Faksimile 0335 | Seite 327
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Geduld
Ge~dúld, f.; 0: 1) unverdroſſen und ruhig aus-
harrende Gemüthsſtimmung, zumal bei Etwas, was in
dem Betheiligten, in Dem, der es ertragen muß, ge-
eignet iſt, heftigere Gemüthsbewegungen, Verdruß,
Arger, Unwillen ꝛc. zu erregen: a) G., viel G., lamms-
mäßige (Gutzkow R. 3, 178), Lamms-, Eſels- (Seume
Sp. 432), eine wahre Engels-, Hiobs-G. haben ꝛc.;
Etwas in, mit G. tragen, leiden, in ſich freſſen (Schweinichen
3, 61), hinnehmen; Das kann ich nicht ſo in der G. anneh-
men (Gotthelf G. 203); Jemandes G. mißbrauchen (Forſter
Br. 1, 228), auf die Probe (G. 18, 140), auf eine harte
Probe ſtellen; Die G. verlieren; So reißt dem jungen Herrn
der Faden der G. W. 11, 253; Da bricht uns die G. G. 1,
182; Ging doch die G. des Mannes aus. Hebel 3, 493;
Endlich lief mir die G. über. Kinkel Erz. 197; Meine G. iſt
zu (am) Ende ꝛc. G.! G.! Wenn’s Herz auch bricht. B.
15b; G.! laß kreiſen Sonne, Mond und Sterne | und Re-
genſchauer mit der Sonnengluth | abwechſeln über dir; G.
erlernen! Chamiſſo 4. 161; Fluch dem Glauben! und Fluch
vor Allen der G. G. 11, 66 ꝛc. So nam. auch beim
Kegeln als Ruf, wenn kein Kegel gefallen: Von Neunen
fiel nicht Einer, | der Junge rief: G.! Chamiſſo 3, 87; 5,
132 (vgl. Kuckuck, Sandhaſe). b) zuw. auch per-
ſonificiert: Die heilige G. ſelbſten würde es am Ende ſatt.
Fouqué 8, 10; Cronegk 2, 62; Schlegel Was ihr wollt. 2,
4; Auch in meine finſtern Irren konnteſt du dich finden, himm-
liſche G. Hölderlin H. 2, 73 = du Geduldige ꝛc. c)
G. [Nachſicht] mit Einem, mit Etwas haben, z. B. Sir.
18, 9; 29, 11; Matth. 18, 26; Dan. 4, 24 ꝛc. Er trug
G. Gellert 2, 99; Wegen des Eſſens müſſen wir in G.
ſtehen ... Wir verſicherten ihm, daß ein Stück Brot und ein
Glas Wein alle unſere Wünſche erfülle. G. 14, 231. Wie
ſelten iſt die Nachſicht gegen kühnes mißlungenes Streben,
wie ſelten die G. gegen die langſam Werdenden! 39, 128;
Mit dem Schuldner noch einige Tage G. haben [ſich gedul-
den]; Eine kleine G.! [warten Sie nur noch ein Bis-
chen]. L. Gal. 2, 7; Sch. 631b ꝛc., und dann auch: G.!
[wart nur! als Drohung] wir ſprechen uns weiter! V. 1,
123 ꝛc. d) G. = Ausdauer, unverdroßnes Aushar-
ren: Alſo trug (veralt.) er G. und erlangte die Verheißung.
Hebr. 6, 15 [,,Weil er ſtandhaft darauf harrete“ Eß.];
Die G., die Ausdauer .., die zur Ausbildung eines ſolchen
Talentes gehört. G. 15, 23. 2) (mundartl. veralt):
Ort, wo man, wo Etwas vor der Wittrung geſchützt
iſt, wo man dieſe dulden, ertragen kann: Der Baum
ſteht in der G. Adelung, vgl.: Der Herd fein in G. angele-
get .., daß er von denen Nord- und Oſtwinden nicht ſo ge-
troffen werden kann. Döbel 2, 237a; Um den Herd wird ein
feiner dichter Zaun gemacht, damit der Vogel dahinter fein
in G. und Schauer falle. 239a.
Anm. S. Dulden u. vgl. Dult (Feſt), Benecke; Friſch;
Schmeller 1, 366—368.
Zſſtzg. ſ. [1a]; nam. Ggſtz.: Ún-: Beflügelt u.
nicht deine Füße? Geßner 3, 64; Entgegnete mit einiger U.
G. 15, 10; Die U., womit er erwartet werde. 22; Er
möchte vor U. aus der Haut fahren. Immermann M. 1, 92;
Vor U. beinahe den Verſtand verlieren. W. 12, 42; Er
ſpielte .. und gerieth bald in Schuld und U. vHorn Schmj.
21; Sie ſind das alte Haus los und genießen dann ihr Leben
ohne Schuld und U. Klencke Gſp. 1, 44 u. ö., wohl in
Bezug auf die ungeduldig drängenden Gläubiger.
Auch [1b]: Wo mag ſie ſein, wo meiner warten, | die liebe
junge U.? Rückert 1, 215; Der Lehrer, der die junge U.
hiervon entfernen will. Tieck Nov. 2, 63 ꝛc., und ſo auch
für das Springkraut (Impatiens noli me tangere),
weil deſſen reife Samenkapſeln bei der geringſten Be-
rührung aufſpringen.