Faksimile 0278 | Seite 270
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Daum Daumen
Dāūm, m., –(e)s; Däume; -. ~en, m., –s;
uv.; Däumchen, lein; -: 1) der kürzre und dickre
Finger der Hand, der, von den übrigen getrennt, ihnen
gegenübergeſetzt werden kann und den weſentlichen
Unterſchied der Hand vom Fuß bildet; doch zuw.
auch: Verhieben ihm die D–en an ſeinen Händen und Füßen
[= großer Zeh]. Richter 1, 6; 7; ſo auch nach der Ahn-
lichkeit, von den Fledermäuſen, die zu den ſog. Flügel-
händern gehören: Häkeln ſich mit den D–en der Vorder-
füße neben einander feſt. Tſchudi Th. 135 u. v.; ferner
bei den Vögeln: „Der Vorderarm mit zwei Knochen, an
denen vorn der kurze D–en und die zwei parallelen Knochen
der Mittelhand anſitzen“ ꝛc. Die meiſten Anwendun-
gen und viele ſprchw. Redensarten beziehn ſich aber
natürlich auf den D. der menſchlichen Hand: Hält zwi-
ſchen D. und Finger | den Schlüſſel. V. 4, 121; Als er ge-
nug mit dem D–e die klingenden Saiten geprobet. Ov. 2,
164; 1, 279; Entreibt mit dem D. vordringende Thränen.
2, 156 ꝛc. Margarethe hatte [überlegend] die Hände auf
dem Schoß gefalten, knickelte mit den D–en gegen einander.
Stilling 1, 116; Sie ſpielte das holländiſche D–enſpiel.
Auerbach Ab. 128 [einen D. um den andern zu drehn].
Er ſchob den D–en der rechten Hand ein paarmal über
den Zeigefinger . . . „Wo einmal Das [Geld] fehlt. Engel
12, 247; Den D–en in der Hand zu halten, zu filzen, kar-
gen. Garzoni 157b; Auerbach Barf. 231; Den D–en rüh-
ren [Geld herausrücken]. Prutz Felix 1, 292; Schmeller 1,
370; Simrock Sprchw. 1508ff.; Brem. Wörterb. 1, 270 ꝛc.;
aber: Den D–en rühren, frei führen, zum Betrug (wie
z. B. der Schlachter „den D–en zum Fleiſch wiegt“, die
Wagſchale niederdrückend). Fiſchart B. 209a; 211b ꝛc.
Der D–en fällt Einem in die Hand, vor Schreck, Ver-
legenheit, weil man den Muth verliert ꝛc. Gotthelf Erz.
3, 169; Käſ. 126; Einem den D–en halten, ihn unter-
ſtützen, ihm ſich günſtig zeigen. Zelter 5, 392; Einem
den D–en drehen, ihm ſchmeicheln ꝛc. Einem die D–en
ſchrauben, ihn foltern, ſ. daumeln. Er zog krampfhaft
die D–en in die Fäuſtc. Klinger F. 214; Man bricht der
jungen [ohnmächtigen] Frau die D–en aus. Gellert 1, 57.
Wie wollen wir den Fürſten den D–en auf dem Aug halten.
G. 9, 39 = ſie in Schranken halten: oft auch: Einem
den D–en aufs Auge halten. Muſäus M. 2, 71; Tieck Nov.
3, 196; Vater und Mutter den D–en gehörig aufs Auge
ſetzen und Geld herausſchrauben. Prutz Muſ. 3, 69; Möch-
ten die Naſe wieder höher tragen . ..; hat mein Herr ihnen
letzthin ſeinen D–en nicht feſt genug aufgedrückt! Alexis Dor.
1, Kap. 13; Du bringſt ſie unter den D–en. Spindler Stadt
1, 18; Daß ſie ſich nicht imponieren ließen, nicht unter dem
D–en ſeien. Gotthelf Sch. 116; Jedes will den beſſern D–en
[die Obergewalt] haben. U. 2, 203. Das Jucken im
D–en ſagt mir, daß wir bei ihm finden, was wir ſuchen.
Alexis H. 1, 1, 294; Juckend ſagt mein D–en mir, | etwas
Böſes naht ſich hier. Sch. 572b. Den D. gegen Jemand
beißen, um ihn durch dieſe Geſte zu verhöhnen, ſ.
Schlegel Romeo 1, 1 und Anm. und vgl. Feige 5; Wie
da der Senſenſchmied ſich freut | und ſeinem Nachbar Lan-
zenſchäfter ’nen Daumen beißt. Droyſen Ar. 1, 55 ꝛc.
Ein Diebs-D., D. eines Gehenkten, ſoll zauberkräftig
wirken, Glück verleihn ꝛc. 2) D. als Maß = Zoll
(vgl. Fuß): Zwei D–en höchſtens größer als ich. W. 12,
30; Ohne daß der Plan um einen D–en rückt. 11, 265;
Nicht eines D–ens breit. 252; Nur D–es groß. Grimm M.
130. Daher auch ein Perſönchen von geringer Größe,
ſo hoch wie ein D., „Däumchen“ heißt. Platen 4, 138,
ſ. Däum(er)ling. 3) am Handſchuh der den D. be-
kleidende Theil, Däumling 2, vgl. Fingerling.
4) im Berg- und Mühlenbau ꝛc. die Hebearme an der
ſog. D–en-Welle zum Aufheben von Stampfen, Häm-
mern ꝛc., auch die kleinen Hölzer an den Pochſtämpeln,
vermittels deren dieſe Hebearme die Stämpel heben,
die dann zum Unterſchied auch wohl Däumchen, Däum-
ling heißen, ebenſo wie zuw. die Kämme eines Kamm-
rads ꝛc.: Ein Geſtänge .. ., welches vermittelſt eines D–ens
mit einer Horizontalwelle . . . in Verbindung ſteht und ſie
hin und her ſchwankend bewegt. Forſter Anſ. 1, 286; [Es]
befindet ſich am Schuh ein Stäbchen, D., welches einige Zoll
in das Läuferauge hineinreicht und .. . das Schütteln des
Schuhs [in der Mühle] erzeugt. Karmarſch 2, 674; Die
Welle . .. hebt den Hammer durch die ſechs D–en. Mitſcher-
lich 2, 2, 102 u. v. ä.
Anm. Ahd. dûmo, mhd. düme. D–en iſt die gewöhn-
lichere Form; die Beiſp. zeigen auch D., ſo noch Heinſe A. 1,
271 und nam. L. 11, 161, wo beide Formen neben einander
ſtehn. Ableit. unſicher; nach Adelung zuſammenhangend mit
„Stamm“. Wohl verſch. (mundartl., veralt.) D., etwas
zum Feſtſtopfen Dienendes (frz. tampon) und dazu: (ver-)
dāūmen, feſt-, verſtopfen. Schmeller 1, 371; ferner: D.,
Dampf. ebd.; verdaumen, ſ. verdämpfen.