Faksimile 0324 | Seite 316
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Drießen
Drīēßen: Schottel 1304, unübl. außer in. Zsstzg.:
Ver-: intr. (haben), verdroß, verdrösse; verdrossen; verdrieß(e)t (verdreußt), unpersönl.:
1) Etwas verdrießt mich; Es verdrießt mich, Etwas zu thun etc.: ich empfinde Überdruß an der Sache; sie erregt mir Unlust, Widerwillen, Unwillen, Unmuth etc. (vgl. ärgern): Daß ich euch immer Einerlei schreibe, Das verdreußt mich nicht. Phil. 3, 1; Meine Seele verdreußt mein Leben. Hiob 10, 1; Darum verdroß mich, zu leben. Pred. 2, 17; Wenn es Einem wohl geht, Das verdreußt seinen Feind. Sir. 12, 8; Ihr Wesen verdreußt mich übel. 25, 3; 26, 25 u. v.; Es möge doch keinen der Reichen v. | des Bettlers im Eigensinn selige Wonne. G. 4, 48; Das hat .. die Tüchtigen .. baß verdrossen. 6, 162; „Er wird sich garstig erboßt haben.“ Ich glaub nicht, daß ihn lang’ was so verdrossen hat. 9, 6; So zuzusehn der Tafelrunde Schmach, | verdroß den edlen Lanzelot. W. 11, 115; Wie es mich verdreußt, | wenn auch Homer zuweilen nickt. HorBr. 2, 233; Die Kinderpossen, | die ihn vordem so oft verdrossen. Lichtwer 87 = „Die ihm zu Hause sonst verdrossen.“ Ramler Lichtw. 79. Dieser pers. Dat. (z. B. auch: So verdrüßt es ihm, daß er nicht streiten soll. L. 3, 229; 332; Heinse Petr. 1, 177; Kant Anthr. 292; 322; Leisewitz Jul. 23; Musäus M. 2, 63; Schmeller 1, 414); ist jetzt ungw.; doch findet sich zuw., statt des Subj. der Gen. der Sache: Mich verdroß der Arbeit, des Lebens etc.; und dazu auch (veralt.) mit Dat.: Es verdroß ihm der Schlacht und des Lebens. JMüller 24, 177. Ferner: Etwas verdrießt mich auf Einen = erregt meinen Unwillen gegen ihn, z. B.: Was ihn aber am meisten auf den Sohn [gw.: an, von seinem Sohn] verdroß. E. 12, 9. Die Fehler .., die den . Alten auf Sie ver-d. 64, 58, vgl.: Ps. 73, 3; 139, 21 etc. Veralt. auch persönl. refl.: Sollt’ aber Jemand sich ver-d. | ob unsrer Liebesblicke Fahrt. Weckherlin (s. Mat- thison Anth. 1, 7) u. tr. mit persönl. Subj.: Du wirst zwar mindre Freud genießen, | doch minder wird man dich ver-d. Ders. (WMüller Bibl. 4, 194) etc., vgl.: ärgern.
2) Ich lasse mich Etwas v., es verdrießt mich, erregt meinen Unmuth etc., ich lasse es mir leid sein, bereue, bedaure es etc.: Ob dir’s sauer wird ..., Das laß dich nicht ver-d. Sir. 7, 16; Ramler F. 3, 102; Ich habe meinerseits mich weder Mühe noch Kosten ver-d. lassen. Schlegel Mißd. 68 etc. Auch hier zuw. mit pers. Dat.: Darum lasse ich mir keine Mühe v. Kohl Alp. 1, 18; L. 13, 465 etc.
3) das Partic. Verdrossen, adjektiv: Uberdruß, Widerwillen, Unmuth, Unlust etc. empfindend, vgl.: Die Sache verdrießt mich, sie macht mich verdrossen; Das Volk .. ward verdrossen auf dem Wege. 4. Mos. 21, 4; Werdet nicht verdrossen, Gutes zu thun. 2. Thess. 3, 13; Ein Weib, da der Mann keine Freude an hat, die machet ihn verdrossen zu allen Dingen. Sir. 25, 31; Der .. verdrossen schien, ihm Ehrfurcht zu beweisen. Cha- misso 4, 36; 80; Du wandelst einsam und verdrossen. G. 6, 20; Es litt so bittern Hunger, daß es noch verdrossen war der Märe. Simrock Gudr. 79; Der Frechheit dieses Kinds verdrossen. Weckherlin (Matthisson A. 1, 16) etc. Seltner, wie „verdrießlich“, auch = Verdruß, Überdruß erregend: Es plätschert im Wasser des Ruderschlags | verdroßnes [eintöniges] Einerlei. Heine Rom. 81 etc. Oft der Ggstz.: Unverdrossen: keinen Überdruß empfindend, durch Beschwerden und Mühen sich nicht abschrecken lassend: Daß sie straff und unverdrossen ihre Pflicht that. Auerbach Barf. 98; Vordrang der kühne Held doch unverdrossen. Chamisso 4, 80; Das Beste schaffet unverdrossen. G. 6, 21; Bade .. unverdrossen | die ird’sche Brust in Morgenroth! 11, 21; 12, 21; Durch unverdroßnen Fleiß. Lichtwer 209; V. Georg. 1, 21 etc. Dazu: Verdrossenheit, f.; –en (Mz. selten): Von seiner V. überfallen, daß nun Etwas geschehen müsse. Auerbach Barf. 106; Aus der V., in der ich einen Tag nach dem andern kümmerlich hingelebt hatte, mich herauszureißen. G. 9, 371; Um die V. der Soldaten zu ermuntern. Sch. 863a U. o.; Mit Unverdrossenheit. B. 109b; Zelter 1, 177 etc.
Anm. S. Benecke 1, 396 ff., wo sich auch die jetzt veralt. „be-, er-drießen“ etc. finden (= zu viel lästig dünken); ferner Schmeller 1, 414 und nam. Stalder 1, 303, vgl. ,,Dreis“ = Versäumnis. Gotthelf G. 328, wonach vielleicht der Begriff des Hinziehns, Zögerns der urspr. ist, s. drehen 1d; doch auch triezen, lat. trudo, ferner: Driesel und Trenteln. S. die folgenden Ableitungen und Ver-druß etc.