Faksimile 0422 | Seite 414
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Fase Fasen Fäse
Fāſ~e, f.; –n; ~en, m., –s; uv.; Fäschen, lein:
Zaſer, Härchen, dünner Faden, z. B. die feinen Wür-
zelchen an der Wurzel einer Pflanze; die ſich von Zeug-
ſtoffen ablöſenden Fädchen; ſchwäb.: ein ſchmales Lein-
wandſtück an dem Ende des Gewebes, wo der Zettel
abgeſchnitten iſt u. ä. m.; Von den Faſen und Federn ..
in der Kinderſtube rein und ſchimmernd zu erhalten. König
Jer. 3, 312; Den Kiel .. zu Faſen ſtampfen. Göckingk 2,
38; Der mir als Knaben die Wurzel | aller Ungeduld aus-
riß, daß auch kein Fäschen zurückblieb. G. 5, 81. Vgl.:
Fǟſe, f.; –n: (Botan.) Zellenmoos. Oken 3, 182 ff.,
mit vielen Gattungen und Arten, ſ. Reg. 132.
Anm. 1) dazu: a) Fāſel, f.; –n, z. B.: Die Zweige
laſſen herfürgehn dünne F–n oder Ranken. Spate XI; auch
mit Uml.: Fäſeln an ſeine Kleider bekommen. Garzoni
564b. b) die gewöhnlichſte Form aber iſt: Fāſer, f.;
–n; Fäſerchen, lein, z. B.: Da ſollten ſich immer noch F–n
auf dem Rock und noch Staub auf den Stiefeln finden. G.
18, 206; Wie Wurzel-F–n ſchleicht ihr Fuß. 4, 26;
[Das] empört jegliche F. [Fiber] in mir. 1, 237; Wie die
geſunde F. dem Übel widerſteht. 30, 12; Wenn er Brot und
Wein und Fleiſch und Gemüs und die Fleiſchbrühe aufgezehrt
hatte bis auf den letzten Broſamen, F. und Tropfen. Hebel
3, 24; Die Entzaſerung aller der geheimen F–n und Zaſern,
welche das Gewebe . . . bilden. Immermann M. 1, 116;
Suchte ſein ganzes Kleid durch, klaubte alle Fäſerchen ab.
Miller Siegw. 334; Nur eine F. hielt ſie noch [die Nuß am
Zweig]. Pfeffel Po. 3, 34; W.15, 5; Jede F. recke ſich auf zum
Grimm. Sch. 110a; Sie vor jedem Staubfäſerchen zu
ſchützen. Sternberg Br. Märchen. 20; Keine F. an ihr, von
der ich nicht geliebt wurde. Zelter 1, 210; In der Anatomie
unterſcheidet man z. B. Arterien-, Band-, Horn-,
Knochen-, Muskel-, Nerven-, Sehnen-, Zell-
gewebe-F–n ꝛc.; in der Botanik z. B. Blatt-, Blu-
men-, Frucht-, Gröbs-, Samen-, Stengel-,
Wurzel-F–n, ſ. Oken. Nbnf. mit Uml.: Kleine Fäſer.
Brockes 9, 118; ferner: Putzte ihm noch alle Fiſerchen
von ſeinem .. Rocke. Auerbach D. 1, 217. c) dazu:
Fāſ(e)rig, a.: Faſern habend, ſich darin auflöſend: Der
natürliche Gips kommt in verſchiedenen Abänderungen vor,
als ſpäthig, f., körnig und dicht. Karmarſch 1, 18; Wegen
F–keit der innern Seite. 2, 221; Der lang-f–e, ſpinnbare
Baſt. 223; Strahlig-f–es Eiſen. 3, 351 ꝛc.; Der
mond-f–e [wie aus Mondſchein gewebte, dünne] Kerl. Will-
komm Sag. 1, 174 ꝛc. Zuw. auch ebenſo: Fāſig, z. B.:
F–es Fleiſch ꝛc. d) dazu das Zeitw.: Fāſern, tr.: in
Faſern auflöſen, ausziehn, und refl., intr. (haben): ſich darin
auflöſen, z. B.: Wehe aber, wer an dieſem Gottesbande
faſert und es in ſeidne Flocken auflöſet. H. R. 7, 105; Die
Schote faſert ſich bald nachher, wie die Hülſe der Judenkirſche.
Tieck Nov. 5, 79 ꝛc. Zſſtzg. z. B.: Áb-: Bohnen a., ab-
fädnen: Das Kleid iſt am Rande abgefaſert ꝛc. Āūf--
aufdröſeln ꝛc.: Das Blatt nicht von Blatt aufgefaſert [auf
dem Gemälde, bei den Bäumen, ſorgfältig von einander ge-
trennt]. Heinſe K. 1, 362. Āūs-: Der ausgefaſerten
Rückſeite jener alterthümlichen Hauteliſſe-Tapete. Stahr Par.
1, 237; Börne 1, 40. Ent-: Ein Mantel, ſo entfaſert,
abgefärbt und ausgenützt. W. 3, 3; Das graue Nebeltuch
begann ſich langſam in naſſe Fäden zu e. Keller gH. 4, 277.
Ver-, Zer-: Ein durch den ſtarken Gebrauch .. ganz
zerfaſert er Stoff. Börne 1, 259; In zerfaſert em Rocke. Rückert
Mak. 2, 233; Wie würde er jede Idee in ihre letzten Ele-
mente z.! Sch. 696b; Auerbach Leb. 1, 199; Zerfaſe-
rung. Dicht. 2, 175 ꝛc. Dazu überall die Nebenform:
Fāſen, Fāſeln, auch mit Uml., z. B.: Wenn man ein
abgetragenes Stück Menſchenleben ausfäſelt. König Leb.
1, 1, ꝛc., mundartl. auch: Fiſſeln, fuſſeln (mit zwei
weichen s), Funſeln, ſchwzr. Foßeln (Stalder 1, 395) ꝛc.
e) als Sammelwort auch: Gefāſer, n., –s; uv.:
außer dem fortwährenden Faſern auch: eine Geſammtheit
von Faſern: Die Tamariske ... trägt weder Nadeln noch
Blätter, ſondern ein grünes G., ſo zart und ſo geſchmeidig
wie Zwirngeflecht. Rochau (Mon. 2, 444a); Aus dem G.
der charakteriſtiſchſten Volksthümlichkeit geſponnen. Willkomm
Sag. 1, 26; Das weißlich glänzende G., das im Bauche
jedes Herings zu finden iſt. 286. Nbnf.: Ein dünnes
Gefä ſer. Rückert Nal. 179; Gefaſe(l) ꝛc. 2) für die
Abſtammung liegt die Zuſammenſtellung mit Faden (ſ. d.)
nahe, doch dürfte der Grundbegriff wohl der der Wurzel
faſſenden Pflanzenfaſer ſein (vgl. Faſel II). Das Wort ge-
hört dann mit Fächſer (ſ. d.), ebenſo wie Faden, zum Stamm
fahen (fangen und faſſen), vgl. Fetzen. Nach Grimm von
einem vorauszuſetzenden goth. Wurzelzeitw. fisan = zeugen,
vgl. mhd. visel, das männliche Glied, plattd. z. B. bullen-
pesel, ſ. Schütze Holſt. 1, 180 ꝛc.