Faksimile 0336 | Seite 328
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dulden
Dúlden, tr., intr. (haben) u. refl.: mit Geduld
(ſ. d.) tragen; Etwas ertragen, ſei es, daß man ſich
darin, als in ein Unabänderliches, fügt, ſeies, daß man
es, als ein nicht Störendes, dem Weſen des Duldenden
Gemäßes, od. endlich auch nur aus Nachſicht un-
angefochten, ſo wie es iſt, fortbeſtehen läſſt. 1) tr.: a)
v. Perſ. ꝛc.: Man verfolget uns, ſo dulden wir’s. 1. Kor.
4, 12; In allen Verfolgungen und Trübſalen, die ihr duldet.
2. Theſſ. 1, 4; Wie lange ſoll ich euch d.? Matth. 17, 17;
Eine geduldete Religion, Perſon; Spartaniſche Regierungs-
häupter würden dieſe Muſik geduldet, ja gepflegt haben. Börne
1, 103; Ich will es d., | ſtille leiden meine Schulden. G. 1,
103; Sie ſchien an Allem Theil zu nehmen, aber im Grunde
wirkte Nichts auf ſie; ſie war mild gegen Alles und konnte
Alles d., ohne zu leiden. 22, 132; Man erträgt die Unbe-
quemen lieber, als man die Unbedeutenden duldet. 15, 195 ꝛc.
b) von Sachen: Dein Blutwerk, mein’ ich, duldet [ver-
trägt] den Verzug. Chamiſſo 4, 44; Die Sonne duldet kein
Weißes. G. 11, 40; Geheimniſſe, | die deine kühne Gegen-
wart nicht d. Sch. ꝛc. 2) intr.: D. wir, ſo werden wir
auch mit herrſchen. 2. Tim. 2, 12; Sein Kreuz .. d–d tra-
gen. Chamiſſo 4, 32; Harren und d. G. 4, 40; Du haſt d.
gelernt, du ſollſt nun wirken. Hölderlin H. 2, 86; Duldet
muthig, Millionen, | duldet für die beſſre Welt. Sch. 19b;
Das harrte D. iſt ihr ſchweres Loos. 459a; Große Seelen
d. ſtill. 249b. 3) refl.: gw. ge-d. (ſ. d.), aushar-
ren: Placidus! rief eine Stimme | ihm im hochbeherzten Bu-
ſen, | dulde dich, du findeſt ſie. H.
Anm. Fortbildung von Dol, dolen. (So lang me ſeligi
Mannli dolet ime ne Land = So lang man ſolche Män-
ner im Land duldet. Gotthelf Sch. 274), gothiſch thulan,
ahd.dolōn, doljan, dultan ꝛc., urvwdt.u.ſvwdt. mit gr. τωλἄν,
lat. tollo, tuli (habe getragen), tolero ꝛc. = Etwas auf ſich
nehmen, tragen, vgl. die Sanskritwurzel tul (Pott 1, 265).
Veralt. iſt die Schreibw. dulten (ſ. Dult), wie z. B. Unge-
dult und ungedultig. Geßner 3, 64; Hebel 4, 346 ꝛc.
Dazu: Dulder, m., –s; uv.; -in, f.; –en: Des D–s
Dornenbahn. Sch. 20b; 19a; Den ängſtlich harrenden D.
[Odyſſeus]. V. Od. 1, 55; Mißachtet, mag ich D–in nicht
leben. Chamiſſo 4, 16; Ihr Knechtſchaftsdulter. Rückert 2,
12 ꝛc. Ferner: Duldung, f.; –en: Wohl wird er D.
üben, wo D. er erfährt. Chamiſſo 3, 331; G. 6, 379; Mit
der D. [der Schläge] wuchs meine Wuth. 20, 76; Mit liebe-
voller D. und Schonung der Andersdenkenden. Gutzkow R. 5,
259; Alles, was die lutheriſche [Religion] erhielt, war D.
Sch. 583a.
Zſſtzg. z. B.: Āūs: zu Ende dulden, ausharren,
ertragen: Seinem Charakter gemäß das Leben durchzuwirken
und auszudulden. G. 24, 167; Daure, Herz; ausdulde die
Zeit des Schickſals. Platen 2, 159; Sie konnte nicht mehr a.
des Qualmes | Taumelkraft. V. Ov. 2, 235; Dulde nun
aus, mein Herz! noch Härteres haſt du geduldet. Od. 20,
18; Der Dulder hat ausgeduldet, ſein Leiden iſt zu Ende
ꝛc. Durch-: Wenn das Herz aushält und die Mitter-
nacht des Grams durchduldet. Hölderlin H. 2, 119 ꝛc.
Entgêgen-: Ich dulde nur dem Wahnſinn mich entgegen.
G. 13, 309 = Ich ſtelle mich ihm nur duldend entge-
gen, ſeinem Wirken ohnmächtig preisgegeben. Er-:
Etwas duldend ertragen, erleiden: Die Demüthigungen
e. G. 6, 321; Alles .. heroiſch E–de. Heinſe A. 2, 242;
Herzkränkende Leiden erduldet. V. Od. 1, 4 ꝛc.; Ich bin Thä-
ter und Erdulder in einer Perſon. Holtei Ob. 1, 283;
Sich von ſeinem Verluſt und ſeinen Erduldungen wieder
erholen. JGJacobi Jr. 3, 223 ꝛc. —– Ge-: (veralt. und
mundartl.) tr. = dulden: Ein Unglück über das andre
g–d. Schaidenraißer 49a (Stets duld ich noch Gram. V. Od.
11, 482); 3a; 4b; 6b; Luther 6, 6a U. v., jetzt gw.
refl. [3]: Gedulde dich = warte noch Etwas; habe noch
etwas Nachſicht ꝛc.; aber auch mit Genit.: Eine halbe
Stunde geduldete man ſich meiner Abweſenheit. Arndt Erinn.
18 = ertrug ſie ꝛc. Mít-: Dann bin ich m–d in
Angſt. V. Ov. 2, 220 = mitleidend. Über- (vgl.
übertragen): duldend überſtehn: Ein reſignierendes Aus-
dauern, ein beharrliches Ü. Heine Reiſ. 4, 117; Ich kann’s
nicht ü.; Du ſiehſt ja, Das kann kein Weib ü. Sch. 142b
ꝛc. Ver- (veralt.): verſchmerzen. Spate u. ä. m.