Faksimile 0193 | Seite 185
Faksimile 0193 | Seite 185
Faksimile 0193 | Seite 185
bohren
Bōhren, intr. (haben), tr. und refl.:
eig., durch wiederholte drehnde Bewegung eines spitzen Werkzeugs ein Loch in Etwas machen; versch.: Ein Loch in Etwas hauen, stechen, stoßen, schießen etc., wobeinicht gedreht wird: Weiß Niemand, ob es gehauen oder gestochen, gebohrt oder gebrannt ist (sprchw.). Garzoni 16a etc.; doch bez. zuw. b. auch allgem. nur: ein Loch machen, z. B.: Das sogenannte B. der Wasserleitungsröhren aus Kalk- oder Sandstein ist meist ein Durchhauen oder Ausmeißeln. Karmarsch 1, 321 etc. (s. 1d). Anderseits tritt der Begriff des Loch-Machens mehr zurück und der Hauptbegriff wird: drehn, sich unablässig auf einen Punkt heften, richten, um ihn gleichsam zu durchdringen etc.: 1) tr.: das Obj. kann mehrfacher Art sein:
a) die bewirkte Offnung: Löcher ins Brett b.; sprchw.: Ein Loch in den Mond b. Chamiso 5, 59 (nach den Frz. = seinen Gläubigern auskratzen); einen Flintenlauf, artesischen Brunnen b. etc. Ohren hast du mir gebohrt. Mendelssohn Ps. 40, 7. Das Wasser bohrt sich eine Höhlung. Burmeister Gsch., 9; ein Bett. Körner Sch. 3, 303; ein anders Rinnsal. Hebel 3, 382. Sich einen Weg durch die harten Augenhäute zu b. Vogt Oc. 1, 291. Einem eine Wunde in das Leben. V. Th. 11, 16; in der Wollust Rosenbild b. Sch. 5a etc.
b) metonym.: der Gegenstand, in den man Löcher bohrt: Ein Brett, Holz, Stein, Metall, Glas b. etc. Ein fauler Geselle, der keine harten Bretter b. will. Kerner Bild. 102; Das Brett b., wo es am dünnsten ist [sich die Sache bequem machen]. Auerbach Dicht. 2, 126; L. 12, 269 etc.; Wie mit dem Bohrer ein Mann den Balken des Schiffes | bohrt etc. V. Od. 9, 384; Das Schiff ist für 20 Kanonen gebohrt etc.
c) das bohrende Instrument etc., wobei dann der Ggstd., den es trifft, mit in oder andern Präp. steht: Den Nagel in die Wand; Einem den Degen durch den Leib. Klinger Th. 4, 201; Sich ein Messer ins Herz b. [stoßen]. G. 14, 84; Ihm in die Seite zu b. das Haupt und die eherne Stirne. V. Th. 25, 144. So auch refl.: Käfer b. sich in Holz [ein], durch ein Brett [durch] etc. Übertr.: Sein Blick ist falkenscharf, aber nur für den Punkt, auf den er ihn fest gebohrt [geheftet] hält. Stahr (Nat. Z. 8, 43); Der Brief ... bohrte [prägte] sich ihr schmerzlich in die Seele. Lewald W. 2, 438.
d) ein Gegenstand, der durch das durch einen Zusatz näher bestimmte Bohren eine Wirkung erleidet: Den losgebohrten Schutt. Karmarsch 1, 70 [durch das B. losgemacht] etc. Nam.: ein Schiff in den Grund b. [schießen, d. h. Löcher hineinschießen, so daß es zu Grund sinkt]. Dichterisch auch: Kühnlich durch den Purpur bohrt der Pfeil der Rache | Fürstenherzen kalt. Sch. Anth.
e) der durch B. erhaltne Gegenstand (s. a): Einen artesischen Brunnen, Wasser, Salz b. (s. erbohren).
f) eigenthümlich sprchw.: Einem (einen, den) Esel [s. d.]. Fichte N. 77; W. 11, 29; ein Eselsohr [s. d. und deuten 5; drehn 1c] b. oder stechen (Frisch 1, 232c), vgl.: einen Mönch (s. d.), Gecken stechen, urspr.: durch eine besondre Geste, dann allgem. verhöhnen, zum Narren haben. Wohl vom Aufstechen eines Geschwürs hergenommen (vgl. Schmeler 1, 388): Das Dippel- [Geschwür] B., das Eselstechen etc. und so noch Scherr Graz. 1, 37: Den Bauern „den Dippel zu b.“ Gehört dazu auch bei Gotthelf Sch. 16: „Er bohrte Dünkel“? 2) ohne Obj.: sich an 1 anschließend:
a) Bohre ihm mit einer Pfrieme durch sein Ohr. 2. Mos. 21, 6. (Minder richtig auch hier mit Accus.: Nun bohrt er mit dem Fänger ... ihn so lang in Brust und Kehle. Müllner 2, 35); Der Kampfspeer | bohrte fern tief in die schwarze Erde. Talvj 2, 181; Gähnt, bohrt in der Nase. W. 10, 290; HBr. 1, 112; Mit dem Kopf gegen eine Eiche bohrend. Gutzkow R. 2, 234 etc. So auch:
b) übertr.: von einer unablässigen, zumal peinlichen Wirksamkeit: Das ewige Mäkeln, B., Nergeln. Monatblätter 1, 267a; Ein b–der Schmerz; Das bohrt [liegt mir fortwährend quälend] mir schon lange im Kopf. Bettine Br. 1, 274; Der junge stille Vetter hatte so lange gebohrt und gewinkt und nahe gelegt und zu verstehen gegeben. Prutz Mus. 1, 245 etc.
c) vom Auge, Blick: sich unablässig auf Etwas heften: Ihre Kohlenaugen bohrten auf ihm. Alexis Dor. 1. Kap. 9; Seine Augen bohrten brennend am Ufersaum hinab. Scherr Pilg. 1, 12; Fast aus ihren Höhlen springend bohrten seine Augen darauf hin. Pr. 262; Ich bohrte mit meinen Blicken nach dem Brunnen hinüber. Graz. 2, 282 etc.
Anm. Ahd. porôn, mhd. boren, stammverwdt. lat. foro, gr. περ, lat. per, Grundbegriff der des Durchdringens.
Zsstzg. vielfach z.B.: Ab-: Bergb. = fertig bohren, z. B. ein Loch.
An-:
1) an der Oberfläche eines Gegenstandes bohren Ggstz. durchb. —: Einen Käse, Baum, ein Faß a.
2) dadurch Etwas eröffnen: Wein a.; Eine Quelle bittrer Reue angebohrt. Gutzkow R. 5, 406.
3) übertr.: Einen um Geld a. (vgl. anpumpen); Er bohrt mich schon lange mit dem Lessing an. Brachvogel FB. 3, 240, versucht es immer wieder, mich für ihn zu interessieren etc.
4) bohrend Etwas woran befestigen: Stoßen eine Stange in den Bau ..., bohren so das Thier an, ziehen es langsam heraus. Tschudi Th. 203; Wandleuchter angebohrt. Gutzkow R. 4, 10, s. ein-b. Āūf-: bohrend öffnen, zumal etwas Verstopftes. Aūs-:
1) bohrend aushöhlen, z. B.: Cylinder, Gewehrläufe a. etc. Karmarsch 1, 327. So auch: Einen Becher oder Glas. Opitz 1, 135 = leeren.
2) bohrend fort-, herausschaffen: Den Spund aus dem Faß; Einem die Augen a. G. 7, 352; Talvj 2, 71 etc.; Salzw.: Das Salz a., aus der Siedepfanne nehmen, daher: Der Ausbohrer, vgl. Aufleger. c) aufhören zu bohren. I. Dúrch-: bohrend durchdringen: verstärkt: Der Speer | trifft, bohrt durch und durch und nagelt | ihn an den Boden an. Alxinger D. 357; Ein Loch durchgebohrt. Döbel 2, 170a; Als er sich ... durch die Menge durchgebohrt hatte. Hebel 3, 182 etc. II. Durch-: bohrend spalten, öffnen etc., eig. und übertr.: Den Felsen. LHNicolai 1, 41; die Mauer. V. 4, 129; das Schiff von innen. G. 13, 246; die Schläfe d. Richt. 5, 26; Von meiner Lanze durchbohrt. V. Il. 18, 90; Mosch. 4, 30; Den lebenvollen Busen zu d. G. 13, 76; Ein Pfeil durchbohrt mir das Herz. 14, 159; übertr.: Wie Nachrichten dieser Art dein brüderliches Herz d. müssen. Sch. 103b; 115a; W. 20, 122; Äußerungen, die mir die Seele durchbohrten. Chamisso 4, 251; Mark und Bein d. Arndt 311; Jch suche sie [die Natur] mit meinen Augen zu ergreifen, zu d. G. 14, 160; 18, 66; Einen Blick, als wenn du mich d. wolltest. Sch. 89a; 746a; Ich will seine Kabalen d. 193a; In seines Nichts d–dem Gefühle. 254b etc. Eīn-: bohrend in Etwas hineinbringen, befestigen etc.: Ein Loch in ein Blech e. G. 39, 446; Pult, an dessen Seiten zwei Handleuchter eingebohrt waren. Gutzkow Bl. 1, 282; Den Dolch e–d in des Andern Brust. Sch. 493a; Die Fühlhörner in St.’s Seele e. Stilling 4, 164; Die Pfahlmuschel bohrt sich in das Holz der Schiffe ein; Den eingebohrten Käfer. Tschudi Th. 182. Er-: durch Bohren erhalten: Die künstlich erbohrten artesischen Brunnen. Burmeister Gesch. 265; 124; Humboldt K. 1, 231; Erbohre dir ein reichliches Geschick. G. 6, 26 etc. Fêhl-: falsch, schlecht bohren. Hêr-, hín- etc. [2b]: 1200 Fuß in die Erde hinein zu b. G. Zelt. 5, 314; G. 18, 324; Könnt’ ich ... in des Geistes Mark hinein mich bohren. Groth 54; Danzel 447; Vom Pferde heruntergebohrt. Heinse A. 2, 20 etc. Lōs-: Auf den gewünschten Fund l. Zelter 5, 351. Nāch-: Etwas [noch nicht genug Gebohrtes]n., Einem n., als dem Vorgänger oder Muster. Nīēder-: Befiehl, daß sie mich n. Gotter 2, 334 [tödten]. Rāūh-, Schwarz-: s. Weiß-b. Über-: bohrend übertreffen: Du wolltest Esel bohren, doch wirst du überbohrt. Schlegel Ehrenpf. 104. I. Unter-: in den Grund bohren: Sie ließen sich nicht von einigen Nebenbuhlern u. Möser Ph. 1, 16. II. Unter-: bohrend untergraben. Ver-:
1) Das Zimmerwerk, ein Gebäude v., die Theile durch Bohrlöcher und hineingeschlagne Holznägel verbinden. 2) Eine Röhre etc. oder refl.: sich v.: falsch, schlecht bohren; Verbohrt, unbrauchbar auf solche Weise, aber auch = verdreht, von Menschen. Voigts H. 213. Vōr-: Ggstz. nach-b.: erst mit kleinerm Bohrer bohren, um das Loch nachher mit einem größern zu erweitern. Karmarsch 1, 70; Einem v., als dessen Vorgänger oder Muster; auch: ihm beim Bohren zuvorkommen. Wēīß-: Nachdem der [Gewehr-] Lauf durch dieses Rauh- oder Schwarz-bohren bis fast zur kalibermäßigen Weite ausgearbeitet ist, folgt das Weißbohren oder Polieren etc. Karmarsch 2, 79. Zer-: bohrend zerstören etc.: Zerhieben und zerbohreten [, zuboreten“] die seligen Röhren Gottes. Matthesius Luth. XXXVI. u. ä. m.