Fluss
Flúss, m., –es; Flüsse; Flüßchen, lein; -:
das Fließen (s. d.); etwas Fließendes; auch etwas leicht Fließendes und so das Fließen oder Schmelzen andrer Körper Beförderndes; etwas durch Fließen od. Schmelzen Entstandnes, — in einzelnen Fällen, nam.:
1) ein fließendes Wasser, doch gw. zum Untersch. von Bach (s. d., Anm.), ein größeres fließendes Wasser von beträchtlicher Breite (vgl. auch Strom): Quelle, Mündung, Fall, Ufer, Bett, Gebiet eines Flusses: Schiffbarer F.; Der F. theilt sich in mehrere Arme; Der F. fällt in einen andern F., ins Meer; Der gelbe, der blaue F. in China etc.; Die Quellen ergießen sich und werden Bäche; die Bäche fließen zusammen und werden Flüsse; die Flüsse stürzen zusammen und werden Ströme. Rh. 2, 153; Abgelenkt zum zweitenmale, wird der F. herbeigezogen, | mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen. 1, 203 etc. So z. B.: Küsten-F., der nach kurzem Lauf das Meer erreicht; Steppen-F., in einer Steppe fließend und im Sand oder in einem Morast endigend; Haupt-F. (versch. 5), Ggstz. Neben-F., der in jenen mündende: Entstürzte schäumend | abgrundwärts der Höhlen-F. fel Tr. 172; Höllen- F. (Mythol.), der Styr; Silber-F. [silberhell]. Hochz. 8 etc. — Zuw. auch von andern als „Wasserflüssen“ (s. 1, 593), z. B.: Zwischen neuen Erdschichten windet sich der Lavastrom im selbstgebildeten Bette zu einer Tiefe, in welcher ihm die Fallhöhe fehlt und der zähe F. in sich einen Haltpunkt findet. Gsch. 79; s. Flaser. — Eis-F. [Gletscher]. A. 1, 27; Das Licht .. netzt mit seinem Strahlen-F. | noch sanft des Abends Rand. Gd. 248; Waffen-F. [von blinkenden Gewehren marschierender Soldaten]. 25, 48, vgl. 1, 94 etc. (s. 4). —
2) Metallurgie etc.:
a) das Flüssigmachen, Schmelzen: Die Massen sind im F. 77b; Das giebt der zähen [Glocken-] Speise | erst einen vollen F. 1, 395; Metall in F. bringen. 2, 322; Den F. befördern etc. —
b) jede als Zusatz die Schmelzbarkeit von Erzen und erdigen Körpern erhöhende Substanz, vgl. Fluß-Spath: Weißer [s. 5 Mutter-F.], schwarzer, rother, schneller F.; Der Baumé’sche Schnell-F. etc., s. 1, 837; 3, 70 etc. —
c) ein geschmolzener oder durch Schmelzung erzeugter Körper: Den F. [das geschmolzne Eisen] durch den Stich in den Vorherd lassen; Den F. [das erkaltete geschmolzne Eisen] zerschlagen etc.; Daß die in den Laven .. enthaltenen Augiter .. nimmermehr aus dem Schmelz-F–e entstanden sein können. 483. So: Blei-F., krystallinisch angeschossnes Bleierz; Glas-F. (nach b Körper, die als Zusätze die Verglasung andrer befördern, Berg-F.), auch: ein zur Nach- ahmung von Edelsteinen dienendes Glas oder glasartiger Spath: Mainzer F., Straß (s. d.), farblos, die Grundlage der versch. Glaspasten: Feuererzeugnis ihrer Kalköfen .., eine Art Glas-F. ... Diese Klumpen werden in dünne Tafeln geschnitten und anstatt Lapis Lazuli angewendet. 23, 312 etc. — Nach den versch. Edelsteinen hat man z. B.: Amethyst-, Beryll-, Diamant-, Granat-, Hyacinth-, Rubin-, Saphir-, Smaragd-, Topas-F. etc. —
3) Seifensieder-F., Chlorkalium. — 4) das Fließen (s. d.), übertr. die leichte Beweglichkeit, im Ggstz. des Stockens (vgl. 2), das Hinschwinden, Verfließen, z. B. der Zeit etc.: Bemerkten wir in einem steten Traum | von Seligkeit den Fluß der Stunden kaum. 12, 198; Er fand .. erst Ruh und mit dem stillen F. der Jahre | zuletzt Zufriedenheit. 20, 219; Ein ins Unendliche sich fortentwickelndes und immer höher steigendes Leben in einem Z e i t - F–e, der kein Ende hat. 6, 362 etc. — Den F. (gw.: Ab-, Aus-F. etc.) des Wassers hemmen, befördern; Den F. der Metalle (2a) befördern; Etwas Stockendes in F. [in Gang] bringen; Dadurch kam die Unterhaltung wieder in F.; Im F. der Rede; Die euch .. durch ihrer Laune guten F. ergötzten. 6, 366; Von Zeit zu Zeit unterbrach der Fürst den Rede-F. des Magiers. Sch. 3, 166 etc. (s. 1, 387). Daher auch: Kartenspiel: eine ununterbrochne Reihe v. Blättern einer Farbe. — 5) Arzn.: Der weibliche F., Menstruation. 2, 49. — F., eine vielfach schwankende Bez. krankhafter Zustände, wobei Andrang von Säften an einer Stelle des Körpers wahrgenommen oder angenommen wird, ohne Zusatz nam. = Rheumatismus (s. d.): Spottet über F. im Zahn. 4, 87; Da setzte es Flüsse ab, der meinige fiel auf einen hohlen Zahn. Br. 2, 184; Laß die Güss’ | so lassen dich die Flüss’. Last. C. 2b; Der F. war ihrer fürstl. Gnaden so stark in den Schlung und Brust gefallen. 3, 129; Schickt er uns alle möglichen Flüsse u. Fieber an den Hals. 13, 157 etc. — Augen-F., Augentriefen, Epiphora etc. — Bauch-F., ruhrartiger Durchfall. — Blut-F., Hämorrhagia, ein starkes Bluten, z. B. aus der Nase, aus der Gebärmutter, aus den Adern des Mastdarms (Mastader-F.) etc., nam. auch: rothe Ruhr. — Eiter-F., auch: fließende Eiterbeule. — Gi cht- F., Rheumatismus in den Gelenken. — Harn-F., unwillkürlicher Abgang des Harns; Harnruhr. — Haupt-F. (versch. 1). 1, 219, Kopf- F., Rheumatismus im Kopf. — Lêber-F., Bauchfluß in Folge von Leberverstopfung. — Mastdarm- F., Hämorrhoiden, s. Blut-F. — Monats-F., Menstruation (s. o.). — Mutter-F., der weiße F., Ausfluß einer schleimigen Feuchtigkeit aus der Gebärmutter, Gonorrhoea mulierum, Samen-F. — Sálz-F., Haut- ausschlag, der, abtrocknend, eine weiße Rinde zurücklässt. — Sāmen-F., der beständige unwillkürliche Abfluß des Samens, Gonorrhoea, s. Tripper. — Schlag- F., Apoplerie, Schlag (s. d.). — Schleim-F., überreichliche Schleimausscheidung. — Speichel-F., widernatürlich reiche Absondrung von Speichel, zuweilen als Kur künstlich erregt. — Steck-. A. 2, 226, Stick-F., wobei der Kranke erstickt: Als das Haupt unserer Bande an einem nicht ganz natürlichen Steck-F. stacb [gehängt]. Pr. 1, 193.
Zsstzg. vielfach, s. 1; 2c; 4 und 5; außerdem mit Vorsilben, vgl. Zsstzg. von fließen, z. B.: Áb-: Ggstz. Zu-F.: Diesen Flüssen .. war ihr regelmäßiger A. wenigstens theilweise geblieben und bloß der Zufluß war vermehrt worden. Burmeister Gsch. 25; Ihr Verfall war nicht Quelle, sondern A., nicht Ursache, sondern Folge [des Lurus]. H.; Eine Öffnung .. gestattet der flüssigen Schlacke den nöthigen A. Karmarsch 1, 572; Er steigt und fällt, wie seine Fläche | Abflüsse niedern hier und steigern dort Zubäche. Rückert Br(s. 218; Der gehemmte A. des Geldes nach Rom. Sch. 880aetc., auch (Hüttenw.): beim Siebsetzen das durchs Sieb abfließende und noch weiter zu verwaschende Erz. Ferner: das Verfließen der Zeit: Jmmer nur auf einen Zeitraum eingegangen und können wir etwa nach dessen A. sie entbehren. Fichte 8, 156. —
Án-: das Anfließen des Wassers u. das dadurch Angeschwemmte, Angeflößte. —
Aūs-: das Ausfließen, der Ort desselben u. das Ausfließende, einem Gegenstand Entströmende: Am A. [an der Mündung] des Stroms; Ausflüsse aus Gott. H. Gott. 172; Aller Empfindungen Quell und aller Empfindungen A. Knebel 1, 10; Jene ununterbrochnen Ausflüsse des spanischen Geldes. Sch. 777a; Der Viole balsamischer A. Wackernagel 2, 702 Z. 28; Diese Aus- und Einflüsse aller Dinge auf jedes und jeden Dinges auf alle. W. 29, 148; Dem großen Ocean aller Gnaden etc. nahe genug, um reichliche Ausflüsse davon auf seine Freunde ableiten zu können. HorBr. 1, 72 etc. —
Dúrch-: das Hindurchfließen: Der D. des Rheins durch den Bodensee. —
Eīn-: s. Aus-F.: Man unterscheidet das Wasser des Rheins beim E. und dann noch eine ganze Strecke deutlich von dem des Bodensees etc. — Übertr.: Einwirkung, die Etwas auf eine Person, auf einen Gegenstand ausübt: E. auf Einen, auf seine Ansichten etc. haben; Viel E. haben, Viel gelten, durch seine Ansehn Viel wirken; Dieser Umstand hat, übt keinen E., ist nicht von E., ist ohne E. auf mein Urtheil; Unter Jemandes E. stehen; Seinen E. geltend machen, an Etwas strecken. Tieck A. 2, 124 etc.
Anm. Früher auch übertr. meist: E. in statt auf, z. B. 6, 453; 36, 26; 1, 6; 4, 1, 181; 4, 2, 406; 13, 149 etc. Jetzt öfters ein trans. Zeitw.: beeinflussen: Während die Starrheit des Barons die junge Frau nachtheilig beeinflußte. W. 3, 211; Die Richtungen der Zeit wiederzuspiegeln und zu b. Kaiserk. 2, 13; Jt. 2, 287 etc. Fórt-: In dem ununterbrochenen F. einer aus wirklichem Leben sich fortentwickelnden Ursprache. 7, 328; 8, 294; Dein F. .. von schwächeren zu schwächeren Geschlechtern. 16, 114; Wo scheint hier F., allmähliche Entwicklung? 13, 281. — Ūber-: ein überreicher Erguß, überströmendes Maß von Etwas, Überfülle, Unnöthiges, Ggstz.: Mangel: Ü. an, von Etwas haben. 5. 28, 11; 2, 24; Ü. [veralt.: unnöthigen Aufwand] treiben mit Etwas. 6, 4; Zum Ü. [was eigentl. nicht nöthig ist]. 13, 9; So diene euer Ü. ihrem Mangel. 2. 8, 14; 5, 9; Der Quell des Ü–es rauscht daneben. 13, 121; Wie .. wir vor euch uns mühen, wisst ihr wohl. | Darum scheint es ein Ü. .., unsern Kreis | aufs Neu euch zu empfehlen. 6, 360; Wechselhauch und Kuß | Liebes-Ü. 1, 192; Sie wußte sich in manche Bequemlichkeiten und Überflüsse anfänglich kaum zu finden. Lammf. 1, 56; Was der frohe Muth mich sprechen ließ im U. des Herzen [aus überfließendem Herzen]. — Um-: Verfluß einer Zeit, so daß sie um, vorüber ist: Nach U. von beinahe 2000 Jahren. Mor. 1, VIII; 52; 60; Nach U. der Frist. Schl. 27. — Ver-: das Verfließen einer Zeit, Um-F.: Die 6 Wochen, nach deren V. mein Herr den Marchese bezahlen sollte. 749a; Nach V. vieler tausend Jahre. 29, 176; 19, 302; 17, 44 etc. — Zū-: Ggstz. Ab-F.: Den Z. des Wassers hemmen; Die Zuflüsse des Rheins; Die Zuflüsse des Geldes; Der Z. der Auswandrer nach diesem Lande etc. — Zusámmen-: Koblenz liegt am Z. des Rheins und der Mosel; Der Menschen Z. Mak. 1, 88 U. a. m.
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