeln ſchon
ſo oft genannt, daß es nicht f–e [3a]ſcheinen wird, wenn wir
nun auch ein paar Worte über ſein Geſichte ſagen. Lavater 1,
117; Das iſt ja ein ungeſchickt Ding .. und hat mich ſelbs
oft wünderlich und f. angeſehen. Luther 6, 232; „Das iſt er-
ſtaunlich f.“ | So heißt als einen F–en [1] es willkommen.
Schlegel Haml. 1, 5; Wie f. und ſeltſam ich mich nehmen
mag, | da mir’s vielleicht in Zukunft dienlich ſcheint, | ein
wunderliches Weſen anzulegen. ebd. So auch (veralt.):
Sehrgeizig, f. [wunderlich, launiſch], verdrießlich. Gryphius
Säug. 12 ꝛc. 3) Einem nicht gehörend, Ggſtz. eigen:
Sich mit f–en Federn ſchmücken; F–e Gelder, Bücher ꝛc.;
Menge dich nicht in f–e Sachen. Sir. 11, 9; G. 15, 10;
39, 298; Sch. 490a; 493a; Beſſer die Lücke bleibt auf
Ihre Art, als daß ſie durch eine f–e Art ausgefüllt wird.
Sch. G. 2, 182. a) ſo auch: nicht zu Etwas gehö-
rig, ungehörig, ſtörend ꝛc.: Daß wir nichts Hinderndes,
F–es hereinbringen. G. 15, 10. Mal.: F–es Licht ꝛc.
b) ferner: Einem nicht als Eigenſchaft zukommend,
ſich nicht bei ihm findend: Dieſe edle Einfalt iſt ihm gänz-
lich f–e. Kant Sch. 39.
Anm. Goth. framathis ꝛc., vgl. die Präpoſ. fram
(engl. from), von Etwas entfernt, vgl. ver, vor, fort;
dazu auch: Frommen = fördern ꝛc. (ſ. fromm). Neben-
form: Es gaben dem fremdigen Stoff einheimiſche Künſt-
ler | eigenthümliche Bildung. Baggeſen 2, 363; vgl.: Um
mehren Fremdigkeit [Neuheit] willen. Ryff Sp. 45a.
Zſſtzg. entweder zur Verſtärkung des Begriffs oder
mit einem die Beziehung des Fremdſeins bezeichnenden
Bſtw., z. B.: Hēīmaths-: von der Heimath ent-
fernt: In ihrem h–en Pilgerwallen. WHumboldt Son. 28 ꝛc.
Lánd-: ſ. heimaths-f.: An einem l–en Orte. Hebel 3,
104; 8, 71; Auf l–en Wegen. Mörike N. 481; Ihn, l–en,
nacketen, ſchiffbrüchigen Mann. Schaidenraißer Vorr. 3a.
Méß-: Ein M–er. Pröhle J. 209 u. v.; ein Fremder,
der zur Meſſe fährt ꝛc. Stóck-: völlig fremd. Jahn
M. 51. ǖr-: ſtock-f. Keller gH. 2, 411. Vólk-
thums-: verſchiednen Nationalitäten angehörig. Jahn
M. 116. Wēīt-: ſehr fremd, wild-f. Schaidenraißer
56b. Wélt-: ſ. land-f. u. wild-f.: Zwiſchen dieſen
beiden w–en Menſchen. G. 23, 35; Unter w–en Menſchen
allein. 392; 16, 137; 18, 113; Aufnöthigung w–er For-
men. Wurm Spr. 42 ꝛc. [einer fremden, andern Welt an-
gehörig]. Wíld-: durchaus fremd, wohl Umdeu-
tung des vorigen: Jeder w–e unparteiiſche Mann. Claudius
4, 9; Gutzkow R. 3, 241; Das w–eſte Gemüth. Kompert
Pfl. 1. 127; Ein finſterer Asket, w. auf Erden. Lenau A.
96; Seume Sp. 334; Stilling 4, 166 ꝛc. Wúnder-:
wunderbar fremd: W. und doch bekannt kamen mir die
Leute vor. Keller gH. 1, 128; Fiſchart B. 55a ꝛc.