Faksimile 0467 | Seite 459
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flehen
Flêhen, tr. und intr. (haben):
demüthig und inständig, dringend bitten: Zu bitten dacht’ ich; f–d siehst du nun | die Dringende: Du kannst, du wirst mich retten. G. 13, 313; Ich .. bitte nicht um mein Leben, | doch, willst du Gnade mir geben, | ich flehe dich um drei Tage Zeit. Sch. 62a etc.
1) Einen (zu Einem, vor Einem) um Etwas [als Das, worum es sich handelt, was man durchs F. erlangen will], für Einen oder für Etwas [dem das Erflehte zu Gute kommen soll] f. (vgl. an-f.); Jch slehe auch Gott für Israel, daß sie selig werden. Röm. 10, 1; Mose flehete vor dem Herrn. 2. Mos. 32, 11; Sie beten u. f. zu dir. 1. Kön. 8, 33; Ich muß um mein Recht f. Hiob 9, 15; Mein Vater, du sollst f.? | zu ihm? für mich? Got- ter 2, 239; Zum tauben Himmel fleht ihr glühend Angesicht. Sch. 33a; 76a etc. Ist das sachl. Obj. ein allgm. Fw., so wohl auch mit doppeltem Acc.: Dies flehe. ich dich. HvKleist Hinterl. 68 etc.
2) Einem f. (vgl. 1, z. B.: Nicht um Güter, die vergehen, | soll dich meine Seele f.,| nur um Demuth fleht sie dir. Schubart 2, 275) bibl. und in der gehobnen Rede: Ihm flehte der Kranke: | Doktor, helft mir! G. 5, 258; Flehet den Blitzen, ihn zu zerschmettern. Gotter 2, 348; H. 4, 148; Dem Troßknecht könnt’ ich | dem schlechtesten, der deiner Pferde pflegt, | gehängt am Halse, flehen: rette mich. HvKleist Hinterl. 62; Kl. Od. 2, 112; M. 6, 356; Mendelssohn 5, 643; Stolberg U. V. Il. 18, 449; Wir flehten dem Gott um Vorbedeutung. V. Od. 3, 173; 4, 651; 17, 502; 20, 97; Jl. 9, 581 ff.; 688; Als ich um meinen Hals | zum letzten Male dir mit heißen Thränen flehte. W. 10, 310; Dem langsamen Tode f., daß er sie .. befreien möge. 27, 30; 11, 45; Um nicht .. dem Volk um seine Freiheit | von Neuem flehn zu müssen. HBr. 1, 21 etc.
3) Etwas von Einem f. (vgl. er-f.): Sie flehten | Gunst und Frieden der Götter vor ihren geweihten Altären. B. 244b; Ich würde .. meine Vernichtung f. Geß- ner 1, 241; Mit gnade-f–der Gebärde. Gottschall G. 17; Hilfe-f–d. Gutzkow R. 9, 127; Beglückte Wiederkehr .. dadurch zu f. von der Götter Gunst. Sch. 28b; F–d zuvor von der Mutter Kalliope Feuer und Andacht. V. Ov. 2, 165.
4) das sachliche Obj. wird oft durch einen Satz mit „daß“ ausgedrückt, zuw. auch, wo sich Zweifel an dem Erfolg geltend machen, mit „ob“: Römer 1, 10; Daß ich den Göttern | flehte, ob mir einer den Weg anzeigte. V. Od. 12, 334 etc.
5) der subst. Inf. st. des außer den Zsstzg. ungw. Flehung (wie An-F. etc.): Merke auf die Stimme meines F–s. Ps. 86, 6 u. o. Mich neigt dein mächtig Seelen-F. G. 11, 23 etc. Veralt.: Ich bitt euch mit großer Fleh. Rosenplut (1450). Der Fleher. Bag- gesen 1, 201; Kosegarten Po. 1, 37; gw. der Flehende.
6) das Part. f–d oft mit der Endsilbe „lich“, wobei dann das d in t übergeht (Sanders Orth. 67): Flehentlich bitten; Eine flehentliche Bitte etc. Veralt.: Erhör mein flehlich Bitt. Waldis Ps. 143, 1; Luther 5, 68a etc.
Anm. Ahd. fléhón, nach Einigen aus goth. thláihan, kosen, mit zuw. vorkommendem Übergang desth in f., doch vgl. das veralt. be-f. = bejammern, bemitleiden (Opitz Ps. 119, 27; Schottel 622b etc.) und goth. flêkan, lat. plango, also wohl urspr.: kläglich jammernd bitten. Jn der Basler Bibel von 1523 noch als „ausländig“ erklärt durch „bitten, ernstlich begehren.“ S. fleien, Anm.
Zsstzg.: Áb-: Einem Etwas a.:
1) es flehend von ihm erlangen. Luther Br. 5, 279; Dich flehten | unsre ungestüinen Seufzer dem Himmel ab. W. 28, 4; Abzuflehen gedenkst du mir nun, was Trotz mir entwand nicht. 2) ein Unrecht flehentlich abbitten: Fleht tiefgebeugt ihr Alles ab, | was sie ihr Leids begunnt. Herder 8, 336. —Án-: Wir flehten um trinkbare Quellen, | Erde, dich an. Sch. 83a; V. 11, 35; Das flehen wir dich an. Kl. 1, 160 etc.; Auf alle meine Briefe, Bitten, Anflehungen. Merck’s Br. 1, 16. ūf-: empor-f.: Wenn wir unermüdet für ihn zu Gott a. Geßner 1, 195; Alxinger D. 117; V. Il. 7, 298 etc. Aūs-:
1) aufhören zu flehn.
2) sich Etwas flehend ausbitten: Nur für meinen Sohn da will ich Etwas a. IP. 54, 36. Be- [Anm.]. Empōr-: auf-f. B. 155a; V. Od. 20, 102. Er-: Etwas von Einem e., es flehend von ihm erlangen od. zu erlangen suchen; Einen e., flehnd erweichen: Kommt, den Unmensch zu e. Chamisso 3, 346; Hat vom Himmel Segen uns erfleht. G. 1, 190; Was sie flehte, sie von Gott erflehte [ward ihr gewährt]. Talvj 2, 37; Zum Schwäher | sollt’ ich, statt zu e., mit Gewalt erzwingen Erechtheus. V. Ov. 2, 3; W. 11, 157 etc. Verzweifelnd an meiner Liebe Zurückerflehung. Rückert Mak. 1, 151. Fórt-:
1) intr.: fortfahren zu flehen.
2) tr.: Die Schöne fleht mich fort. Platen 3, 264, treibt, drängt mich flehend fort. Herbēī-: flehend herbeirufen: Das Ende erfolgte, von der Armen ungeduldig herbeigefleht, im Spital. Palleske Sch. 1, 331. Hinán-: O du, dem ich von Jugend auf hinangefleht [zu dem ich emporgefleht]. G. 6, 305 etc. Zurück-: Ein verlorenes Herz fleh ich umsonst zurück. Gotter 2, 343, s. er-, fort-f. u. ä. m. nach Analogie.