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eh Ehe
II. Eh, Ehe, adv., praep. (8), conj. (9—12):
früher, bevor, dem Begriff nach meist komparativisch (s. bald 9) und so auch in der gleichbed. Form eh(e)r, woran sich der adjekt. und adverbielle Superl. ehest (s. 14) etc. schließt, vgl. Anm.
1) adv. (absolut) früher, in früherer Zeit: Eh focht ein Held, doch itzt| straft ein erzürnter Gott. Alxinger D. 123; Der du ehe so groß warst. G. 14, 138; Eh nanntest du mich so. Sch. 13b; Mus. 22; Erbebst du vor dem Stirnfalten der Geliebten, wie eher vor den Thoren Roms. Grabbe Hann. 9; Es hat wohl schon eher [früher, öfter, Dies ist nicht das erste Mal] eine blinde Henne ein Korn gefunden etc. Veralt. auch: Vor und eh. Zwingli 2, 4, vgl. Schmeller 1, 3.
2) früher, in Vergleich zu Spätrem: Je ehe, je lieber. Luther 5, 534a; Je eher, je besser; Ein paar Tage eher oder später; Er war ehe(r) da als du; Warum bist du nicht ehe(r) gekommen? Schneid’ ich ehr oder ich ehr? hei, ich will erst essen. Grimm M. 128.
3) so in Bezug auf Unmögliches, Unglaubliches oder doch so Erachtetes: Ehe(r) fällt der Himmel auf die Erde; Ich war mir eher des Himmels Einsturz vermuthen; „U. Orleans .. wird nicht übergehen?“ | Eh siehst du die Loire zurückfließen. Sch. 459b etc.
4) übertr., den Vorzug bez., den man Etwas vor etwas Andrem giebt, so nam. in Bezug auf ein Außerstes (= lieber): Eher will ich von Haus zu Haus betteln gehn; Sie wollten mich zur Fürstin .. bringen. Eher ins Grab. Sch. 510aetc.
5) so auch von Dem, wofür man, wenn man zwischen zwei Dingen wählen soll, sich entscheidet (vgl. mehr, vielmehr): Du hältst sie für Polen? ich hätte sie eh für Russen gehalten; Du entschuldigst dich, Das hätte ich wohl eher nöthig; Er ist eher wohlhabend als arm zu nennen; Eher furchtsam, nicht drohend war sein Blick. Gutzkow R. 8, 368; Sein Kopf ist eher rund wie länglich. Hackländer Sold. Kr. 100; Seine Vermittlung machte die Sache eher ärger als besser. Tieck Nov. 4, 65; Eher klein als groß. Zelter 2, 471 etc. Vgl.: Nit vermeint, daß er schießen, sondern viel eh die Geheimnus seines Herzens offnen wurde. Stumpf 343b.— Desto eher etc.
6) so auch von dem Wahrscheinlichern (vgl. leichter): So lässt sich die Sache schon eh(er) hören, begreifen, reden; Das will ich eher glauben; In Paris ist Dergleichen eher möglich etc.
7) in den Fällen 2—6 kann wie beim Kompar. überhaupt das Verglichne mit als (s. d. †), zuw. auch mit „wie“ (s. 5) oder „dann, denn“ stehen, z. B.: Wir wollen ehe [4] sterben, denn .. wider unser Gesetz handeln. 2. Makk. 7, 2; Die Zöllner mögen wohl eher [6] in das Himmelreich kommen, denn ihr. Matth. 21, 31; Ich erlangte jenes um desto eher [6], als ihm die Anschaffung eines neuen dadurch erleichtert wurde. G. 18, 342; Wir hatten uns vorgenommen, einander zu heirathen, ehe [2] als wir die Möglichkeit eines Etablissements voraussahen. 19, 359; Sollte der jüngste Tag ehe [2] daherbrechen, denn wir die heilige Schrift garaus verdeutschen könnten. Luther 5, 1a; [Eben] so bald und eher dann die es einsammlen. Zinkgräf 1, 121 etc.
8) das „als“ (s. d. u. vgl. Herrig 20, 71 ff.) kann vor Zeitbestimmungen wegbleiben, wodurch dann eh(e) nicht: „eher“ wie „vor“, die Kraft einer Präp. gewinnt: Er kann eh Sonntag, eh den (am) nächsten Mittwoch, eh um 12 Uhr nicht hier sein; Du hast es eh Neujahr wieder etc. So auch: eh(e)gestern und ehe-dem, -dessen, -mals etc.
9) das als (denn) bleibt, wenn es vergleichende Zeitsätze anknüpft, sogar gw. fort, wodurch dann das an der Spitze des vergleichenden Satzes stehnde ehe, wie,,bevor“, die Kraft eines Bindew. gewinnt, vgl.: Ehe (denn) der Bote zu ihm kam, sprach er. 2. Kön. 6, 32; Der an der Krankheit lag. eh (als) er kunte scheiden. Opitz 1, 180; 181; 135; Die .. krähen, eh noch das Ei reif ist. Forster Br. 2, 163; Prüfe deine Kräfte, | eh dich ein wilder Trieb an äußre Dinge hefte. Lichtwer 181; Eh ich diesen Rain entbehre, so [s. d. †] meid’ ich lieber Gut und Land. Gellert 1, 41; Es wird sich noch, eh wir uns trennen., entscheiden. Sch. 492a; Ehe er die Schanz darauf bauete. Zinkgräf 1, 125 u. V. Seltner: eh(e)r: Jetzt aber kam er her, um, ehr im Berge modern | er ließe seine Kraft, sie nun zurückzufodern. Rückert Rost. 102b, zuw. in der Häufung: Ehe und bevor, z. B. Berlichingen 108; Immermann M. 1, 261; Möser Ph. 326; Osn. 1, 161 etc. (s. auch 12 am Schluß); mundartlich und veralt. auch: Ehe und (s. Und). Zwingli 2, 2; 5; 3, 6 etc.
10) wie zu andern Bdw. tritt auch zu „ehe“ „daß“ (s. d. 4), nam. in den Bed. 3; 4; 6: Verspritzen will ich .. mein Blut .. tropfenweis, eh daß | ihr über seinen Fall frohlocken sollt. Sch. 537a etc.
11) oft finden sich doch nicht füglich in unmittelbarem Zusammenstoß Adverb und Bindew. verbunden: So ließ ich mich eher erhenken, ehe ich meine Hand aufhübe zum Strick. Grimm M. 306; Doch eher schlinge Tellus mich hinab ..., eh daßich .. meinen Eid verletze. Sch. 37b; Eh mische sich der Himmel mit der Erde, | eh ich selbst einem Gott dich überlassen werde. W. 12, 248; V. Od. 2, 128; 4, 255, vgl.: Dir Nichts eher zu sagen, bevor zwölf Tage geschwunden. 747; W. 20, 110 etc.
12) bei verneinten Hauptsätzen (z. B. auch: Dir wehrt das Geschick, die Freunde zu schauen .., ehe zurück .. du kehrst etc. V. Od. 4, 477) kann in dem Nebensatz mit ehe (s. ,,bis“ 2d) pleonastisches „nicht“ stehn, z. B.: Ehe sich S. nicht eingerichtet hatte, besuchte ich sie nicht. Gutzkow 3, 128; Ehe wir nicht dahin kommen .., eher hört auch das Elend .. nicht auf. R. 7, 45; Man soll nicht früher aufhören .., ehe nicht die Hände erlahmen. 58; 369; 1, 27; 3, 302; 312; 325; 8, 215etc.; Heine Rom. 67; Lut. 2, 119; WHumboldt 2, 17; Glaubt es nicht einmal ..., ehe er nicht merkt, daß etc. L. 7, 113; Ich steh nicht auf, nicht eher auf, mag eher | des Sultans Antlitz nicht erblicken, eher | den Abglanz .. nicht bewundern, eh er mir nicht verspricht. Nath. 5, 7; Stahr Rep. 1, 34; 221 etc. Früher so wohl auch bei bejahnden Haupts., z. B.:Daß ich, vor undehkein [s. d., ehenoch irgend eine] Zwietracht entstanden ist, mit .. Prälaten geredt hab von dem Irrthum. Zwingli 2, 7 etc.
13) als pleon. Zusatz bei dem Fragew. der Zeit wann (wenn), z. B.: Wann ehe? Paalzow Th. 1, 65; Wann und wann eher? Novalis 1, 208; Wann ehr. Stilling 2, 105; Schlegel Sh. 6, 42; Wenn ehr. Zelter 1, 175; 459 u. ö. Vgl.: U. wo eh [wo immer ?] wir sie nun erfassen, | in den Sturz, in die Fluth sie hinein. G. 10, 257; Komm ich .. bei einen Mann in kostbarem Kleide, so frag ich nicht lang eh [weiter? s. I.], weß Standes er sei. Stiling 2, 142 etc.
14) der Superl. ehest, wie frühest und nächst als Adj. und Adv., doch nur in beschränktem Gebrauch. Ungw.: Ein Lerchlein klein sei der eheste [erste, älteste] Vogel gewesen. Droysen Ar. 1, 306; Ich schick es dir mit ehester [häufiger: erster, nächster] Gelegenheit; ehestens (nächstens); Daß sie ehestens geschieden werden sollen. G. 15, 85; Du wirst nun ehestens frei. Schlegel Sh. 3, 118 etc.; Unser lieber Kleist soll sich ehestens auch wieder gedruckt sehen .. Sein Cissides soll mit ehestem ein Pendant zu den Kriegslieder werden. L. 12, 124; 68; 80; Mit ehesten. 14; Um des ehesten [so bald als möglich] den Beschluß zu erfahren. Alexis H. 2, 2, 192; Du bekommst es ehestens [frühestens, früher gewiß nicht] Dinstag; Wir müssen ehesten Tags [nächster Tage] hetzen. G. 10, 188; Ehster Tags. Talvj 2, 59; Ehester Tage. L. 2, 483 u. v.; So geht’s noch am ehesten [am ersten, am leichtesten].
Anm. S. Benecke 1, 437; Schmeller 1, 3; Frisch 1, 216b. Von ehr findet sich die Komparativform: Viel ehrer. Kürnberger Am. 155 etc. (vgl. erst und: Am eher- sten. Stahr Jahr. 1, 348). Ferner: Ehender. Gutzkow Liesli 45; 81; Immermann M. 1, 307; 313; 364; 2, 59; 3, 197; 4, 127; Kestner 304; L. 13, 46; Möser Ph. 1, 219 etc. Bei Kompert Böhm. 119; 123 etc. Ender.