Faksimile 0390 | Seite 382
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Fabel
Fābel, f.; –n; –chen, ein; -: eine erdichtete Er-
zählung: 1) Jede Erdichtung, womit der Poet eine gewiſſe
Abſicht verbindet, heißt ſeine F. So heißt die Erdichtung,
welche er durch die Epopee, durch das Drama herrſchen läſſt,
die F. ſeiner Epopee, die F. ſeines Drama. L. 5, 358; W.
20, 3; HorBr. 1, 68 ꝛc. 2) in engrem Sinn die ſ. g.
äſopiſche F.; nach Ls (5, 388) Erklärung: Wenn wir
einen allgemeinen moraliſchen Satz auf einen beſondern Fall
zurückführen, dieſem beſondern Falle die Wirklichkeit ertheilen
und eine Geſchichte daraus dichten, in welcher man den all-
gemeinen Satz anſchauend erkennt, ſo heißt dieſe Erdichtung
eine F. Dazu z. B.: Der Wolf in der F., ſprchw. von
Einem, der eben erſcheint, wenn man von ihm ſpricht.
Immermann M. 3, 89; Waldau Nat. 2, 339 ꝛc.; Die F.
lehrt ꝛc. (gw. Schluß der Fabeln, womit die ſ. g. Mo-
ral angegeben wird); Dies F–chen führt Gold im Munde: |
Weicht aus dem Recenſentenhunde. B. 32b. Nam. ge-
hört hierher auch, da F–n und Sprichwörter als Weis-
heit des Volks in Aller Munde ſind, die bibl. Wen-
dung: Jſrael wird ein Sprichwort und F. ſein unter allen
Völkern [ihnen als warnendes Beiſpiel ſ. d. die-
nen]. 1. Kön. 9, 7; Jer. 24, 9; So wird es [Frankreich],
ſtatt das Beiſpiel von Europa zu werden, die F. von Europa.
Forſter Br. 2, 118; Ich bin ſchon zu lange | die F. dieſer
Stadt, der Spottſucht Zeitvertreib. Gotter 2, 253; W. 19,
303 u. o. 3) oft = Erdichtung im Ggſtz. des wirk-
lich Geſchehenen, alſo ſvwdt. mit Lüge, Märchen (ſ. d.)
ꝛc.: Die Ohren von der Wahrheit wenden und ſich zu den
F–n kehren. 2. Tim. 4, 4; Daß uns mit F–n oft ein Frem-
der täuſcht, | muß auch der Wahrheit ſchaden. G. 13, 333;
Was man anfangs für F–n gehalten, erſchien zuletzt als
Wahrheit überſchwänglich furchtbar. 25, 72; Man würde zu-
letzt über die Märchen ſelbſt zur F. Sch. 2, 74; Daß die
Griechen ſich mit den F–n über die Gottheit ſo ernſthaft be-
ſchäftigen konnten. Heinſe A. 2, 103; Voller Widerſprüche
und F–n. L. 11, 72; Jenes F–chen von Entſtehung desſelben.
545; Eitel Dunſt und F. Linck Schl. 8; Halten’s für F–n
und Märl[e]in. Luther 8, 259b; 19b; Sich mit unnützen
Märlen und Fablen zu ergetzen. Stumpf 358a; Wenn du’s je
für eine F. hielteſt, | bilden kann ich aus der F. Wahrheit.
Platen 4, 275; Wie die alte F. [Mythologie] uns die Göt-
tin | ewiger Reize malt. 288; Die F. [vorher ,Märchen“]
iſt der Liebe Heimatwelt, | gern wohnt ſie unter Feeen. Sch.
348a; Das iſt dir keine F. V. 4, 120; Sich F–n aufbinden
laſſen. Immermann M. 3, 185; Vogt Köhl. 29 ꝛc.
Anm. Aus lat. fabula, vgl.: Zuhörer der Fabulen.
Fiſchart B. 35b ꝛc. Ungewöhnl. Verklein.: Fäbelchen.
Ramler. ſ. Herrig 23, 21. S. die folgenden Wörter.
Zſſtzg. vielfach, z. B.: Dóppel- [1]: D. eines
Stücks. Gervinus Sh. 1, 95; 2, 385 ꝛc. Kínder- [2
u. 3]: Die albernſten Pöbelmärchen und K–n. Heinſe A. 1,
277. Lêbens-: Auf ewig ſchuf da holde Liebesfülle
mir | zur ſüßen L. jenen Augenblick. G. 10, 274, der Augen-
blick erſchien der Phantaſie als das ganze Leben erfül-
lend. Mǟrchen-: Heine Reiſ. 1, 126. Schát-
ten- [1]: F. eines Schattenſpiels ꝛc. H. 15, 147.
Thīēr- [2]: die äſopiſche Fabel, aber auch [1] z. B.
der Reineke Fuchs u. a. m.