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Faden
I. Fāden, m., –s; uv., Fäden; Fädchen, (e)lein; -:
ein dünner, lang ausgezogner Körper, wie er nam. zum Binden und Umwinden, zum Nähen und zu Geweben dient:
1) eig., wie Draht (s. d. 1), die durch das Spinnen zusammengedrehten Härchen des Flachses, Hanfes, der Baumwolle, Wolle, Seide etc., auch ein fein ausgesponnener Metalldraht etc.: Die Stricke .. wurden wie F., die das Feuer versengt hat. Richt. 15, 14; Schnitt das Gold zu F., daß man es künstlich wirken konnte. 2. Mos. 39, 3; Ein Fädchen Seide. Börne 2, 142; Trille, Rädchen, lang und fein, | trille fein ein Fädelein. B. 29b; Webermeisterstück, | wo ein Tritt tausend Fäden regt. G. 11, 78; Wie der F. einmal gesponnen ist, wird er geweift und verwoben. 35, 41; Mit Zwirnsfäden angebunden. 9,256; Während der Schneider seine Fäden wichste. Gutzkow R. 5, 140; Wenn er .. an seinen Webstuhl saß und das Schifflein und die Fäden durch den Zettel schoß, wenn ein F. entzweibrach. Hebel 3, 210; Baumwollenfäden. Kohl Engl. 2, 250; 263; Die stillen Fädelein vom Rocken. Rückert 2, 118; Mit den Wollen-, Seiden- und Gold-Fäden auszufüllen. Stahr Par. 1, 253 etc.; Heft-F., womit Etwas geheftet, d. h. mit weiten Stichen (verloren) angenäht wird: Den (od. zu) F. schlagen, bei den Schneidern = anschlagen (s. d.); Schuß-, Einschuß-, Einschlag-, Ketten-F. etc.
2) natürlich gilt F. auch von dem Gewebe spinnender Thiere, wie der Spinnen, Seidenwürmer etc.: Kreuzspinne, die recht dünne Fäden zieht, aber desto zähere. G. 9, 201 etc., auch übertr.: Ihr habt so recht eure Fäden um mich gesponnen. Gutzkow R. 8, 365; Zarte Fäden, in denen dein Herz sich einzuspinnen liebt. 6, 41; Sie umspinnen mich immer von Neuem mit ihren weichen Fäden, wenn ich auch noch so viele durchgebissen, um zu euch zu fliegen. IP. HV. 52; Bist du die Seidenraupe, weil du sachte | mit feinen starken Fäden mich umspinnest? Platen 2, 18 etc.
3) alles dünn und lang Gestreckte, Fadenförmige, so: die Fasern u. Härchen, die man v. Pflanzen etc. abzieht etc.: Wer hat an seidnen Fäden | dort ein Knöspchen gehängt [der Haferpflanze]? Echtermeyer 371; Noch so fern, daß die Flüsse wie glänzende Fäden schlängeln. Forster Sak. 165; Läuft ein silbernes Fädchen Wasser. Ans. 3, 143; Bohnen der Schwänzchen und Fädchen zu entledigen. Keller gH. 2, 109 etc., ferner die Längsfasern im Holz, Fleisch etc.: Nach dem F. schneiden, hauen etc. Ferner:
a) weidm.: in der Fährt des Hirsches ein kleines Strichlein zwischen den Schalen. Döbel 10a.
b) Wappenk.: ein schmaler Schrägbalken und überh. jede Heroldsfigur unter der Hälfte der gw. Breite.
c) Bot.: manche fadenförmige Pflanzen: Algen oder Wasserfäden. Burmeister Gsch. 355, wovon es viele Arten giebt, z. B.: Borsten-, Bruch-, Fächer-, Glied-, Jgel-, Keil-, Knospen-, Knoten-, Leder-, Leiter-, Meer-, Nagel-, Netz-, Röhren-, See-, Spindel-, Splitter-, Spring-, Stern-, Stiel-, Zuck-F. etc.
d) Zoolog.: Einzelne der Zsstzg. in c bez. auch Thiere, z. B. Meer- od. See-F. außer Fucus filum auch die Kammpolypen (Tubularia) etc., vgl. Fädemli, schwzr. Bez. für einen kleinen Vogel, den Girlitz (s. d. und vgl. Hirngrille). Tschudi Th. s9; Pictorius; Stalder etc.
4) F. findet sich übertr. in vielen Ra., die sich theils auf das Winzige des Fadens, theils auf das geläufige Bild des An- und Fortspinnens (s. d.) und des Webens beziehn, theils auf Mythologisches u. A. anspielen:
a) mit der Verneinung: Kein F. = Nichts, nicht das Geringste: Von Allem, was dein ist, nicht einen F. nehmen. 1. Mos. 14, 23; Hebel 4, 19; Es ist kein guter F. [Haar] an ihm; Der Kritiker lässt nicht einen guten F. an dem Buch; Kein Faden war an allen Tänzern trocken. W. 20, 124; 11, 172; L. 13, 364 etc. Vgl.: Fadennackt. Da beißt kein’ Maus kein F. davon. Auerbach D. 1, 51; vHorn rhD. 2, 265; Spindler Stadt 1, 8 etc. = Das steht fest. So auch: Daß sein Leben nur an einem F. [Haar] hing. Hebel 4, 98 [= in der größten Gefahr schwebte]; Mein Ganzes hängt an einem zarten F. G. 13, 269, vgl.: Drauf ward er .. über einer Kluft an F. aufgehangen. Hagedorn 2, 12, u. Damokles-Schwert.
b) Atropos, den F. abschneidend. G. 6, 373; Der F. seines Schicksals hatte sich so sonderbar verworren etc. 16, 289; Ein Gram, der .. an meinem Innern nagt, kürzt ihren F. ab. Gotter 2, 12; Dürft’ ich mir mein .. Leben | aus lauter goldnen F. weben. Pfeffel Po. 3, 4; Der Parcen jüngste .., die Aller Lebens-F. spinnt etc. G. 6, 368; Daß sein Lebens- F. sehr schlapp und die Schere der Parce desto schärfer ist. Heine Lut. 1, 251; Was Natur bedarf, den Lebens-F. fortzuspinnen. W. 20, 205 etc.
c) An dem von uns gezogenen F. das Labyrinth durchlaufen. G. 39, 263; Wenigen Aus- erwählten reicht er den F. der Ariadne. Heinse A. 2, 101; So haben wir .. den F. gefunden, der uns durch das ganze Labyrinth der Ästhetik führt. Sch. 1168a; Froh vertrauend seinem [des Stroms] F., | warf ich mich in seinen Schoß. 48a etc. Danach: Leit-F., z. B.: Ein L. gesponnen, an dem sie sich durch ein solches Labyrinth durchwinden können. G. 38, 4; 39, 132; 410; Lasst mich der großen That L. für euch spinnen. Gotter 2, 80; Über die erste Menschengesellschaft nach dem L. der mosaischen Urkunde. Sch. 1008aetc. und so oft als Bez. von Lehrbüchern: Sich mit methodischen Leitfäden zu behelfen. L. 3, 159 etc.
d) Ein F. geht, zieht sich durch Etwas, es verbindend; Sämmtliche Tauwerke der königlichen [englischen] Flotte .. sind dergestalt gesponnen, daß ein rother F. durch das Ganze durchgeht ... Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein F. der Neigung und Anhänglichkeit, der Alles verbindet und das Ganze bezeichnet. G. 15, 161 (vgl. Bucher Nat. Z. 8, 313, wonach „dieser rothe F. in der Wirklichkeit gelb aussieht“); Durch jede philosophische Schrift geht ... ein gewisser polemischer F. G. 33, 17; 17, 18; Um eines durchgehenden F–s nicht zu ermangeln. 39, 5; Man sieht durch seine Deduktion wohl den F. durch, an den er sich hält [c], allein er verschlingt ihn selbst. 413; Der schwache F., der sich aus dem manchmal so breiten Gewebe des Wissens .. ununterbrochen fortzieht. 59; Die geheimen Fäden, die aus den Bauten der Indier herüberreichen in den Tempel Salomons. Gutzkow R. 1, 90; Regiert durch die verzweigtesten Fäden ihrer gesellschaftlichen Beziehungen. 2, 174; Sich alle geheimen Verbindungs- fäden dieser Thatsachen zusammenzustricken. 260 etc.; Perlenthränen, die verbunden | durch des Reimes goldnen F... | als ein Lied hervorgegangen. Heine Rom. 241 etc. So auch: Ein ganzes Buch an einem F. weg [am Schnürchen, in ununterbrochner Reihe ohne Stocken] zu eregisieren. G. 14, 263 (vgl. jedoch auch f).
e) übertr. v. Spinnrad und Webstuhl, z. B.: Was die Natur am innigsten verwebte, zieht er in die Fäden der Kette und des Einschlags aus einander. Börne 3, 99; 2, 132; König Kl. 2, 265. Den F. suchte, woran er seinen kasuistischen Knäuel entwirren könnte. Engel 12, 190; L. 11, 504; Musäus 3, 159; Wie man erst den rechten F. findet, | wird .. die halbe Nacht | mit . Plaudern hingebracht. W. 11, 171; Einen alten, verworrenen Zustand zu entwickeln und die vielen verschränkten Fären auf einen Knauel zu winden. G. 18, 261. Wie soll die Tochter erst, in dein Geschick | verflochten, im Gewebe deines Lebens, | als heitrer bunter F. [b] künftig glänzen. 13, 250; Diese (unter uns gesagt) aus einem etwas groben F. gewebte Moral. W. 22, 220. Des Denkens F. ist zerrissen. 11, 71; Wie ich seine Einbildungskraft beschäftigt hatte, knüpfte ich eine Menge Fädchen wieder an, die ich zerrissen fand. 9, 49; Seinen F., den F. der Betrachtung verlieren. G. 16, 303; 26, 210 (Leisewitz Jul. 29 etc.); Ich werde .. manchen F. aufnehmen und fortleiten, der sich unbemerkt durch die ersten Jahre schon hindurchzog. 20, 83; Ich nehme den F. meiner Untersuchung wieder auf, den ich nur darum abgerissen habe, um etc. Sch. 1173b; Den plötzlich zerrissnen F. des Gesprächs wieder weltklug anzuknüpfen. Gutzkow R. 1, 43; Tag, an welchem sich vielfache Fäden für zukünftige Erlebnisse angesponnen haben. 2, 260; Den F. unsrer Korrespondenz wieder anzuknüpfen. L. 12, 451; Den angefangnen F. ausspinnen. 13, 608; Ich habe da ein Fädchen angeknüpft; wenn sich das fortspinnt, wie es soll. Prutz Mus. 3, 72; Die Hand des Todes zertrennte den F. seiner Rede. Sch. 720b; Ihm reißt, bricht der F. der Geduld. W. 11, 253; Gotthelf Sch. 338; König Jer. 2, 258; Der Ge- duld(s)faden. G. 35, 116; 22, 216; Hackländer Hdl. 1, 203; Der Andachtsfaden brach. W. 11, 169.
f) Einen am F. haben, ihn festgebunden halten etc., nam. auch (s. Draht 1b und Schnur), ihn wie eine Marionette nach unsrem Willen lenken und beherrschen etc. G. 29, 270; Wie ein Vogel, der den F. bricht. 1, 77; An diesem Zau- berfädchen | .. hält das .. Mädchen | mich so wider Willen fest. 57; Wie an einem F. gelenkt. 24, 323; Die Fäden in der Hand haben, halten. Mügge Vogt. 1, 190; Daß man bei ihm immer die Drahtfäden der väterlichen Wirksamkeit bemerken mußte. Gutzkow Bl. 77; Sch. 106b etc.
5) F. als Längenmaß:
a) beim Garn gw. = 4 Ellen, als dem Umfang der Haspel.
b) Schiff.: Klafter (s. d.): Fanden mit 50 F. keinen Grund. Forster R. 1, 25; 73 etc.
c) (s. b) Forstw.: Klafter (s. d.), ein Kubikmaß für Holz.
Anm. F., bei Ältern Fadem (z. B.: Fädeme, die uns den Geist bestricken. Lohenstein Ros. 100; 102 etc.), wie ahd. fadam etc. gehört zum selben Stamm wie fahen (fangen), fassen etc. und bez. zunächst das Bindende, Umschließende, wie das altn. fadma (umarmen) und das entsprechende Maß des Klafters (5b u. c) zeigt. Die Mz. hat jetzt außer in der Bed. 5 (wo das Wort als Maß unv. bleibt) gewöhnlicher den Umlaut, s. d. Bsp. und vgl. nam. L. 12, 517 und z. B.: Ich spinne eure Fäden | in einen Faden ein. Novalis 1, 132 etc. doch: Eine Menge einzelner Faden. W. 8, 195 etc. Nebenformen der Verkleinerung: An einem Feddemlin. Luther 1, 161a; Fädenchen. KBrentano Fr. 1, 39; 228. Dazu die abgeleiteten Ew.: Fädene Strümpfe [aus Zwirn]; Ein kleines vetrocknetes zwirnfadenes Männchen. Schlönbach Orig. 1, 123 = so dünn wie ein Zwirnsfaden etc. Fadig, fädlich, fadenförmig heißt in der Bot. ein überall gleich dicker aufrecht stehender Staubfaden, wie bei den meisten Labiaten etc. Zwei dreifädige Schnüre gedreht. Bodenstedt 2, 247; Jenen zähen ellenlangen spinnenfädigen Periodenbau. Gervinus Lit. 3, 302: Gehüllt in silberfad’gen Fitz. Glaßbrenner Gd. 151; Grobfädig und verschossen wie dein Staatsrock. Thümmel 4, 174 etc., vgl.: Das Garn neunfädenig geschlagen. Fleming J. 227a u. ä. m.
Zsstzg. s. o., nam. [1; 3c u. d; 4b–f], wonach sich viele bilden und verstehn lassen. Wir erwähnen noch: Bārt-: am Maul mancher Fische, cirrhus.
Bínd-: Hanfschnur, Sackband. G. 18, 46 etc.
Blēī-: Senkblei. Winckelmann 1, 44; auch Fehler im Weben. Gotthelf 5, 21. Drāht- [1 und 4f].
Fǖhl-: die fadenartigen Spitze am Kopf man-, cher Thiere und zwar sowohl die ungegliederten Tentakeln der Schnecken etc., als auch die gegliederten Antennen der Insekten, obgleich Einzelne „Fühlhörner“ etc. untersch., auch übertr.: In ihren zartesten Fühlfäden verletzt. Gutzkow R. 5, 95; Keller gH. 3, 303. Gedúld- [4e].
Hérbst-: Gutzkow 3, 248 = Sommer-F. Lêbens- [4b]. Lēīt-[4c]. Lūdel- (Feuerw.): mit Pulver getränkter in eine dünne Papierröhre eingeschlossner Docht, Stopine. Karmarsch 1, 176. Ma- rī-en, Métten, Schímmer-: Sommer-F.
Schwêfel-: in geschmolznen Schwefelgetaucht, früher st. der Schwefelhölzchen gebräuchlich. G. 20, 207; Sie sind die Schwefelfäden, mit denen man das Feuer anzündet; wenn das geschehen, wirft man den übelriechenden Zünder weg und tritt ihn aus. Stahr Rep. 2, 155; L. 12, 239.
Sómmer-: das beim Nahen des Sommers und noch häufiger beim Scheiden desselben in der Luft umherfliegende Gewebe einer Spinne (Aranea obtextrix), s. Oken 5, 699; Hatte der Herbst schon seine Sommerfäden über die Felder gespannt. Eichendorf Lärm. 64; Wie auf flüchtigen Sommerfäden zogen die Gedanken vorüber. Gutzkow R. 5, 26; Roquette Hühn 99; Wo jetzt der Sommerfäden | leichtes Spinnweb durch die Luft fliegt. Scheffel 207; Da fliegt, als wir im Felde gehen, | ein S. über Land, | ein leicht und licht Gespinnst der Feeen. Uhland 39 etc. Vgl.: Metten [s. d.] die fliegenden Spinnweben im Herbst, eine nordd. Benennung, die Klopstock in die lyr. Sprache aufnahm: Umschwebt von ziehenden Metten. Od. 2, S. 10. Sie heißen auch Grasweben, Sommerfäden, fliegender Sommer, Altweiber- [Wittwen- Stalder 2, 456; Matthesius Sar. 34a] Sommer, [Herbsts. o.], Marienfäden und scheinen dem Volk ein Gespinnst von Elfinnen und Zwergen, von der Mutter Maria [„Unser lieben Frauen Gespunst“. Schmeller 3, 570] oder von Erdwürmern etc. V. 1, 198; ferner: Den ganzen Tag Sonnenschein und in der Luft so zarte glänzende Fäden. Hebel 3, 449; Mettenfadenschimmer. Freiligrath 1, 337; Mettenfädlein. V. Sh. 3, 276; Das Stoppelfeld in Schimmerfaden | erglänzt. Ders., vgl.: Der Liebende schritt’ wohl auf Fadensommer, | der umfliegt in der üpp’gen Frühlingsluft | und fiele nicht. Schlegel Rom. 2, 6; Wenn über der Erde Nebel und fliegender Fadensommer liegt. IP. 2, 57; Auf den übersponnenen Stoppeln arbeiteten noch Spinnen am fliegenden Sommer. 24, 26; 23; 23, 19 etc.— Spríng-: Springglas, s. d. Stāūb- (Bot.): die die Staubbeutel tragenden fadenähnlichen Theile der Blumen.
Zünd-: Schwefel-F. u. ä. m.