Faksimile 0186 | Seite 178
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Blüthe
Blüthe, f.; –n; Blüthchen, lein; –n-: 1) wie
Blume (ſ. d.), mit dem dort angegebnen Unterſch.,
wonach Blüthe allgem. von Pflanzen gilt, die Gebilde
derſelben, woraus ſich die Frucht entwickelt, bez., nicht
aber, wie Blume, auch einzelne geſammte Pflanzen.
So iſt z. B. der Roſenſtock eine Blume, die Roſen
daran ſind Blumen oder Blüthen desſelben; von Bäu-
men und fruchttragenden Pflanzen aber gilt gewöhnl.
nur B.: Männliche (die nur Staubfäden), weibliche (die
nur Stempel), Zwitter-B–n (die Beides haben) ꝛc.;
Taube B–n (auf die keine Frucht folgt); Herz-B., im
Ggſtz. der Neben-B–n (die innre). Reichard Gart. 2,
214; Schmetterlings-B. (Gutzkow 11, 76), Dolden-,
Lippen-B. ꝛc. nach der Geſtalt und Stand (ſ. Blume,
Zſſtzg. und Blüther), ferner z. B.: Erdbeer-, Bir-
nen- (V. Georg. 87), Kirſchen-B. (Salis 101); Baum-
und Kräuter- B–n | balſamten die Luft. Lange Hor.Od.
56; Daß wir die B. der Blumen ſuchen, nicht ihre Frucht.
L. 13, 82; Das kräftige Grün, die weiße B. und die goldne
Frucht. FSchlegel Luc. 6; Wo die Frucht der Heſperiden | zwi-
ſchen Silber-B–nreift. Matthiſſon 66; Purpur-B–n. 7 ꝛc.
So nichtbloß eigentl. von Pflanzen, ſondern allgem.
von allem Blühnden (ſ. blühn 2 ff.), in die Anwen-
dung vielfach mit Blume zuſammenfallend, worauf wir
in [ ] verweiſen: a) Dem Baume ..., von dem des Rauh-
reifs (ſ. d.) B. fällt, dagegen von künſtlichen Nachbil-
dungen ſelten, weil dazu gewöhnl. nur die durch Schön-
heit ſich auszeichnenden Blumen gewählt werden.
b) [2b] B–n am Finger, Nagel; eines Geſchwürs; ein Ge-
ſicht voller Blüthchen, Venusblüthchen. c) [2g] Um die
Schläfe gebräunt von der Erſtlings-B. der Jugend. V.
Th. 15, 85. d) Bergb.: zart kryſtalliniſch ange-
ſetztes Erz: Derbe B., wenn es einen dichten Körper
vorſtellt; Eiſen-B. oder Faſerkalk. Karmarſch 1, 567;
Kant Kr. d. Urth. 247, eine Art Tropfſtein; Kryſtall-B.
heißt man allerlei ſelenitiſche Anſchüſſe, die um die Kryſtall-
gruben gemein ſind. Haller 46; Kupfer-B., ein kupfer-
rothes fedriges Mineral; ein eignes kupferhaltiges Ge-
ſtein; verwitterte Farben auf den Erzen und dieſe ſelbſt
(Kupferblumen) ꝛc.; Schwefel-B. ꝛc. [2h]. e)
[2k] In dem Vater, der die B. der Ritterſchaft heißt. Gervi-
nus Sh. 1, 229; Er iſt die B. der Menſchheit, das Beſte
vom Beſten. G. Stein 1, 279; Sie, die B. von Granada, |
iſt von Chriſten mir geraubt. H. 8, 214; Richard Löwenherz,
der chriſtlichen Ritterſchaft B. Heine Rom. 57 ꝛc. f) [2h]
eine Perſon von jugendlicher Friſche und Zartheit,
andrerſeits aber auch noch unentwickelt, ſchwach, der
Pflege bedürftig ꝛc. (ſ. g): Ihre Tochter, es war ein hol-
des Blüthchen, ſie übergab mirs. G. 9, 372; Da ... dein
Vater ... die halberſtarrte junge B. pflegte. 13, 27; Sie
war eine B. von 16 Jahren, zart und ſchön aufgewachſen.
Zſchokke 1, 106; Was wollen Sie, unreife B.? Heine Reiſ.
3, 122; So mit zweifelbewegtem Gemüthe | die ſinnende
Widarba-B. Rückert Nal. 45, die der Widarbaflur ent-
ſproßne Maid ꝛc. g) [2n, o u. p] ſ. blühn 2 und
3 u. Baum 3, Frucht 3: Der Liebe B. iſt des Herzens
Milde. MBeer Arr. 101; Daß die Freude nur die vergäng-
liche B., nicht die dauernde Wurzel des Lebens. Börne 2, 110;
Am Baum der Menſchheit drängt ſich Blüth’ an B. ... | und
jede B. iſt ein Volk. Freiligrath 2, 125, ſ. u.: Menſchheits-
B.; Sie, | als B. ſeines hochbejahrten Stammes. G. 13;
235; Wie kann der kalte todte Buchſtabe dieſe himmliſche B.
des Geiſtes darſtellen! 14, 69; Wir haben die B. [die
oberſte Spitze oder den Rahm] abgeſchöpft. Stein 1, 313;
Die ſchöne B. des gegenſeitigen Zutrauens hatte doch gelitten.
Guhrauer L. 1, 234; Den ſchönſten B–en und Früchten ſeines
Geiſtes, 2, 64; Die Samen reeller Thatſachen von den B–n
der Erſcheinung abzuſtreifen. Gutzkow R. 1, 3; Man opfert
ihr der Jahre B. Haller 17; Der Ausdruck ... iſt die B. der
Vollkommenheit. Heinſe A. 1, 280: Überall windet die
B. des Lebens freier und freier von gröberm Stoff ſich los.
Hölderlin H. 2, 96; Sterne, die ewigen B–n des Himmels.
Humboldt Kosm. 2, 29; Die eigentliche B. ſeiner Empfindung
zerſtört. Platen 7, 40. So auch in vielen Zſſtzg., z. B.:
Dieſer lichten Geiſtes-B. [Gedicht]. Tieck NKr. 4, 89;
Fränkiſche Gift-B–n ausſtreuen. Voigts H. 93; Feſſelt dich
die Jugend-B., | dieſe liebliche Geſtalt? G. 1, 57; In
dieſer Jugend-B. W. 20, 249; Schmückeſt neu die Deinen
| mit friſchen Lebens-B–n herrlich aus. G. 13, 66; Liebe
iſt eine Lebens-B., welche der Wind verweht. Lewald Ferd.
2, 73; [Der Kuß] dieſe ſchöne Lippen-B. IP. 1, 147;
Die Griechen, eine der entfaltetſten der Menſchheits-B–n.
Zſchokke 1, 267; Und wie wir herangewachſen, | Nach-
bar--B–n eines Stiels. Müllner 2, 53; Unter Rede-B–n
und Geiſtesduft. Rückert Mak. 1, 103; Jugendröthe, Tages-
B. | bring’ ich [Eos]. G. 10, 310; Die goldenſten Traum-
B–n gebrochen und in einen duftenden Strauß gebunden.
Tieck Gſ. Nov. 1, 179 ꝛc. h) (ſ. blühn 4), etwas
glänzend Weißes, glänzend Rothes, Friſches ꝛc.: Mei-
nen Schläfen entſproſſt B. des Alters bereits. Knebel 1, 20;
Sieht bang auf ſeinem Haupt die weiße Kirchhof-B. Beck
Arm. 257. Ihres Nackens B. durchbohrend. Geibel Rod.
201; Die Zartheit und die B. des Fleiſches. Heinſe A. 1, 89;
Obgleich die Farbe ... ſich blühender aufSchwarz ausnimmt,
weil ihre B. durch die Strahlen des Schwarzen gehoben wird.
G. 39, 33. Das Elend hat die B. von meinen Wangen
geſtreift. 9, 333; Warf den erſten Brand | aufs Holz, auf
daß es Flammen-B–n trieb. Meißner Ged. 138. i) [ſ.
2q und r] Da ich die Früchte der aufgeopferten B. einzu-
ernten dachte. G. 9, 340; Sie ſchwört, wie einſt im Mutter-
leib ſei jetzt | die jungfräuliche B. unverletzt. Streckfuß Rol.
1, 55. k) Gaunerſpr.: B–nſchmeißen, falſches Geld
hinwerfen, um von dem Finder einen Antheil in richti-
gem Geld ausgezahlt zu erhalten. Klencke Gſp. 2. 153 ff.
1) 1) Blaue B., ſpaniſcher Flieder. 2) verſch. von
Blume = Flor, das aber als Geſammtbez. nicht von
Pflanzen überhaupt, ſondern nur von Blumen und zwar
gewöhnl. von künſtlich gepflegten gilt, der Zuſtand
des Blühns, die Zeit desſelben und die Geſammtheit
einzelner als Einheit zuſammengefaßter B–n: a) eigentl.
von Pflanzen: Es war um die Zeit der Roggen-B. Im-
mermann M. 1, 295; In B. ſtehn; Die Roſen- und Nel-
ken-B. war vorüber, aber wir ſahen dafür eine reiche
Aſtern-B. [Man achte auf die Ez.!]. Das nach allen
Seiten hin blendend ſich verbreitende Weiß der Baum-B.
G. 18, 329; Mit Frühlingsblüth’und Blumen angefüllt.
6, 103 [wenn hier nicht die Endung „en“ als gemein-
ſam aufgefaſſt wird]; Das Baumelyſium zur Zeit der
Frühlings-B. Fallmerayer Or. 2, 11 ꝛc., ja ſelbſt: In
des Blumengartens B. | wechſeln ſie der Liebe Pfänder. H.
8, 210, etwa = in dem blühnden Blumengarten ꝛc.
b) übertr.: blühnder Zuſtand, Zeit der B.: In der
(erſten) B. der Jugend. Engel 12, 42; Forſter R. 1, 249;
der Jahre. 173; der Tage. Sch. 507a; Nicht mehr in erſter
Jugend-B. Gutzkow R. 1, 40; In der vollen Jugend-
B. Glanz. FSchlegel Al. 16; In ſchöner (Heinſe A. 1, 10),
friſcher (128; 2, 36), in ſeiner beſten (G. 21, 78), im
Augenblick ſeiner höchſten (22, 24), in ſeiner widerwärtigſten
B. Heine Reiſ. 4, 176; In meiner Sünden B. hingerafft.
Schlegel Haml. 1, 5; In ſeiner Sünden Maien-B. 3, 3;
Mich zerſtört in meiner B. Sch. 428a; Genuß, den die volle
Jugend-B. giebt. Forſter Br. 1, 485. Das Gedeihen
der griechiſchen Kunſt-B. Guhrauer L. 1, 93; Daß ihre
eigene Jnduſtrie durch die öſterreichiſche Manufaktur-B.
gehemmt werde. Kohl Irl. 1, 119 ꝛc. c) eine blühnde
Geſammtheit: Des Adels B. fällt. Sch. 543a; War er
dann unter der B. junger Mädchen, ſo fand er leicht eine oder
mehrere von ihnen liebenswürdig. FSchlegel Luc. 186; Sie
ſind die B. und der Stolz des rothen Geſchlechts. Sealsfield
Leg. 2, 44; Ihr, der Jungfrau Blüth’ und o Knaben! V.
Hor. 1, 264 ꝛc.
Anm. Ahd., mhd. bluot. S. Bluſt, Blüh ꝛc.; neutr.
(= Blume 9) ſ. Grimm 2, 176; als Beſtimmungsw. zuw.
uv., ſich an die kollektive Ez. anſchließend: Im blüthegleichen
Schnee. LHNicolai 1, 197; Den blüthevollen Zweig. Uhland
155; Die ganze Luft iſt warm, iſt blüthevoll. G. 2, 73 ꝛc.
Zſſtzg. ſ. o.; einzelne gelten auch als Farbbeſt. (ſ.
Blüthen II). Ferner mit Vorſ., zumal im Sinne von 2
den Zſſtzg. von blühn entſprechend, wie: Áb-: Ihr
Wachsthum, ihre Blüthe und A. H. Gott. 216; A. und Hin-
fälligkeit des Körpers. JP. 24, 114; 40, 45. Āūf-:
Der ... die A. mancher Blumen hier beſchleunigt, dort ver-
ſchiebt. IP. 4, 248; Zur friſcheſten A. und zum Vollwuchs.
34, 221. Āūs-: die Blüthe in ihrer vollkommnen
Entfaltung, in ihrem Heraustreten: Die Maſchinen er-
ſchienen mir als die letzte A. an dem Baum der Wiſenſchaft.
Kohl A. 2, 429; Alle äußere A. des Katholicismus abge-
ſtreift. Irl. 1, 383. Nāch-: Da die Blüthe des eng-
liſchen Dramas und beinahe ſchon die N. desſelben vorüber
war. Danzel 129; Es erlebte ... eine nicht zu verachtende
N. ſeiner Herrlichkeit. Hettner gR. 28; 183 u. a. m.