Faksimile 0396 | Seite 388
Faksimile 0396 | Seite 388
Faksimile 0396 | Seite 388
Fahne
Fāhne, f.; –n; Fähnchen, lein; –n-:
1) eigentl. ein Tuch (s. Anm.), so noch bei den Tuchscherern ein Stück Tuch, das sie zum Rauhen wieder vorwärts ziehn, gw. aber jetzt nur das an einer Stange wehende Tuch, wie es auf Schiffen etc. weht (s. Flagge, Wimpel), oder einem Zuge als Zeichen der Zusammengehörigkeit etc. vorgetragen wird (vgl. Banner, Standarte), z. B.: Zünften und Innungen bei Festumzügen, Wallfahrern bei Processionen etc., nam. aber Soldaten, im engern Sinn einer zusammengehörigen Abtheilung Soldaten, einer Kompagnie (s. 2) und übertr.: Wie eine F. wehrlos ein edles Heer von Kriegern wehend anführt. G. 9, 222; Die F. weht, fliegt, sinkt. Sch. 7b; Auf des Glaubens Sonnenberge | sieht man ihre [der Freude] F. wehn. 19b. Wenn man die Fähnlein fliegen lässt [wenn’s Kampf gilt], dann sei keck. Zinkgräf 1, 88; Die rothe F. lässt er wehn . . ., | sie fliegt voran der Bürgerwehr, sie fliegt voran dem Heere. Freiligrath Pol. 1, 71 [s. Blut-F.]; In fünf Minuten muß die weiße F. wehn [s. Stillstands- F.] W. 11, 243; Das Fähnlein auf den Mastbaum ausstecken. Jes. 33, 23 (s. Flagge, Wimpel); Eine F. aufstecken, als Zeichen, dem der Zug folgen soll, auch übertr.: Jch wollt’ andre F–n aufstecken. G. Stein 1, 321 etc.; Die alte Keckheit seines Geistes steckte in ihm wieder seine F. auf. Gutzkow 11, 129 etc.; Zur F. schwören; übertr.: Wär’ ich gar nicht abgeneigt, auch zu deiner F. zu schwören. G. 18, 213; Waldau Nat. 1, 163 etc. [dir zu folgen]; Es sei denn, daß zu meiner F. sie gehört. Prutz Woch. 94; Der F., der Lügen-F. [des falschen Kaisers, G. 12, 242] folgen; Sich bei der F. einstellen, einfinden; Von der F. verlaufen; Sich unter einer F. eindienen (Lichtenberg 3, 67); Mit fliegenden F–n und klingendem Spiel (Hebel 3, 318; Sch. 1082a etc.); Die F. schwingen, schwenken; Vor der sich senken alle F–n [huldigend]. Freiligrath Garb. 42 etc. Ferner: Da begann Herr Hagen die Burgen und das Land | mit F–en auszuleihen. Simrock Gudr. 189 [s. F–n- Lehen, Blut-F. und Lehen-F.]. 2) (s. 1) = Kompagnie Soldaten: Als etliche F–n Volks durch ein Dorf zogen. Zinkgräf 2, 69; Sieben Fähnlein. G. 9, 118; Sechzig Fähnlein erlesnes Volk. Sch. 359a; 457b, s. Renn-F. Ferner übertr.: etwas der Gestalt oder dem Flattern nach F–n-Ahnliches, so nam.: 3) das fahnen- ähnliche Blech an einer Stange auf Dächern, dessen Drehung die Richtung des Windes anzeigt: Kirch-, Thurm-, Wetter-, Wind-F. etc. 4) an Federn der Vögel der weiche Theil zu beiden Seiten des Kiels. 5) bei Schenkwirthen die durch Querstriche an einem langen wagerechten Strich auf einer Tafel mit Kreide bezeichnete Zeche: Eine F. Bier; Bier-, Wein-, Trink-, Zech-, Spiel-, Kreide-F. Spate. Bei Spielen, wo die Querstriche auf beiden Seiten des wagerechten Strichs stehn, gw. nach der Ahnlichkeit „Kamm“ genannt. 6) die hangende Halswamme beim Rindvieh. Schmeller. 7) Flitterstaat (s. Schmeller): Doch mancher Dorn nimmt sie aufs Korn, | und zerrt an ihren F–n, | viel bunte Flittern flattern fort. Simrock (Echtermeyer 88), vgl. Fittig 3. 8) ein Zeichen in Manuskripten (F), wodurch etwas Ausgelassnes und auf den Rand Geschriebnes an die gehörige Stelle gewiesen wird. 9) Bot.: das oberste Blatt einer Schmetterlingsblume. 10) Buchdr.: eine nicht in Kolumnen geordnete abgezogne Korrektur: Etwas in F–n abziehn, stückweise, ehe der Satz zum Bogen zusammengestellt und geordnet ist; s. auch 8. 11) weidm.:
a) der Schwanz des Hasen und Eichhorns.
b) ein kleines Garn an einer Stange zum Lerchenfang. Döbel 2, 211. 12) Zool.:
a) mehrere Arten von Blasenschnecken, z. B.: See- oder Staaten-F., Bulla physis; Prinzen-F., B. virginea etc.
b) Die spanische F., ein dem Bären ähnlicher Schmetterling, Bombyx plantaginis. Oken 5, 1359.
Anm. Goth. fana, Tuch, so auch ahd. vano (masc.), Fahne und Tuch, in Zsstzg. wie tisch-, hand-vano etc. (Graff 3, 521), dem lat. pannus entsprechend. Vgl.: Handschuh, Handfahnen, Tapezereien. Fischart B. 55a, und frz. drap, Tuch, drapeau, Fahne etc. Das m. noch: Alle Heiligen, darunter S. Jörg den F–n führ. 50a; Der F–n war weiß und schwarz ... Du hast einen langen Spieß und ein großen F–n daran. Berlichingen 37; 39; Er hat einen F–n auf’m Hut wehen. Kurz Sonn. 111; Zinkgräf 2, 61 etc., s. Schmeller 1, 532 ff. Auch als n.: Der das erhaltne Fahn mit seinem Blute malte. Haller 105. In den Fortbild. wird öfter ein „d“ eingeschoben; Fähndlin. Fischart B. 17a; Stalder 1, 350, wo auch noch: „Fähndeln, fähnderln, tr. u. intr. (sein), ein Fähnchen schwingen; hin und her flattern, ausfliegen“ erwähnt ist. S. nam. Fähnrich. Der Landfähn(d)ler, Landwehrmann. Schmeller 1, 533 etc.
Zsstzg. unerschöpflich, nam. zu [1], was wir unbezeichnet lassen, leicht zu mehren und zu verstehn nach den folgenden: Ādler-: mit dem Adler als Wappen darin. Freiligrath Ca ira 38; Weichmann 3, 48. Āūßen- [4]: Lenz Nat. 2, 62; 97 etc., Ggstz.: Binnen- oder Innen-F. an der Feder.
Blūt-:
1) blutrothe Fahne, z. B. die, womit der Blutbann zum Lehen gegeben wurde; ferner Schlacht-F. Gleim 4, 72etc.
2) [2] Bezeichnung der vordersten, zuerst auf den Feind anrückenden Truppen, die besonders dem Blutbad preisgegeben sind. Fronsperg Kriegsb. 1, 48; Kirchhof Mil. 152; 154 etc. Dách- [3]. Dórf(s)-: bei Kreuzgängen aus einem Dorf ins andre gebraucht. Schmeller. Fēūer-: als Zeichen eines Brands ausgesteckt. Frīēdens-: s. Stillstands-F. Fǖhrer-: Heine Rom. 80. Gílden-: einer Gilde bei ihrem Umzug vorgetragen. Góttes-: vgl. Lehen- F.: Der bisherige Gottes- und Priesterfriede machte dem Königsbanne Raum und die Reichs-F. wehete da, wo vorhin die G. gestanden hatte. Möser Osn. 1, 227. Hánd-: [Anm.]. Hándwerks-: Gilden-F. Hāūpt-, Hêêr-: dem ganzen Heere voran getragen. Hóffnungs-: Hoffnung erweckende Fahne: Alles wimmelt der altbekannten H. zu. Sch. 380b. Jnnen-: s. Außen-F. Innungs-: Gilden-F. Kírch(en)-:
1) [1] bei Processionen. 2) s. Gottes-F. 3) [3] Wetterfahne des Kirchthurms, Kirchthurm-F. Kírchtag-, Kírchweih-, Kírmes-: bei der Kirchweih vom Thurm ausgehängt. Kȫnigs-: Streckfuß Rol. 10, 78; vgl. Gottes-F. Krēūz-: s. Adler-F., nam. Fahne der Kreuzfahrer. Krīēgs-: Freiligrath 1, 137. Lánd-: z. B. Fahne der Landwehr. Láng-: scherzh. Bez. des Koventbiers, weil es bei den Wirthen lange Fahnen [5] auf der Rechnung bildet. Lêhen-: womit ein Lehen verliehen wurde; Daß er die Hand an den Lehnfahnen [Anm.] legte, als man dem neuen Lehnempfaher das Herzogthum auftruge. Fischart B. 138b, s. Blut-F. und Fahnenlehn. Lēīd-: Trauer-F. Lǖgen-: s. [1]. Männer-: bei Processionen, Ggstz. Weiber-F. Márkt-: während des Markts ausgehängt; an manchen Orten eine Fahne, nach deren Wegnahme die Vorkäufer erst ihren Einkauf auf dem Markt beginnen dürfen. Prínzen- [1 und 12a]. Rēīchs-. Berlichingen 37; 39; s. Gottes-F. Rēīter-: Zinkgräf 1, 209. Rénn-: im ältern Kriegswesen die den Sturm rennenden Soldaten vorgetragene: Das Rennfähnlein vor dem verlornen Haufen. Fronsperger Kriegsr. 19b; Die Hakenschützen mit ihrem Rennfähnlein. WBarthold (Mager Leseb. 2, 158), s. ferner Frisch 2, 119c. Schíffs-: gw. Flagge, Wimpel. Schlácht-. Sēe- [12a]. Sīēges-: Sieg verkündende Fahne, Fahne des Siegers: Gesellschaft, die sich unter der S. Christi versammelte. G. 22, 229. Stāāten- [1; 12a]. Stíllstands-: durch deren Aushängen man Stillstand des Gefechts begehrt: Als Parlementär mit einer weißen St. und einem Trompeter. Stahr Rep. 3, 71. Stúrm-: s. Renn-F. Berlichingen 37. Thúrm-:
1) [3].
2) vom Thurm herabwehnde Fahne. Trāūer-: einem Trauerzuge vorangetragen. Wēīber-: s. Männer-F. Wélt-: Zeichen kosmopolitischer Verbrüderung. Freiligrath Garb. 135. Wétter- [3]: Wind-F., auch übertr.: Wer über W–n herrscht, muß auch dem Winde zu gebieten wissen. Alexis H. 2, 3, 253; Wetterfahne du! es sollen | die Männer nicht zu deinen Possen dienen. G. 8, 26 etc., s. wetterwendisch. Wind- [3]: Wetter-F. Chamiso 3, 134; G. 11, 190 etc. Zúnft-: Gilden-F.