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Bier
II. Bīēr, n., –(e)s; –e; –chen, lein: -: 1) eigent-
lich ein gegorner, noch in langſamer Gärung befind-
licher, durch Hopfen gewürzter Malzaufguß; aber auch
ausgedehnt auf Getränke aus einer zuckerhaltigen Flüſ-
ſigkeit, die durch Zuſätze gewürzt und in geiſtige Gä-
rung verſetzt iſt, z. B.: Ingwer-, Sproſſenbier ꝛc. (ſ.
Karmarſch 1, 194): B. brauen, faſſen, füllen, zapfen, ſchen-
ken, trinken, ſaufen ꝛc.; Zu B. gehn, beim B. ſitzen ꝛc. (im
Bierhaus, in der Kneipe, ſ. Bierbank). Das B. iſt ſtark,
fett, feiſt, gut, hell, klar, ſchäumend, bitter, ſüß, alt, friſch,
neu, gehopft, braun, (roth), weiß, getauft, trübe, dick, bar-
mig, ſchal, ſauer ꝛc. Etwas ausbieten wie ſauer B. [das
Niemand kaufen will]. Je toller gebraut, je beſſer B.!
Sprchw., z.B. Hackländer Handel 1, 201 = das Verkehr-
teſte nimmt oft den glücklichſten Ausgang, geräth am
beſten; Ein neues B. aufgethan. Willkomm Sag. 1, 234 =
ein Gebräude B.; auch: Ein B. = ein Seidel (Krug,
Töpfchen, Flaſche, Stange ꝛc.) B., z. B. Heine Reiſ. 3,
22; Dies Haus hat des Jahres die Gerechtigkeit auf drei
B–e, dreimal zu brauen, ſonſt die Mz. auch zur Be-
zeichnung der verſch. Sorten: Fremde B–e werden ver-
ſteuert ꝛc. B–chen zur Bezeichnung des Einem be-
hagenden, vgl.: Weinchen, Thälerchen ꝛc. S. Cerevis,
Birch, Stoff, Ale, Porter ꝛc. 2) Das B. ward [in Eng-
land] für ſo nothwendig geachtet, daß man wie noch heut
zu Tage im Holſteiniſchen viele Feſttage gar nicht anders
als nach dem B. nannte. V. Sh. 2, 613, ſ. Zſſtzg.
Anm. Ahd. bior, mhd. bier, mit unſichrer Abſtam-
mung, nach Einigen vom lat. bibere, am wahrſcheinlichſten
vom agſ. bere, Gerſte, wie noch jetzt die ſogen. ſechszeilige
Gerſte in Schottland bear heißt. Viele großentheils ver-
altete Namen einzelner B–e, z. B. (vgl. Endesfelder Kinder-
geographie [1759] 2, 67 ff. und Spate): Alteklauß (Bran-
denburger), Ambock (Münchner), Angſt (Gärdener), Beiß den
Kerl (Boizenburger), Black (Kolberger), Bock (Münchner),
Bocksbart (Wartenburger), Breihahn (Halberſtädter ꝛc.),
Brauſeloch, Bruſelock (Beneckenſteiner), Buſe (Osnabrücker)
Dorfteufel (Jenaer), Duckſtein (Königslutter), Filz (Magde-
burger), Fried und Einigkeit (Küritzer), Garlei (Gardelebiſches),
Goſe (Goslariſches), Hoſenmilch (Dransfelder), Jſrael (Lü-
becker), Junker (Marburger), Kakabulle (Ecklenförder), Kamma
(Herforter), Kater (Stadiſches), Keuterling (Wettiner), Koite
(Münſterſches), Klapitt (Helmſtädter), Klatſch (Jenaer), Krab-
bel an der Wand oder Mord und Todſchlag (Eisleber), Klotz-
milch (Bauzner), Knieſenack (Güſtrower), Kuckuck (Wittenber-
ger), Kuhſchwanz (Delitzer in Böhmen), Lumpenbier (Wer-
nigeroder), Luntſch (Erfurter), Moll (Nimwegiſches), Mumme
(Braunſchweigiſches), Pohk (Pattenſer), Preußing (Königs-
berger), Puff (Hälliſches), Raſtrum (Leipziger), Rumeldaus
(Ratzeburger), Scheps (Breslauer), Schüttelkopf (Riddags-
hauſer), Schweinepoſt (Straßburger), Stähl den Kerl (Hade-
ler), Stürzebarthel (Merſeburger), Witteklauß, weißer Klauß
(Kieler), Wollſack (Brockhuſer), Würze (Zerbſter Bier).
Manche dieſer Namen veralt. S. Fiſchart Garg. 59; Knapp
Techn. Chem. 2, 360, und z. B. Chr. Weiſe’s Lied: Leipz’ger
Breuhahn ſchmeckt mir nie | und der Raſtrum iſt noch ſchlim-
mer .. Braunſchweig darf ſich ferner nicht | auf die Mumme
ſo befleißen; | denn die Mühmchen hier in Meißen | ſind
’was beſſer zugericht. | Breslau mag ſich wohl befinden | und
im Schöpſe luſtig ſein; | doch die Schäfchen bei den Linden ꝛc.
Zſſtzg. vielfach, um die verſch. Arten des Biers,
beſonders nach den Hauptbeſtandtheilen, zu bezeichnen,
aber ferner übertr. ſ. [2] = Schmaus, feſtliches Ge-
lage bei der durch das Beſtimmungsw. näher ange-
gebenen Gelegenheit: Áfter-: Nach-B. Ālant-.
Aūſt- [2]: Ernte-B. Bánn-: ſ. Bann 3.
Bāūer- [2]: womit der neue Wirth die Bauern
freihält; auch [1] ſchlechteres Bier. Bítter-.
Brāūn-. Brömmel- [2]: veralt., Schmaus,
den die unverheiratheten Meiſter zu geben hatten.
Dóppel-: ſtärkres, zweimal gekochtes. Dórf-.
Dünn-: Kovent-B. Eīer-: Warmbier mit
abgequirlten Eiern. Eīs- [2]: den Arbeitern als
Lohn für das Aufeiſen gegeben. Ernte- [2]:
Ernteſchmaus. Fāro-: ein beliebtes belgiſches ſau-
res Bier. Fáſs-: das vom Faß ausgeſchenkt wird.
Féſt-: Hochſchäumendes F. V. 1, 137, auch [2] das
Feſt ſelbſt, z. B.: Eins der berühmteſten F–e war das
Kirchbier [ſ. d.] Church-ale. V. Sh. 2, 613. Fíſch-:
ſcherzh. = Waſſer, vgl. Gänſewein, Pumpenheimer
ꝛc.: Giebt er nicht Tiſchwein, ſo giebt er Tiſchbier; giebt er
nicht Tiſchbier, ſo giebt er doch F. ꝛc. Weidner 235.
Fláſchen-: das auf Flaſchen gezogene. Frēī-:
womit man freigehalten wird; das ohne Trankſteuer
gebraut werden darf. Fríſch-: gewöhnliches Ko-
ventbier. Schmeller. Füll-: zum Auffüllen des Biers
in einem Faſſe. Gárn- [2]: in Weſtfalen: Bier,
womit ein Dorfbewohner die übrigen für das ihm zu
ſchenkende Garn freihält, ſ. Adelung. Gemēīn(de)-,
Geſéllen-: gemeinſchaftliches Trinkgelage bei den
Bauern. Gérſten-. Geſínde-: Kovent.
Gnāden-: wovon keine Abgabe gegeben wird.
Grīēß-, Hálb-: Kovent-B. Hāūs-: 1) Ko-
vent-B. 2) ſelbſtgebrautes Bier. Hérren-:
ſtark und kräftig, im Ggſtz. des Geſinde- oder Tiſch-
biers. Hóchzeit-: 1) Bier zur Hochzeit. 2) [2]
Hochzeitſchmaus. Hōf-: vorzüglich gutes Bier.
Hópfen-. Jngwer-. Júng-: Bier, das
noch nicht im Faß nachgegoren: Das Faſſen des Jung-
biers. Kéſſel-: Haus-B. 2. Kindel- [2]:
Taufſchmaus, ſ. Kindbetti: Zu K. geweſen. Alexis H. 2, 1,
138; Auf Tänzen u. K–en. Immermann M. 4, 51; Leichen-u. K–e
zu genau eingeſchränkt. Möſer Ph. 4, 35; Güſte K–e (wie
in Weſtfalen auch kinderloſe Eheleute ſie einmal im
Leben halten durften). ebd. Kírch- [2]: Feſt und
Schmaus zu Ehren des Kirchenheiligen ꝛc. V. Sh. 2,
613. Kírmes- [2]: Die ganze Dorfſchaft komme
mir, | ſie ſoll willkommen ſein; | und ich verſprech euch K. |
und guten Firnenwein. Hagedorn 3, 101; Schiebt ihr’s auf das
K.? V. 3, 96 = haltet ihr mich für berauſcht?
Klār-: unvermiſchtes Bier. V. Sh. 3, 330.
Klēīen-. Klēīn-: Kovent. Seume Sp. 44.
Klōſter-: im Kloſter gebrautes Bier. Kovént-:
das nach Abſchöpfung des Biers durch Aufguß von
Waſſer auf die Träbern im Maiſchbottich gewonnene
ſchwache Bier, auch After-, Dünn-, Halb-, Nach-,
Nöſter-, Schenk-, Speiſe-, Tiſch-, Tafel-B. genannt,
auch Halbander, Langeweile, Langfahn, Schemper,
Trinken, Hengſt, Wuttu ꝛc.; vom lat. conventus, aus
den Klöſtern ſtammende Bez: Mit dünnem K. oder Knoll.
Fiſchart B. lVa; Kovent (– ⏑) Günther 860. Krǟū-
ter-: würzige, heilſame Kräuter enthaltend. Kū-
fen-: in Kufen aufbewahrtes Bier. Lāger-: das
ſich zur Aufbewahrung, zum Lagern eignet. Lánd-:
Dorf-B. Lēīchen- [2]: Schmaus im Sterbehaus
bei Gelegenheit des. Leichenbegängniſſes. Lúm-
pen- [Anm.]. Māī-: 1) im Mai gebrautes Bier.
2) [2] Schmaus, wo ſolches Bier getrunken wird.
Schüte. Málz-. Mä́rz-: ein im Frühjahr auf
Obergärung gebrautes Lagerbier. Míttel-: ſtär-
kerer Kovent. Schmeller. Mórgen-: als Frühſtück
dienend: Ein warmes M. .. kochte .. die Burgfrau ihrem
Eheherrn. Alexis; ſ. Eier- und Warm-B. Nāch-,
Nóſter-: Kovent-B. Pāters-: ſtarkes Bier,
im Ggſtz. des Kovent-B. Friſch. Paulāner-:
heilige Vater-B., ſ. Paters-B. Schmeler. Péch-:
das nach dem verpichten Faß ſchmeckt. Pfíngſt-
[2]: ein Volksfeſt, Schmauſerei um Pfingſten.
Salbēī-. Schāār-: Kleien-B. Schénk-:
Kovent-B., ſ. Bums 3. Schíffs-: Anfertigung eines
beſonders haltbaren Sch–s. Karmarſch. Schlúſs- [2]:
Schmaus für die Maurer beim Schluß eines Gewöl-
bes. Sómmer-: im Sommer gebrautes Lager-
bier, Ggſtz. Winter-B., ſ. d.; nach Adelung = März-
B. Spēīſe-: Kovent-B. Spróſſen-: Spruce-
oder Sproſſenbier. Forſter R. 1, 98, von fichtenartigen
Bäumen. Stádt-: 1) Ggſtz. Dorf-B. 2) Ggſtz.
fremde Biere. Stēīn-: eine Art lievländiſchen
Biers. Táfel-, Tíſch-: Kovent-B., Jenes, nach
Spate = Herren-B. Tāūf-: Kindel-B. Vāter-:
ſ. Paulaner-B. Wādel- [2]: im Schauenburgiſchen
Feſt am Schluß der Rockenernte. Grube Geogr. 3, 71.
Wárm-: Gutzkow R. 1, 255, warmes Getränk aus Bier,
Zucker und Gewürz ꝛc., ſ. Eier-B. Wēīß-: Die wenig
haltbaren und ſelten ganz klaren W–e, Produkte der Ober-
gärung. Karmarſch. Wēīzen-. Wérmut.
Wínter-: Starkgehopfte Biere halten ſich am längſten;
bei dem bairiſchen Sommerbier kommen auf je 100 Pfund
Schrot 2 Pfund Hopfen; bei Winterbieren nur etwa die
Hälfte. Würze-: 1) Bier mit würzigen Ingre-
dienzien. 2) Name einer Art Finken (ſ d. Anm. 1)
nach ihrem Schlag. Zúcker-: ohne Malz, ein
Getränk, deſſen Gärung durch Zucker bewirkt iſt ꝛc.