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Fahne
Fāhne, f.; –n; Fähnchen, lein; –n-: 1) eigentl.
ein Tuch (ſ. Anm.), ſo noch bei den Tuchſcherern ein
Stück Tuch, das ſie zum Rauhen wieder vorwärts
ziehn, gw. aber jetzt nur das an einer Stange wehende
Tuch, wie es auf Schiffen ꝛc. weht (ſ. Flagge, Wim-
pel), oder einem Zuge als Zeichen der Zuſammengehö-
rigkeit ꝛc. vorgetragen wird (vgl. Banner, Standarte),
z. B.: Zünften und Innungen bei Feſtumzügen, Wall-
fahrern bei Proceſſionen ꝛc., nam. aber Soldaten, im
engern Sinn einer zuſammengehörigen Abtheilung
Soldaten, einer Kompagnie (ſ. 2) und übertr.: Wie
eine F. wehrlos ein edles Heer von Kriegern wehend anführt.
G. 9, 222; Die F. weht, fliegt, ſinkt. Sch. 7b; Auf des
Glaubens Sonnenberge | ſieht man ihre [der Freude] F.
wehn. 19b. Wenn man die Fähnlein fliegen läſſt [wenn’s
Kampf gilt], dann ſei keck. Zinkgräf 1, 88; Die rothe F.
läſſt er wehn . . ., | ſie fliegt voran der Bürgerwehr, ſie
fliegt voran dem Heere. Freiligrath Pol. 1, 71 [ſ. Blut-F.];
In fünf Minuten muß die weiße F. wehn [ſ. Stillſtands-
F.] W. 11, 243; Das Fähnlein auf den Maſtbaum aus-
ſtecken. Jeſ. 33, 23 (ſ. Flagge, Wimpel); Eine F. auf-
ſtecken, als Zeichen, dem der Zug folgen ſoll, auch
übertr.: Jch wollt’ andre F–n aufſtecken. G. Stein 1, 321
ꝛc.; Die alte Keckheit ſeines Geiſtes ſteckte in ihm wieder ſeine
F. auf. Gutzkow 11, 129 ꝛc.; Zur F. ſchwören; übertr.:
Wär’ ich gar nicht abgeneigt, auch zu deiner F. zu ſchwören.
G. 18, 213; Waldau Nat. 1, 163 ꝛc. [dir zu folgen];
Es ſei denn, daß zu meiner F. ſie gehört. Prutz Woch. 94;
Der F., der Lügen-F. [des falſchen Kaiſers, G. 12,
242] folgen; Sich bei der F. einſtellen, einfinden; Von der
F. verlaufen; Sich unter einer F. eindienen (Lichtenberg 3,
67); Mit fliegenden F–n und klingendem Spiel (Hebel 3,
318; Sch. 1082a ꝛc.); Die F. ſchwingen, ſchwenken; Vor
der ſich ſenken alle F–n [huldigend]. Freiligrath Garb. 42 ꝛc.
Ferner: Da begann Herr Hagen die Burgen und das
Land | mit F–en auszuleihen. Simrock Gudr. 189 [ſ. F–n-
Lehen, Blut-F. und Lehen-F.]. 2) (ſ. 1) = Kom-
pagnie Soldaten: Als etliche F–n Volks durch ein Dorf
zogen. Zinkgräf 2, 69; Sieben Fähnlein. G. 9, 118; Sech-
zig Fähnlein erlesnes Volk. Sch. 359a; 457b, ſ. Renn-F.
Ferner übertr.: etwas der Geſtalt oder dem Flat-
tern nach F–n-Ahnliches, ſo nam.: 3) das fahnen-
ähnliche Blech an einer Stange auf Dächern, deſſen
Drehung die Richtung des Windes anzeigt: Kirch-,
Thurm-, Wetter-, Wind-F. ꝛc. 4) an Federn der Vögel
der weiche Theil zu beiden Seiten des Kiels. 5) bei
Schenkwirthen die durch Querſtriche an einem langen
wagerechten Strich auf einer Tafel mit Kreide bezeich-
nete Zeche: Eine F. Bier; Bier-, Wein-, Trink-, Zech-,
Spiel-, Kreide-F. Spate. Bei Spielen, wo die Quer-
ſtriche auf beiden Seiten des wagerechten Strichs ſtehn,
gw. nach der Ahnlichkeit „Kamm“ genannt. 6) die
hangende Halswamme beim Rindvieh. Schmeller.
7) Flitterſtaat (ſ. Schmeller): Doch mancher Dorn nimmt
ſie aufs Korn, | und zerrt an ihren F–n, | viel bunte Flit-
tern flattern fort. Simrock (Echtermeyer 88), vgl. Fittig 3.
8) ein Zeichen in Manuſkripten (F), wodurch etwas
Ausgelaſſnes und auf den Rand Geſchriebnes an die
gehörige Stelle gewieſen wird. 9) Bot.: das oberſte
Blatt einer Schmetterlingsblume. 10) Buchdr.:
eine nicht in Kolumnen geordnete abgezogne Korrek-
tur: Etwas in F–n abziehn, ſtückweiſe, ehe der Satz zum
Bogen zuſammengeſtellt und geordnet iſt; ſ. auch 8.
11) weidm.: a) der Schwanz des Haſen und
Eichhorns. b) ein kleines Garn an einer Stange
zum Lerchenfang. Döbel 2, 211. 12) Zool.:
a) mehrere Arten von Blaſenſchnecken, z. B.: See-
oder Staaten-F., Bulla physis; Prinzen-F., B. virgi-
nea ꝛc. b) Die ſpaniſche F., ein dem Bären ähnlicher
Schmetterling, Bombyx plantaginis. Oken 5, 1359.
Anm. Goth. fana, Tuch, ſo auch ahd. vano (masc.),
Fahne und Tuch, in Zſſtzg. wie tisch-, hand-vano ꝛc. (Graff
3, 521), dem lat. pannus entſprechend. Vgl.: Handſchuh,
Handfahnen, Tapezereien. Fiſchart B. 55a, und frz.
drap, Tuch, drapeau, Fahne ꝛc. Das m. noch: Alle
Heiligen, darunter S. Jörg den F–n führ. 50a; Der F–n
war weiß und ſchwarz .. . Du haſt einen langen Spieß und
ein großen F–n daran. Berlichingen 37; 39; Er hat einen
F–n auf’m Hut wehen. Kurz Sonn. 111; Zinkgräf 2, 61 ꝛc.,
ſ. Schmeller 1, 532 ff. Auch als n.: Der das erhaltne
Fahn mit ſeinem Blute malte. Haller 105. In den Fort-
bild. wird öfter ein „d“ eingeſchoben; Fähndlin. Fiſchart B.
17a; Stalder 1, 350, wo auch noch: „Fähndeln, fähn-
derln, tr. u. intr. (ſein), ein Fähnchen ſchwingen; hin und
her flattern, ausfliegen“ erwähnt iſt. S. nam. Fähnrich.
Der Landfähn(d)ler, Landwehrmann. Schmeller 1, 533 ꝛc.
Zſſtzg. unerſchöpflich, nam. zu [1], was wir un-
bezeichnet laſſen, leicht zu mehren und zu verſtehn nach
den folgenden: Ādler-: mit dem Adler als Wap-
pen darin. Freiligrath Ca ira 38; Weichmann 3, 48.
Āūßen- [4]: Lenz Nat. 2, 62; 97 ꝛc., Ggſtz.: Bin-
nen- oder Innen-F. an der Feder. Blūt-: 1) blut-
rothe Fahne, z. B. die, womit der Blutbann zum
Lehen gegeben wurde; ferner Schlacht-F. Gleim 4, 72ꝛc.
2) [2] Bezeichnung der vorderſten, zuerſt auf den
Feind anrückenden Truppen, die beſonders dem Blut-
bad preisgegeben ſind. Fronsperg Kriegsb. 1, 48; Kirchhof
Mil. 152; 154 ꝛc. Dách- [3]. Dórf(s)-: bei
Kreuzgängen aus einem Dorf ins andre gebraucht.
Schmeller. Fēūer-: als Zeichen eines Brands aus-
geſteckt. Frīēdens-: ſ. Stillſtands-F. Fǖh-
rer-: Heine Rom. 80. Gílden-: einer Gilde bei
ihrem Umzug vorgetragen. Góttes-: vgl. Lehen-
F.: Der bisherige Gottes- und Prieſterfriede machte dem
Königsbanne Raum und die Reichs-F. wehete da, wo vorhin
die G. geſtanden hatte. Möſer Osn. 1, 227. Hánd-:
[Anm.]. Hándwerks-: Gilden-F. Hāūpt-,
Hêêr-: dem ganzen Heere voran getragen. Hóff-
nungs-: Hoffnung erweckende Fahne: Alles wimmelt
der altbekannten H. zu. Sch. 380b. Jnnen-: ſ.
Außen-F. Innungs-: Gilden-F. Kírch(en)-:
1) [1] bei Proceſſionen. 2) ſ. Gottes-F. 3) [3]
Wetterfahne des Kirchthurms, Kirchthurm-F.
Kírchtag-, Kírchweih-, Kírmes-: bei der
Kirchweih vom Thurm ausgehängt. Kȫnigs-:
Streckfuß Rol. 10, 78; vgl. Gottes-F. Krēūz-: ſ.
Adler-F., nam. Fahne der Kreuzfahrer. Krīēgs-:
Freiligrath 1, 137. Lánd-: z. B. Fahne der Land-
wehr. Láng-: ſcherzh. Bez. des Koventbiers, weil
es bei den Wirthen lange Fahnen [5] auf der Rech-
nung bildet. Lêhen-: womit ein Lehen verliehen
wurde; Daß er die Hand an den Lehnfahnen [Anm.] legte,
als man dem neuen Lehnempfaher das Herzogthum auftruge.
Fiſchart B. 138b, ſ. Blut-F. und Fahnenlehn.
Lēīd-: Trauer-F. Lǖgen-: ſ. [1]. Män-
ner-: bei Proceſſionen, Ggſtz. Weiber-F. Márkt-:
während des Markts ausgehängt; an manchen Orten
eine Fahne, nach deren Wegnahme die Vorkäufer erſt
ihren Einkauf auf dem Markt beginnen dürfen.
Prínzen- [1 und 12a]. Rēīchs-. Berlichingen 37;
39; ſ. Gottes-F. Rēīter-: Zinkgräf 1, 209.
Rénn-: im ältern Kriegsweſen die den Sturm ren-
nenden Soldaten vorgetragene: Das Rennfähnlein vor
dem verlornen Haufen. Fronsperger Kriegsr. 19b; Die Haken-
ſchützen mit ihrem Rennfähnlein. WBarthold (Mager Leſeb. 2,
158), ſ. ferner Friſch 2, 119c. Schíffs-: gw.
Flagge, Wimpel. Schlácht-. Sēe- [12a].
Sīēges-: Sieg verkündende Fahne, Fahne des Sie-
gers: Geſellſchaft, die ſich unter der S. Chriſti verſam-
melte. G. 22, 229. Stāāten- [1; 12a].
Stíllſtands-: durch deren Aushängen man Still-
ſtand des Gefechts begehrt: Als Parlementär mit einer
weißen St. und einem Trompeter. Stahr Rep. 3, 71.
Stúrm-: ſ. Renn-F. Berlichingen 37. Thúrm-:
1) [3]. 2) vom Thurm herabwehnde Fahne.
Trāūer-: einem Trauerzuge vorangetragen.
Wēīber-: ſ. Männer-F. Wélt-: Zeichen kos-
mopolitiſcher Verbrüderung. Freiligrath Garb. 135.
Wétter- [3]: Wind-F., auch übertr.: Wer über
W–n herrſcht, muß auch dem Winde zu gebieten wiſſen.
Alexis H. 2, 3, 253; Wetterfahne du! es ſollen | die Män-
ner nicht zu deinen Poſſen dienen. G. 8, 26 ꝛc., ſ. wetter-
wendiſch. Wind- [3]: Wetter-F. Chamiſo 3, 134;
G. 11, 190 ꝛc. Zúnft-: Gilden-F.