Faksimile 0467 | Seite 459
Faksimile 0467 | Seite 459
Fleisch
Flēīſch, n., –es; 0: 1) eig.: die Muskelſubſtanz
des thieriſchen Körpers, die weichen blutreichen Theile
zwiſchen Haut und Knochen, in weitrem Sinn auch
z. B. die Eingeweide umfaſſend, im engern mit Aus-
ſchluß derſelben, wie auch im Ggſtz. der nichtmuskulö-
ſen Theile, z. B. des Fettes ꝛc. Andrerſeits wird in
engrem Sinn der Ausdruck auf das F. der warmblüti-
gen Thiere, d. h. der Vögel u. Säugethiere beſchränkt
und während es im weitern Sinn z. B. heißt: Die
Fiſche haben meiſtens ein ſehr zartes F. ꝛc. (vgl. 2), ſo
doch im engern: Die Katholiken dürfen an Faſttagen Fiſche,
aber kein F. eſſen. Nicht Fiſch (ſ. d.), nicht F. ꝛc.
Von F. fallen, abmagern, Ggſtz.: Wieder zu F. kommen;
Feſtes, geſundes, kerniges F.; Wildes F. in einer Wunde;
Der Nagel iſt ins F. gewachſen; Ein Pfahl im F–e. L. 12,
165, vgl. 2. Kor. 12, 7 ꝛc. Vom F. als Nahrungs-
mittel: Friſches oder grünes, geräuchertes, gepökeltes, ein-
geſalznes, rohes, gekochtes, gebratnes, geſchmortes, gedämpf-
tes F. ꝛc., wo denn auch wohl alle Fleiſcherwaaren, wie
Geſchlinge, Würſte ꝛc. F. heißen. Oft im Ggſtz.
der Knochen, des Gerippes (ſ. d.): Ich bin ein Maler
aus Florenz und halte mich hier auf, um nach den toskaniſchen
Gerippen mich am venetianiſchen F–e zu weiden. Heinſe A.
1, 20; Es wird Mühe koſten, dieſes Gerippe mit F. und
Nerven zu bekleiden. L. 6, 286 ꝛc. So auch in den bil-
denden Künſten die Nachahmung des menſchlichen Flei-
ſches, in der Mal. nam. in Bezug auf das Kolorit.
Oft zur Bez. des Körpers, des Leibes, häufig in der
Zuſammenſtellung: F. und Bein (ſ. d. 1a); F. und Blut
(ſ. d. 6), im Ggſtz. zu Geiſt ſowohl als Geiſtern; leib-
hafte, lebende Geſchöpfe; Perſonen, nam. auch inſofern
ſie Einem blutsverwandt ſind: Der Geiſt iſt willig, aber
das F. iſt ſchwach. Matth. 26, 41; Das Wort ward F. Joh.
1, 14 (vgl. eingefleiſcht); Der allem F–e [allen Ge-
ſchöpfen| Speiſe giebt. Pſ. 136, 25; Das [Weib] iſt F.
von meinem [Adams] F. 1. Moſ. 2, 23; Wenn das F. von
meinem F–e [mein Kind] nicht | zu rächen ich, der Vater,
mich bezwungen. Chamiſſo 4, 137; Weil ich nicht will, daß
mein eigen F. und Blut mich über die Schulter anſehen ſoll.
Lewald W. 1, 31; So iſt dieſe Abart auch euer Sohn nicht
mehr, und wär er aus eurem F–e geſchnitten. Sch. 1 05a:
Den Weg alles F–es gehen [ſterben]. 120a; Glaubt ihr,
ein weiſer Mann ſei nicht von F. und Blut [habe keine Em-
pfindung ꝛc.]. W. 3, 40; Dem Höllenwurm in ſeinem F.
[ſeiner ſinnlichen Begierde] zu Trutz. 12, 99 u. v.
2) in erweitertem Sinn: die fleiſchähnlichen, feſten,
aber ſaftreichen Theile von Früchten und eßbaren Pflan-
zen: Das höchſt zarte, pikante F. der Frucht. Burmeiſter gB.
2, 289; Kirſchſteine, wovon ich das F. abgeſogen. Münchhau-
ſen 33; Das F. des Champignons.
Anm. Ahd. fleisc, mhd. vleisch, Abſtammung unſicher,
vgl. ſchwed. fläsk, Speck.
Zſſtzg. z. B.: „Wofür halten Sie mich?“ .. Für ein
Stück Weiber-F. in einen großen, großen Adelsbrief gewickelt.
Sch. 166a; ſo: Löwen-, Bären-F. ꝛc., und nam. in Be-
zug auf die gew. gegeßnen zahmen Thiere: Rind-, Kalb-,
Kuh-, Ochſen-, Schaf-, Hammel-, Schöpſen-, Lamm-, Schweine-,
Ziegen-, Bock-F., während es in den Küchen vom Wild
gw. „Braten“ heißt. Veralt. und mundartl. finden
ſich auch ſt. des Bſtw. Ew., wobei zuw. „Fleiſch“
fortbleibt: Allerlei Fleiſch, grün und geſalzen, fürnehmlich
ſchweinin. Stumpf 144b; Kuhfleiſch oder Schwynigs. Gott-
helf Sch. 84; Das feiſte ſchäffen Fleiſch. Schaidenraißer 40a;
A Lämmernes. Seydelmann 319; Vortreffliches Kälbernes.
Hackländer Sold. Kr. 114 ꝛc. Ferner nach dem Körper-
theil: Bauch-, Bruſt-F. ꝛc.; nach der Art der Zuberei-
tung oder der Benutzung: Brat-F. (zu bratendes oder
gebratenes, ſo z. B.: V. Th. 24, 135), Koch-, Pökel-,
Rauch- [geräuchertes], Schmor-, Sülz-, Suppen- [wovon
58*
Suppe gekocht wird], Wurſt-F. ꝛc., ferner nach Analogie
der folgenden: Es iſt ihr kein Nonnen-F. gewachſen, ſie
fühlt keinen Beruf zum Kloſterleben, verſchmäht die
Liebe nicht; Er iſt von Schelmen-F. gemacht, ein Schelm ꝛc.
ſ. Sitz-F., z. B.: Bérg- [2]: eine Art Asbeſt.
Kálb-: ſ. o., auch ſprchw. zur Bez. jugendlichen Un-
verſtands u. Muthwillens, vgl. kälbern: K., halb Fleiſch;
junge Leut, dumme Leut. Schottel 1133b; Zinkgräf 2, 21;
Ehe ihnen das K. vom Steiße abgekehrt worden. Weiſe (Palm
22). Kérn-: Ein tüchtiger, eingeturnter Knabe wird K.
haben, nicht maſtigen Schwamm. Jahn M. 299. Kírſch-
[2]: nam. auch ausgeſteinte, mit Zucker dick eingekochte
Kirſchen. Krōn-: bei den Fleiſchern das Zwerch-
fell. Míttel-: der Raum zwiſchen Zeugungsglied
und After, ſ. Damm 4. Sítz-: der Hintre: Einen
derben Stoß gegen das S. Lichtenberg 5, 371; nam.: S.
haben. Chamiſſo 5, 205 ꝛc., lange auf einer Stelle ſitzen
können, Ausdauer bei der Arbeit haben ꝛc. Sól-
per-: Pökelſchweinefleiſch (?). Börne 2, 459. Tél-
ler-: nicht ganz ausgekochtes Suppenfleiſch. Wéll-:
das den Schweinen an der Bruſt herunterhangende
Fleiſch. Monatsbl. 1, 435. Zāhn-: das die Zahn-
wurzeln umgebende Fleiſch, ſ. Biller u. ä. m.