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fluchtig
Flǘchtig, a.: 1) fliehend, auf der Flucht begriffen:
Das flücht’ge Ziel, das Hunde, Roß und Mann | auf ſeine
Fährte bannend nach ſich reißt, | der edle Hirſch. G. 13, 229;
Der Schuldner iſt f. geworden, um ſich den Gläubigern zu
entziehn; Ein f–er Knecht. V. Hor. 2, 195; Unſtät und f.
ſollſt du ſein auf Erden. 1. Moſ. 4, 12, raſtlos umher-
gejagt, nam. aber von Soldaten, und zwar von ſolchen,
die vor dem Feind nicht Stand halten: Jeſ. 15, 5; 16,
3; F. werden. 4. Moſ. 10, 35; veralt.: F. machen, in die
Flucht [ſ. d. 1b] ſchlagen. 5, 32, 30, wie auch von
Deſertierenden [ſ. Zſſtzg.], z. B.: Ein Verräther und
F–er des Vaterlands. Zinkgräf 1, 291, auch übertr.: All-
zeit vom Text der Schrift f. worden [nicht bei der Stange
geblieben]. Luther 1, 151b ꝛc. 2) raſch verfliegend,
dahinſchwindend, vergänglich: Liebe, die .. | das F–ezum
Dauernden erhebt. G. 13, 345; 6, 8; F–er als Wind und
Welle | iſt die Zeit. Was hält ſie auf? H.; Platen 2, 246;
Die F–keit unſrer Tage ꝛc.; nam. Chem.: durch Ein-
wirkung der Hitze leicht verfliegend, Ggſtz. fir, feuer-
beſtändig: F–e Salze, Alkalien, Ole; Die F–keit der äthe-
riſchen Öle, ſ. verflüchtigen. 3) ſich mit großer Ge-
ſchwindigkeit bewegend, gleichſam fliegend, ſchnell: Ent-
ſetzen, weil es [das Schickſal] zu f., ihm zu enteilen. Börne
1, 339; Ein f–es Pferd ꝛc.; Durch welche Zauberworte ban-
det | ihr ſeine [des Genius] F–keit? W. 11, 157 (1).
4) in der Flucht, im Fluge gemacht, im Ggſtz. einer
gründlichen, ſorgfältigen Bearbeitung u. Ausführung:
Eine f–e Zeichnung, Skizze; F–e Bemerkungen; Mir ſind
ſchon bei f–em Leſen viele Fehler aufgefallen; Der Aufſatz iſt
f. gearbeitet; Die F–keit der Zeichnung, der Arbeit ꝛc., auch
mit Mz.: Man bemerkt in ſeiner Schrift viele Flüchtigkeiten
[durch F–keit veranlaßte Fehler] ꝛc. 5) als Kunſt-
wort: a) Mal., Kupferſt.: in der Luft ſchwebend,
fliegend: F–e Gewänder ꝛc. b) Bergb.: mürbe,
brüchig: F–es Geſtein, Gezimmer. c) Weber.: F–e
[leichte] Zeuge. d) Rechtsſpr.: F–e Äcker, ſ. fliegen 4.
Zſſtzg. z.B.: Āūs-: veralt.: ausflüchtend: Dieſer
a–e Teufel. Luther 3, 73b; A–e Wege, Worte, Rede. 1,
78b; 407b; 5, 294b ꝛc. Bánner- [1]: deſertiert,
fahnen-f. ꝛc., ſ. Bundes-f. ꝛc. Búndes- [1]: bun-
desbrüchig (ſ. d. vor): Einen b–en Verräther. Sch. 351a.
Fāhnen-, Féld-, Hêêr-: deſertiert: Wohl die
Hälfte kam | aus fremdem Dienſt feld-f. uns herüber. Sch.
333b; Untreue, Feldflüchtigkeit. Keler gH. 4, 56, ſ. land-f.
und Feldflucht. Lánd-: vagabundierend, unſtet um-
herſchweifend: Daß ſie ſich bereits l. und am Bettelſtabe
wähnte. Lewald W. 3, 179; L–er Hoffnungen Zuflucht.
Rückert Mak. 1, 104 ꝛc. Ebenſo: Der zu Kaſn ſagte:
Wo iſt dein Bruder? .. [würde] ſie feldflüchtig und ihnen die
Welt zu enge machen. Luther 5, 9a. Trāb(e)-: flüch-
tig umhertrabend. Rückert Mak. 2, 32. Wélt-: ſ.
land-f.: Die w–en Juden und Zigeuner. Jahn M. 111.
Wétter-: vor dem Wetter fliehend, Schutz ſuchend:
W. und als Gaſt doppelt willkommen. König Kl. 2, 13 ꝛc.
W–e Luftſtöße. Jer. 2, 42 [flüchtig wie ein Wetter?].
Zū- [veralt.]: als Zuflucht: Z. ſucht ihn Reich und
Arm. Weckherlin (WMüller Bibl. 4, 164).