Faksimile 0479 | Seite 471
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Flügel
Flügel, m., –s; uv.; –chen, ein; -: 1) die Flug-
werkzeuge der Vögel wovon die meiſten ſprchw.
Wendungen ausgehn —, andrer fliegender Thiere und
allgm.: alles fliegend oder beſchwingt Vorgeſtellten:
F. des Adlers, der Taube, der Gans ꝛc.; Einen Gänſe-F.
eſſen; Die Ruder- F. ſind ſpitz auslaufend, die Segel-F.
vorn abgerundet ꝛc. F. der Bienen, Schmetterlinge, Käfer
ꝛc.; Vorder-, Hinter-; Ober-, Unter-; Deck-,
Horn-, Haut-F. bei den Inſekten; Den gelben Ober-
F–n eines Buttervogels. IP. 21, 104. Fledermaus-
F. G. 10, 166 (ſ. 2a). Drachen-, Schlangen-
F. ꝛc. Merkur-F.; Der mit gebreiteten Schulter-
F–n durch die Luft herwandelt. V. Myth. 1, 125; F. der
Engel, der Cherubim, Seraphim; Der Herr . . breitete ſeine
Fittige aus .. und trug ſie auf ſeinen F–n. 5. Moſ. 32,
11 ꝛc.; Der Wind mit ſeinen F–n. Hoſ. 4, 19; F. der Mor-
genröthe. Pſ. 139, 10 ꝛc.; Wonne weht mit weichem F. B.
72b; Des Geiſtes F–n. G. 11, 46; Auf den F–n der Ein-
bildungskraft hatte ſich Wilhelms Begierde erhoben. 16, 8;
Auf F–n des Geſanges, | Herzliebchen, trag’ ich dich fort.
Heine Lied. 117; Die Nacht ſchwang ihre feuchten F. Lichtwer
119; Wo dein [der Freude] ſanfter F. weilt. Sch. 19a; In-
deß Spiegelberg mit ausgeſpreiteten F–n zum Tempel des
Nachruhms emporfliegt. 108a ꝛc. Der Größe Adler-F.
2b; Trübſinn . ., der mit Eulen-F–n lauert. W. 20,
228; Der Schwermuth Raben-F. ſchattet. Schubart 2,
135; Mit deckenden ſchneeweißen Schwanen-F–n | ein
goldner Engel. W. 11, 252; Sturmwinds-F. 20, 92 ꝛc.
Sprchw.: Die Zeit hat F., eilt; Einem F. machen,
geben, leihen ꝛc., ihn eilen machen, beflügeln ꝛc. G. 1,
19; Sch. 26b; 555b; Einem die F. beſchneiden, ſeine
Kräfte beſchränken; Die F. wachſen ihm ſchon, er bekommt
F.; Man muß nicht höher fliegen, als man F. hat ꝛc.; Die
F. hängen, ſinken laſſen, niedergeſchlagen ſein ꝛc.; Jemand
unter ſeine F. [Schutz] nehmen; Sich unter Jemandes F.
begeben, flüchten; Von Jemandes F–n geſchützt, gedeckt ſein;
Sich die F. verbrennen, aus Leichtſinn Schaden leiden
(hergenommen von Inſekten, z. B. Mücken) u. ä. m.
Vgl. Fittig (1 und 2) und wie dies (3) auch bibl.
von den fliegenden Kleider-Enden. Ruth 3, 9 (vgl. nam.
F.-Kleid), und ſo auch: Einen beim F. erwiſchen, neh-
men ꝛc. = ihn packen, feſthalten; Wups! hatte ſie einen
deutſchen Maurer beim F. [gepackt, aufgegriffen]. Kürn-
berger Am. 200; Sprang .. auf, hob den Jungen an beiden
F–n [Armen] empor. Rank Haus 61 ꝛc. 2) außerdem
übertr. in einer Menge von Anwendungen mit Rück-
ſicht auf Ahnlichkeit in der Geſtalt (z. B.: Das Haar
in Tauben-F–n gepudert. König Jer. 1, 190 ꝛc.), der
Stellung, der Bewegung ꝛc.: a) Anat.: Lungen-F.,
die beiden Lappen oder Haupttheile der Lunge. W. 9,
36 ꝛc.; Naſen-F., die ausgebognen untern Seiten-
theile. Prutz W. 66; F. des Ohrs. Winckelmann 198a,
die obern Theile des Ohrläppchen; F. des Keilbeins, flü-
gelförmige Fortſätze desſelben, wovon der untre Gau-
men-F. heißt; Fledermaus-F., der Theil des breiten
Mutterbands zwiſchen Eierſtock und Trompete ꝛc.
b) Bauk.: die Nebengebäude an den beiden Enden
des Hauptgebäudes; auch die von der Mitte abſtehnden
beiden Seiten eines langen Gebäudes; ein der Haupt-
maſſe eines Gebäudes angehängter Theil; F. einer Kirche,
die Abſeiten; In einem Seiten-F. dieſes Schloſſes. G.
8, 30; 15, 6; 19, 203 ꝛc.; ähnlich auch: Zu beiden
Seiten des Pfades in der Senkung der Berg- F. Fallmerayer
Or. 2, 8 ꝛc. Auch die beweglichen Hälften von Thü-
ren, Thoren, Fenſtern: Die F. flogen klirrend auf. B.
15b; Die Thüren thaten ſich von ſelbſt auf, beide F. G. 10,
8; Der Thore weite F. Sch. 56b; Fenſter-F., vgl.
F.-Fenſter, -Thür. c) Bergb. (ſ. b): ſeitwärts
vom Stollen ins Hangende oder Liegende getriebne
Orter. d) Botan.: die Kronenblätter einer
Schmetterlingsblume zwiſchen Fahne und Schiff; aus-
gebreitete häutige Anſätze am Samen, der dadurch im
Winde fliegt ꝛc. e) Drechsl.: flügelförmiges Brett
an der Hohldocke der Drechſelbank. f) Feſtgsb.
(ſ. b): die vom Hauptwall oder den Außenwerken be-
ſtrichnen langen Seiten eines Horn- oder Kronwerks.
g) Fiſcher.: die Verlängrungen an den Seiten
eines Sacknetzes. h) Kriegsk.: die beiden äußer-
ſten Enden eines in Schlachtordnung aufgeſtellten
Heers, Ggſtz. Centrum (ſ. b): Der eine der beiden Rei-
ter-F. iſt ſtets Offenſiv-F. [Angriffs-F.], der andere
Defenſiv-F. [Vertheidigungs-F.]. Rüſtow grK.
361. i) Mühlenb.: an Windmühlen die den
Wind auffangenden und die Mühle in Bewegung
ſetzenden Theile. k) Muſ.: ein flügelförmiges Ton-
werkzeug, jetzt gw. ein ſolches Pianoforte: In Trillern
an dem F. Göckingk Lieb. 142; Hatte Nichts gelernt als ein
bischen Filet und den F. Sch. 190b ꝛc. 1) Pumpenb.:
die mit zwei Ringen an den Steckelkiel befeſtigten zum
Eintreiben desſelben in die Kolbenröhren dienenden
Theile. m) Schiff.: kleine Windfahne am Top
der Maſten; die äußerſten Schiffe einer in einer Linie
ſegelnden oder haltenden Flotte (ſ. h); Anker-F.:
Ankerhand, das Ende des Ankerarms. n) Spinner.:
F. der Spule, die bei der Umdrehung im Kreiſe fliegen.
o) Waſſerb.: Buhnen (ſ. d.), z. B. Rauſch-F.,
den Lauf des Stroms zu verſtärken und den Sand fort-
zuführen ꝛc. p) weidm.: die rechte oder linke Seite
eines Jagens und die dort befindlichen Leute (ſ. h);
auch: die von einem Ende des Walds bis zum andern
durchgehauenen Wege oder Durchhiebe, Alleen, ſo:
Abjagungs-, Kreuz-, Quer-, Stell-F. q)
Zoolog.: ſ. 1; auch die flügelförmig ausgebreitete
Lippe der deßhalb F.-Schnecken genannten Schnecken.
Anm. Vgl. die Anm. zu Flegel, Flucht, Flunkern.
Zſſtzg. ſ.o., außerdem z. B.: Kurz-, Lang-F. ꝛc.
ein Weſen (Vogel) mit kurzen, langen Flügeln; Breit-
F., eine Ordnung der Flügelſchnecken ꝛc.