Faksimile 0296 | Seite 288
Faksimile 0296 | Seite 288
deutsch
Dēūtſch, a.: was zu Deutſchland gehört, was die-
ſem Lande oder den Bewohnern desſelben, den Deut-
ſchen, eigen und eigenthümlich iſt ꝛc. 1) eigentl.: Das
d–e Reich, die d–en Völkerſchaften, Stämme; Ein d–er
Mann oder ein D–er; eine d–e Frau oder D–e; die d–e
Sprache (Zunge) od.: das D., uv. durch alle Kaſus, nur
wie auch bei allen ähnlich gebildeten Ew. von
Völkernamen auf (i)ſch wenn unmittelbar auf den
Artikel folgend, in der Abhängigkeit von Präpoſ., das
D–e, z. B.: Das D. der heutigen Zeit; das heutige D.;
Welch ein echtes d–es D. er [Luther] ſpricht! Chamiſſo 5,
94; So böſe wendiſch oder däniſch D. reden. Luther 8, 114b;
Im heutigen D.; In gutem D. G. 20, 146, aber: Im
D–en; Das heilige Original | in mein geliebtes D. zu über-
tragen. G. 11, 51, aber: Ins D–e; Aus gutem Franzöſiſch
in ſchlechtes D. überſetzt, aber: Aus dem Franzöſiſchen ins
Deutſche; Auf D., Franzöſiſch, Engliſch; Auf gut D. Hebel 3,
257; vgl.: Die auf ihr rothwälſches Jtaliäniſch [gewöhnl.:
in ihrem rothwälſchen I.] dem König .. viel Unſchickliches
ſagte. G. 30, 176 ꝛc. Ein d–er Fürſt, Ritter; Ritter des
d–en Ordens (ſ. D.-Meiſter); Der d–e Handel; D–e Litera-
tur. G. 32, III; Von d–er Baukunſt. 31, 3; Die d–e Poeſie.
Uhland 458; U. wenn ich ſie denn faſſen darf | im luft’gen
d–en Tanz. G. 1, 14; Daß ſie herzlich gern d. tanze. 14,
26; Beide Töchter trugen ſich noch d., wie man es zu nennen
pflegt. 21, 269; D–es Gewicht, Maß; D–e Meile; D–e
Landeserzeugniſſe ꝛc. 2) D. von dem den Deutſchen
eigenthümlichen Weſen und den in ihnen hervortreten-
den, ſie kennzeichnenden Eigenſchaften. Als ſolche gel-
ten namentl. Derbheit, Zähigkeit und Geduld, bald
lobend, bald tadelnd hervorgehoben, Jenes als Bieder-
keit, Treue und Ehrlichkeit, als Standhaftigkeit, Muth
und Kraft, als Ausdauer, unverdroßner Fleiß, tiefe
Gründlichkeit ꝛc., Dies als Grobheit und Ungeſchliffen-
heit, als Trägheit und Ungeſchick, im praktiſchen Leben
ſich geltend zu machen, als Philiſterei und Spießbür-
gerlichkeit, die ſich Alles gefallen läſſt, als Pedanterie
und Zopfthum ꝛc. Verkörpert ſind dieſe Eigenſchaften
in der Figur des ſogen. „d–en Michels“ (z. B. Danzel
301; Eichendorf Lärm. 17; Gervinus Lit. 3, 103; Unſre
teutſchen Michel und Michelinnen. W. (Merck’s Br. 2, 87)
u. V.; Mochte ſeinem Vaterlande nur noch den Namen Mi-
chelien gönnen. Scherr Graz. 1, 20 ꝛc.), theils auch in der
Bezeichnung: D–er Bär (ſ. d. 3); Alter d–er Degen ꝛc.;
„Was redſt?“ D. [deutlich, klar ꝛc.] Auerbach D. 4, 51;
Die d–e Sprache iſt ehrlich grob. SchV. 222; Eine D–e
bleibt immer eine brave, ſchwere Gertrude. Börne 5, 255;
So ſtrenge d. ſind wilde Schönen nicht. Gellert 1, 24; Alles
D–e, Grobe, Vierſchrötige, alle Derbheit ꝛc. Gervinus Sh. 1,
22; Im D–en lügt man, wenn man höflich iſt. G. 12, 91;
„Nein, ein D–er ſoll nicht lügen“ ... Läſſt ſich treu und grob
nicht ſcheiden? 8, 302; Die Grobheiten, welche ihm von–bie-
dern d–en Männern ... aufgedrungen worden. 16, 182;
Peter von Perugia, ein ſo braver Mann, daß man ſagen
möchte, eine ehrliche d–e Haut. 23, 120; Sprich .. derb und
d. Zelt. 2, 179; Du glaubensfrohe heilige d–e Treue ...
Dieſe wälſche Schlangenbrut. KGroth 98; Auf Eurem Rücken
werdet ihr [Franzoſen] bald erfahren, was er [Friedrich der
Große] für ein kräftiges D. verſteht. Gutzkow Königsl. 78;
Runde d–e Antwort. R. 5, 238; Mit der bärenhaften Un-
beholfenheit ... ſeid d. ehrlich! Heine Lut. 1, 202; Gerade-
weg auf ehrlich D. Jahn M. 253; So demüthig als ein
Teutſcher vor einem Fürſten. Klinger F. 27; Die d–e Derb-
heit. Kühne Freim. 128; D. herausgeſagt. L. 12, 457; 13,
43; Lichtwer 147; Die D–en allezeit toll und voll. Luther 1,
298b (Sch. 352b); 8, 22b; Ich will mich d. mit dir erklä-
ren. Müllner 5, 136; 7, 107; Es iſt nicht das erſte Mal, daß
man den D–en auf die Köpfe tritt. Platen 3, 134; Die d–e
Bedientenhaftigkeit. Scherr Graz. 1, 21; Bedeuten Sie dem
d–en Ochſen, daß er das Maul halten ſoll. Sch. 167a; Ich
bin halt ein plumper gerader d–er Kerl. 183a; D. und ver-
ſtändlich! 193b; Rechnen wir d. und ehrlich mit einander ab.
Spindler Stadt. 1, 32; Meine teutſche Treue und Bieder-
herzigkeit. W. (Merck’s Br. 2, 82); Seinen teutſchen Freund.
Zinkgräf 2, 24; 3, 220 u. o. 3) Steigrung von d.
(ſ. 2 = deutſchem Weſen gemäß ꝛc.): So zog ſich die
Unterſuchung in die d–eſte Länge. Auerbach Dicht. 1, 128;
Die d–eſte und volksthümlichſte Oper. Ab. 135; Manches
franzöſiſche Wort iſt d–er als das, welches man an die Stelle
von jenem bringen will. Enſe Denkw. 1, 430; Eine etwas
d–ere Überſetzung. Eſchenburg Sh. 502; Die bleierne d–eſte
Schlafſucht. Heine Börne 317; Mit d–eſter Rührung. Lut.
2, 29; Selbſt der d–eſte Hofrath. Scherr Graz. 1, 160;
Sonſten ſchreibe ich teutſcher: Kalender als Calender. Spate 2,
38; Sekretarius .., da die Schreiber nicht mehr Schreiber
heißen mögen, weil es gar zu teutſch iſt. Zinkgräf. 4) Der
Deutſcher, Deutſchker ꝛc., zuw. euphemiſtiſch ſtatt Teufel,
z. B. Goltz 3, 145; Höfer. Hausbl. (58) 2, 401; 451 ꝛc.
Anm. Die Ableit. von diet (Volk) vgl. goth. thiudisko
heidniſch, unterliegt keinem Zweifel. ſ. Benecke 1, 326a und
die dort angeführten Stellen; vgl. Wurm deutſche Spr. (56)
S. 94—108 und den Hilferuf Jodute (Jo, Anm.). Über
den Zuſammenhang der Bed. mit deutlich (z.B. d. mit Einem
reden ꝛc.) ſ. Schmeller 1, 406 und z. B. noch: Das deutſche
[deutliche] Abſondern eines Vokals vor der Reflexion. WHum-
boldt 1, 39 ꝛc. Die Schreibw. „teutſch“ iſt verwerflich,
außer wo ſie einen Nebenſinn bezeichnet, z. B., wenn Reinhard
11. Juli 1814 an G. ſchreibt: Damals träumt’ ich wohl
einige Tage von Deutſchland (doch man muß ja Teutſchland
ſagen). 149; Zuweilen „teutſch“ in ſeinen politiſchen Anſich-
ten. 150; Deutſch oder Teutſch, du wirſt nicht klug. G. 3,
133; 4, 56, vgl.: Ein teutoniſcher Bär. Kühne Fr. 1,
86 und Deutſchthümeln ꝛc.
Zſſtzg. vielfach, z. B. nach geographiſcher Einthei-
lung, nach der Zeit ꝛc., z. B.: Ált-: Die a–e Literatur,
im Ggſtz. zu mittel-, neu-d., ſo auch: Alt-hochdeutſch ꝛc.,
ferner ſ. [2] und vgl. altfränkiſch ꝛc.: Das a–e Vergnü-
gen ... eine Mechthilde taufen zu laſſen. G. 16, 283; Zu a.
trinken. Hagedorn 3, 143. Anti-: ſ. Gegen-D.
Echt.- Eīchel-: ſ. kern-d., in Bezug darauf, daß
die Eiche oft als Symbol Deutſchlands gilt. Erz-:
Was das deutſche Theater für einen e–en Gang nimmt. G.
Sch. 2, 20 ꝛc. Gêgen-: anti-d., dem Deutſchen
widerſtrebend, feindlich: [Der ruſſiſche Adler] der g. und
undeutſch iſt. Freiligrath 2, 264. Hōch-: aus dem hö-
hern Deutſchland, ober-d., im Ggſtz. zu: Platt-d. und
nieder-d., z. B.: Er hatte ... auch einen H–en, welchen
er ſelbſt zum Doktor gemacht. Olearius; (Wackernagel 3, 1,
685, Z. 3); Daß ihm [dem Fiſchmarkt von Konſtanz] nit
bald einer in hochteutſch Landen verglichen mag werden.
Stumpf 391a, vgl.: Bezwang ganz Hochteutſchland. 308a
u. o. Jetzt meiſt in Bezug auf die Sprache und zwar,
im Ggſtz. zu den Mundarten, beſonders zu den nieder-
oder platt-deutſchen, die allgemeine Sprache der Gebil-
deten, die allgemeingültige Schrift- und Bücherſprache
in Deutſchland: Alt-, Mittel-, Neu-h. ꝛc. Kérn-:
Unſere k–en, ich möchte ſagen eichel-deutſchen Landsleute.
Heine Lut. 1, XIV; Wetterte .... k. Dingelſtedt 7. Mít-
tel-: ſ. Alt-d. Nēū-: ſ. Alt-d.: Rott- und Spieß-
geſellen, die jetzt auf neuteutſch Kameraden heißen. Zinkgräf
2, 61. Nīēder-, Öber-, Plátt-: ſ. Hoch-d.
Plúmp-. Heine Reiſ. 4, 15. Stīēf-. Spate
XVIII, von Solchen, die ihre Mutterſprache als Stief-
mutter anſehn, und mit fremden Lappen bekleiſtern.
Stóck-: übertrieben und einſeitig deutſch. Waldau Nat.
2, 154. Trēū-. JP. HV. 142. Ún-. Heine Reiſ.
4, 319; Herz 243; V. 4, 31 u. o.; Stümmel und Un-
teutſch-Teutſche. Spate XVIII; ferner z. B.: 1. Kor. 14,
11 = undeutlich, unverſtändig. Ur-: U–e Bären-
häuterei. Waldau Nat. 2, 248 u. ä. m.