Blut
Blūt, n., –(e)s; 0; Blütchen, –leinl (s. 9); -, –s-:
eigentl. die in den Adern des thierischen Körpers enthaltne Flüssigkeit, zumal die rothe bei den Wirbelthieren: Säugethiere und Vögel haben warmes, Amphibien und Fische kaltes B.; das B. der Gliederthiere ist meist weißlich; Roth wie B. 78b u. v.; Ein Kind wie Milch und B. 449 [weiß und roth] etc. —
1) B. im Körper: Ich habe Fisch-B. im Leibe, sehe nach keinem Mädchen etc. V. 198; Bis sein Fisch-B. siedend heiß wird. Uing Kurf. 1, 45 etc. (s. 3); B. der Arterien, der Venen etc.; Das B. ist im Umlauf, fließt rein durch die Adern 31, 23); rinnt wie Feuer F. 6); kocht 3, 170) in den Adern; Wie siedet mein gejagtes B. 1, 293; Das B. wallt, ist in Wallung, in Aufruhr, in Aufregung, stürmt durch die Adern etc. —, beruhigt sich, ist ruhig, schleicht matt und träge durch die Adern, stockt; erstarrt (beim Schreck), tritt nach dem Herzen zurück; steigt Einem zu Kopf, in die Wangen, schießt in die Wangen, tritt ins Gesicht; Etwas treibt Einem alles B. ins Gesicht, zurück etc. —
2) B. aus dem Körper: Das B. fließt, strömt aus der Wunde, will nicht stehn, wird gestillt, gestellt; Das B. stürzte ihm aus Nas’ und Mund; B. speien, brechen, husten, aushusten; Einem Kranken B. entziehn, durch Blutigel, Schröpfen, Aderlaß etc.; B. lassen, auslassen. G. 151 = Ader lassen, auch übertr.: B. lassen müssen (z. B.: IP. 63) = schlimm wegkommen, mit empfindlichem, schwerem Verlust (s. bluten 5) etc.; Der Kranke hat viel V. verloren; Im B. liegen, schwimmen, sich baden (eigentl. z. B.: Nib. 101; 842), oft = reichlich B. vergießen, d. h. morden; B. trinken Nib. 2051), lecken, saugen; nach B. dürsten, gierig sein u. v. a., Namentl. auch die Redensart: Blut (blutige Thränen) weinen (vgl.: 11), zur Bez. des tiefsten Wehs. Nib. 1009; 8, 247; B. weinen und das B. [Leben, s. 5] des Sohnes nicht erkaufen. Rost. 116b etc. — Ebenso: B. schwitzen, vor Angst, Weh, peinigender Anstrengung etc. Ferner: Streich’ bis auf’s B. 1, 180 [so daß B. danach fließt] und danach übertr. = bis aufs Außerste, im höchsten Grad: Bis auf’s B. widerstehn. 12, 4; drücken. 1, 113; von sich geben [vomieren]. A. 1, 158; handeln [feilschen]. 5, 201; aussaugen. Lut. 1, 210 etc., vgl.: Ihr Herr Großvater sog unser B. [s.: 5, nahm uns das zum Leben Nothwendigste, preßte und plagte uns etc.]. 3, 109. —
3) Das B. gilt als Sitz der Seele: Das B. ist die Seele. 5. 12, 23. Vgl.: Sich ins B. [ins Innerste, in die Seele hinein] schämen. Post. 4, 37 etc. Dazu wohl auch die Betheuerungsformel etc.: Mein B.! 1, 181; 1, 111 (= meiner Treu, wahrhaftig); Meint Er denn aber, Herr, beim B.! | daß mein Maidel was Böses thut? 7, 166 [im Fluch]. Und darf beim B–e Nichts [= gar Nichts, s. Anm.] verstehn. F. 165, vgl.: Meiner Seel’! obgleich z. B.: Potz B.! 1, 90, auch als Betheurung bei Gottes, des Heilands B., Wunden gefasst werden kann (s.: Potz Blust). Sehr oft B. = Sinn, Gemüth, Empfindung, Temperament, Wesen, innre Eigenschaft etc., wie sich denn die Gemüthsbewegungen in der raschen oder langsamen Bewegung des B–es bekunden (vgl. 1): Mein B. empört sich bei solcher Behandlung; Bei ruhigem B. wirst du anders urtheilen; Auf seine Unterthanen mit kaltem B. schießen. Br. 2, 80; Daß in unsern Reden nicht Alles Geist und B. ist. 2, 124; Hab’ oft einen dumpfen düstern Sinn, | ein gar so schweres B. 1, 14; Da lief mir Was durchs ganze B. 17; Wie ich dich liebe, | mit warmem B. 59; Bei heiterem Sinn, mit fröhlichem B. 101; Habt getrost ein warmes B., | froh und. frei wie ich. 4, 13; Ein gewaltsam neues B. | treibt nicht den König [dazu]. 13, 11; Seine Offenheit, sein glückliches B., das alles Wichtige leicht behandelt. 9, 154; Jch habe zu der spanischen Lebensart nicht einen B–stropfen in meinen Adern. 175; Dieser Mann trägt seine Sorglichkeit in mich herüber. Weg! Das ist ein fremder Tropfen in meinem B–e. 185; Kerls, die keine Ader griechisch B. (s. 8) im Leibe haben. 7, 214etc. —
4) Dazu auch wie im eigentlichsten Sinne: Pervonte ... macht gutes B. dabei [ befindet sich wohl]. 12, 13; 48; Hofft! Man macht dabei zum mindsten rothes B. 20, 86 etc., auch übertr. auf die Gesinnung: Etwas setzt, macht grR. 257), giebt 14, 83), aus Etwas wächst 2, 447) böses, kein gutes B. = Haß, Gesinnung, die dem Andern zu schaden sucht, wie Krankheit dem Körper. Bei Luther z. B.: 5, 76b; 124a: Böse B. machen. —
5) B. als der Lebenssaft, das Belebende, den Körper (und übertr.: den Geist) Ernährende, frisch und gesund Erhaltende, das Leben selbst: In Saft und B. um- oder verwandeln; Frische Nahrung, neues B. | saug’ ich aus freier Welt. 1, 63; [ Der Muskateller] frischt mir das B., giebt freien Muth. V. 585 etc. — Für Etwas Gut und B. [Leben] einsetzen, opfern etc.; Mit Gut und B. für Etwas stehn, Etwas vertheidigen etc.; Spendete nimmer der Graf sein Gut, | so wagte der Bauer vielleicht kein B. Für meine Lieben ließ ich Leib und B. 11, 149; Gegen ihr eignes B. und Leben in die Schranken treten. Mor. 1, 10. —
6) So untersch. namentl. Fleisch und B. das wirklich Lebende von dem nur so Scheinenden, von Gespenstern, Schemen etc., die nach altem Glauben (s.: Od. 11, 153 etc.) durch B. Besinnung erlangen, vgl.: B–los wandeln die Gestalten der Wirklichkeit, wie Schemen vor uns dahin. 14, 101 etc.; Hohle Masken ohne B. und Sinn. 4, 23; Kann sie im Wasser Liebesgluth | entzünden: | wie soll man Ruh mit Fleisch und B. | wohl finden? 1, 166; 11, 86; Der Dramatiker ..., wenn er seine Geschöpfe da droben auf dem Gerüste in Fleisch und B. umherwandeln sieht. M. 4, VII.; Bei Leuten von Fleisch und B., und nicht bei hohlen Leuten in der Nimmerwelt. Weihn. 25; Hat ein Feind nur Fleisch und B., | ich bin sein Mann. 20, 40; Bang und ohne B. | gleich einem Gipsbild. 184; 58b etc. — aber auch der irdische Mensch im Ggstz. des Geistigen, Göttlichen. 17, 29; 1. 15, 50; 16, 17 etc. —
7) B., vergoßnes B. (s. 2) = Mord, gewaltsamer Tod: Die Stimme, deines Bruders B. schreit zu mir. 1. 4, 11; 37, 26; Der soll des B–s schuldig sein, als der B. vergossen hat. 3. 17, 4; 4, 25, 27; Eine Sache vor Gericht zwischen B. und B. 5, 17, 8 u. v.; Zwei Sippen sind es, B. ist zwischen ihnen | und B. will B. 4, 132; Ich feilsche nicht um meines Vaters B., | denn B. will B. 136; Der schnöde Preis des B–es. 126; Und soll ich geben B. um B., | will B. um B. ich nehmen. 3, 212; Wie ist Orest dem Tage | des B–s entgangen? 13, 41; Dem von Furien Verfolgten | des Mutter-B–es Schuldigen. 79; [Die] ihr Zeugnis mit ihrem B. versiegelten. 11, 80; Martyrer-B. R. 8, 303; Floß Omars junges Helden-B. | durch Gusmanns Ritterspieß. u. v. (s. Blut-Schuld, -Rache etc.). —
8) B., das zur lebenskräftigen Fortpflanzung Nothwendige, das Fortgepflanzte, Erzeugte, Geschlecht, Stamm, Abstammung: B. ist B. und Art ist Art. G. 190; Wo das B. nicht hinläuft, da kriecht es hin (= das verwandtschaftliche Gefühl regt sich auch in entfernterm Grade); Das B. verleugnet sich nicht. 3, 500; Das liegt im B. (ist angeboren) etc.; Ein Roß aus arabischem B–e. 4, 274; Kinder eines B–es. 242; Wir sind doch ein B. H. 1, 1, 37; Verwandtschaften des B–es. [Ggstz. der Seele]. 1, 247; Wo das verbrecherische B. der Ahnen durch die ganze Reihe der Geschlechter fließt. 1, 25; Aus edlem B. entsproß. 13, 303; Vom Fürsten- B–e. 261; Stammt von Götter-B. 244; Verrathet ihr ein hohes B. 2, 7; Daß die Pferde ausgeartet und das reinste schöne B. sehr selten geworden ist. Nachgel. 204 etc. Oft von Personen: Unser Bruder, unser Fleisch und B. 1. 37, 27; Ihr eigen B. gab ihr den Tod. 13, 42; 4, 129; 131 etc. Sie, ein so altes B. [aus so altem Haus]. F. 3, 53 (vgl.: Voll-, Halb-B.; blut-edel etc.). —
9) (s. 8) aber auch ohne derartigen Bezug = Person, nach ihrer Wesenheit bez. und daher gewöhnl. mit Ew. (vgl.: Menschenkind), sehr oft junges B. (vgl.: Blüthe 1f): Du bist ein junges B., | in deinen Jahren hat man Kraft. 1, 70; 166; 11, 38; 112; 119; 124; 145; 34, 238; Tag. 95; 3, 443; Mak. 2, 152; Das junge B. will ... heirathen. Acc. 1, 176; NKr. 2, 9 (vgl.: Neue Sorgen für dein junges B. 8, 131, = deinen jungen Sinn, Herz); so auch: Das junge, das edelste 1, 148); o süßes, o himmlisches (8, 145); das arme 3, 160); ich krankes N. 434); ich unschuldiges 1, 186); Wir bäurisch treues B. G. 6, 43; Was will sich denn ein arm Fleisch und V. vermessen .., göttliche Sachen zu regieren. 5, 2b; Wenn nun ein solches B. | zu Gott seufzt. 3, 29; Ein dreist Poeten-B. Garb. 51; 55; Das unschuldige Schwaben-B. M. 3, 77; Ganz der Alte, das treue Helden-B. 93; Rost. 13a; Das edle B. Telemachus sprach. 69a (Od. 16, 308) etc. Vgl.: Ein bischen locker ..., wie’s eben das junge Fleisch meistens ist. 131a. — Zuw. auch masc., z. B. von einem Einfältigen (s. Tropf): Als nun der Abt diesen schlechten B. fragt. 338 (s. auch: Halb-B. etc.). In diesem Sinn auch Verklein.: Ein frisches Blütchen. V. 712; Die armen Blütlein. Am. 8c (s. auch: Blüthe). —
10) der Saft der Reben etc.: Reben-, Weinbeer- 1. 49, 11; Trauben-B. 5, 32, 14; Bringt mir B. der edlen Reben, | bringt mir Wein. Der Traube süßes Sonnen-B. 321; Der Traube trinkbares B. Goldnes Muskateller-B. 2, 95; Des rothen Asmannshäusers B. Waldm. 11; In der Traube goldnem B. 19b etc. Zuw. auch = Thränen (s. d.) des Weinstocks, vgl. (2) B. weinen und bluten 6. —
11) eine Krankheit der Rinder, s.: und vgl.: Brand-, Lungen-, Rücken-B. —
12) Etwas von blutrother Farbe, s. bluten 7, z. B.:
a) Alchymie: B. des Salamanders, die rothen Dämpfe der rauchenden Salpetersäure. —
b) Die zu Perlen ver- arbeiteten rothen oder B.-Korallen werden nach ihrer Schönheit unterschieden als erstes, zweites, drittes B., B.-Schaum, B.-Rose etc.
Anm. Ahd. mhd. bluot. S. blühen. Blume 2 r, Blüthe und ferner Geblüt. — Über das Geschlecht s. 4 und 9. Als Bestimmungsw., wobei man die (2) entsprechende Bed. = „im hohen Grade“ beachte, z. B. in: B.-albern, -arm, -fremd, -jung, -sauer, -selten, -wenig (s. auch 3: beim B–e Nichts, ferner: Ich habe keinen B–pfennig. Dicht. 1, 14, wohl = rothen) meist uv., doch z. B. gewöhnl.: B–s-Freund, -Verwandter, -Tropfen etc.
Zsstzg. meist aus dem Vorstehnden klar, einige mehrdeutig, z. B.: Helden-B. 7; 8 u. 9 etc. Wir erwähnen nur: Bránd- [11]: Krankheit der Schweine. — Búngen [11]: Krankheit der Rinder, indem sich Luft zwischen Fleisch und Fell setzt und dies trommelartig auftreibt. — Hálb- [7]: Ggstz.: Voll-B., dessen Geschlecht nur von einer Seite edel ist, zumal von Pferden, zuw. auch masc. [9]: Als er auf seinem H. dem Schlosse zusprengte. Freitag Soll 1, 31. —
Hérz(ens)-: im Ggstz. des Venenbluts, das Lebens-B.: Herz und Herz-B. ihrem Herrn zu opfern. Chamisso 6, 248; Der Weißen rothes Herzens-B. vergossen. 4, 95; Sch. 2, 38; W. 11, 149 etc. — Johánnis- [12]: 1) Art purpurrother Schildläuse, wilde, deutsche Kochenille, polnischer Kermes. — 2) Pflanzen: Scleranthus perennis; ypericum perforatum. —
Jūgend-: was in jugendlichem Glanz, Feuer etc. strahlt, strömt: O Morgenroth, ich glühe | von deinem J. [s. bluten 6]. Mörike N. 109; Ew’ge Liebe .., du bist ein ewig J. Uhland 25. —
Kámpf-: kampfbegieriges. Gutzkow R. 9, 119. —
Lêbens-: Herz-B.: Das Wasser ist das L. einer Stndt. Stahr Par. 151; Für die Freiheit ihr L. verströmt. Rep. 3, 278 etc. —
Opfer-: Blut geschlachteter Opfer. Sch. 13b. —
Púrpur-: purpurrothes B. Sch. 4a. — Rêben- [10]. —
Rōsen-: rosenfarbnes, z. B. alsZeichen von Feig- 23 heit. Börne 2, 153. — Nǘcken- [11]: eine hitzige Krankheit bei Rindern und Schafen. —
Schlácht-: in der Schlacht vergossnes etc. Stolberg Il. 18, 537. —
Schnécken-: Purpur. Lohenstein Ros. 96 u. o. —
Sühn-: sühnendes. V. 3, 43. — Trāūben- [10]. — ūber- [11]: Milzbrand. —
Vóll-: s. Halb-B.: Radikales V. GotthelfSch. 224; V–s-Doktrinäre. 193; Nicht die innwohnenden Tugenden der Stärke, des V–s, der Ausdauer kommen [beim Wettrennen] in Anschlag. Heine Lut. 2, 18; DasV. | von Altchristen, das sich nie, |nie vermischt hat mit dem Blute | von Moresken. Rom. 105; Das edelste V. (– –). Schwab 2, 442, s. vollblütig. — Wásser- [12]: eine Pflanze, Wasserpfeffer u. ä. m.
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