Faksimile 0278 | Seite 270
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dauern
II. Dāūern, intr. (haben):
1) urspr.: theuer, werthgehalten sein, nur knapp und sparsam hergegeben werden. Diese Bed. liegt noch vor in Beisp. wie folg.: Die Stadt selbst wär zu kaufen, sofern man ein Kaufmann finde, der sich kein Geld d. ließ. Fischart B. 254b; Es dauerte sie jeder baare Pfennig, den sie aus der Hand geben sollte. G. 18, 337; JvMüller 1, 356; Sie .. ließen sich das [ihr] Blut nicht d. Sch. 65b; Sich weder die Zeit noch die Mühe d. zu lassen. W. 15, X; u. o. Aus der Wendung: sich Etwas d. [theuer sein, dünken] lassen = es nur mit Verdruß, ungern, u. sparsam hingeben etc., entwickelte sich sofort die Bed.: sich Etwas leid sein lassen, und zwar auch ohne den Nebenbegriff des Hin-, Preisgebens; also: 2) das Gefühl des Leidseins, der Unlust, die wir über Etwasempfinden, haben:
a) Etwas, Jemand dauert mich, jammert mich, thut mir leid: Die Menschen d. mich in ihren Jammertagen. G. 11, 15; Goethe, du dauerst dich, daß du mich [die deutsche Sprache] schreibst. Wenn du mich kenntest, | wäre Dies dir nicht Gram; Goethe, du dauerst mich auch [thust mir leid, erscheinst mir kläglich, jämmerlich]. Kl. (s. Sch. G. 2, 267); Du tauerst mich. L. 1, 133; Der Mann dauret mich. 12, 257; Sch. 329a; Stilling 2, 24; W. 11, 174 etc.; Sein Schicksal, Mißgeschick, Unfall dauert mich etc.; Es dauert mich, daß dir Das zugestoßen ist, daß ich Das gethan habe; Mich daurt zu sehn, wie etc. V. Sh. 2, 490.
b) vereinzelt auch mit Dat. st. Accus. der Pers.: Dauert es [d. Kind] etwa noch Einem. B. 241 (Jlias 22, 492); Wie dauerte ihr [„sie“ 7, 166] nicht der wohlgeschriebne Brief. Thümmel (Wilhelm. 1768, S. 82), vgl. auch Spate 283, und: Daß ich mir die Mühe nicht habe d. lassen. W. (Mercks Br. 2, 227).
c) zuw. mit Genit. der Sache, welche das Gefühl des Leidseins erweckt: Ach, wie dauret mich der Zeit. Günther; Wie dauret mich deines jungen Blutes. Spee Trutzn. 87; Spate.
d) Ungw.: Ob du einst ... wirst die Trinker dauern, | wenn du beim Konkurse weinst. Göckingk 1, 137 = ob du Schmerz über sie empfinden wirst (vgl. bedauern).
Anm. Zur Bestätigung des Zusammenhanges mit „theuer“ (vgl. Schmeller 1, 453 namentlich „taurlich“, nach meiner Schätzung und 454) einige Belege: Pictorius 88b stellt zusammen: Ohn alles D. und Sparen; in der Stelle: „Wollt ihr mit mir theilen euer Trinken und eu’r Brot? | Entbehren musst ich Beides wohl seit dreien Tagen.“ Simrock Gudr. 80 lautet es in der Urschrift: daz ist mir gewesen tiure wol drier tage wile; Sie hatten noch kein Feuer, Wald hatten sie genug: 104 = Viwer was in tiure [Feuer war ihnen kostbar, nicht vorhanden] u. ä. m.; tiuret in da ezen (da wurde ihnen das Essen knapp). Lanz 144; in verdürte nie dehein kleit (Ihn verdroß, dauerte nie kein Kleid). Herbort 3081 etc. So auch im ältern Nhd.: Dich wird auch die Mühe und der Weg nicht getewren [geteuren = dauern, verdrießen]. Schaidenraißer 7b (Od. 2, 274); Wahrlich, mein Leib und Leben soll mich nit beteuren. 67b (16, 102) u. ä. m. L. wollte in unserm Wort t als Anlaut geschrieben wissen, doch bietet die Lachmann’sche Ausg. sehr häufig auch d. (s. Herrig 18, 220); Spate 283 und 2, 11 schreibt dauern (jammern) und tauern (währen). Das Ew. taurig, Stilling 3, 7, scheint aber nur Druckf. st. traurig, obgleich sich mundartl., z. B. auch bei FrMüller, die Dauer = die mitleidige Stimmung worüber findet, s. Weigand’s Deutsch. Wörterb.
Zsstzg. z. B.: Be-:
1) veralt. u. mundartl. = dauern: Mich bedauert Etwas, auch eines Dings; Ich lasse mich Etwas, eines Dings b. Schmeller 1, 453; Grimm 1, 1220; Diese Schmach bedauerte den Propst. Bluntschli bei Adelung.
2) tr.: Einen, Etwas schmerzlich, herzlich, von Herzen, innig, sehr, höchlich b.; Ich bedaure sehr, daß ich Sie nicht getroffen habe; sie nicht getroffen zu haben etc.; Am meisten B. [Mitleid] hab ich mit den Officieren. Anerbach Gv. 327; Mitleid und B. sind oft verwechselte und doch himmelweit unterschiedene Begriffe . .. Die Äußerung des B–s bedingt ein gesteigertes, das Bedauertwerden ein deprimiertes Lebensbewusstsein; B. ist nicht beklagen: B., Mißachtung und endlich Verachtung, Das ist eine folgerichtige Reihe, die den Gegenstand dieser Gefühle immer mehr von uns entfernt. Waldau Nat. 1, 128, vgl. Mitleid. Dazu: Bedau(e)rung, f.; z. B.: G. 27, 378; Zur allgemeinen B. [Leidwesen] aller Gutschmecker. Musäus M. 5, 113; Sch. 707betc., vgl. Bedauernis.