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Biegen beugen
Bīēgen, bog; gebogen. Bēūgen, intr. (ſein,
haben), tr. und refl.: theilweiſe wenden, durch eine
Wendung theilweiſe aus der urſprüngl. Lage oder Rich-
tung kommen oder bringen: 1) Wenden und biegen:
Zwei einander aus dem Wege biegende Wagen verlaſſen die
urſprüngl. Richtung theilweiſe; ein ſich wendender, gewendeter
ganz; Hier wendet ſich der Gaſt mit Grauſen. Sch.; Er bog
ſich Etwas nach der Seite hin; Gewendeter Rock, gebogner
Stab; Wer eine Seite zu Ende geleſen, wendet das Blatt um;
wer eine Stelle bezeichnen will, biegt das Blatt um oder ein ꝛc.
Danach bez. wenden etwas Ruckweiſes, biegen etwas
Allmähliches; die Wendung eine gebrochen grade, die
Biegung meiſtens (doch ſ. 2) eine krumme Linie.
2) Biegen und Beugen, intr. (gewöhnl. mit „ſein“):
bezeichnen beide das Abweichen von der urſprüngl.
Richtung: Um die Ecke (Tieck N. 2, 3), um den Schloß-
flügel (Scherr Gr. 1, 145), ſeitwärts (Gutzkow Bl. 1, 30)
biegen; Aus dem Wege (Gotthelf G. 144), feldeinwärts
(Gutzkow Bl. 1, 19), in eine Seitenſtiege (Hettner gr. R. 89),
um eine Ecke (Mörike N. 499), vom Rechte (Rückert Mak.
1, 15) beugen. Ahnlich auch tr.: Ein Wort biegen oder
beugen, es flektieren, ſprachliche Verhältniſſe durch Form-
veränderungen daran ausdrücken: Ein Redetheil iſt (un)-
biegbar, (un)beugbar. So auch: Biegung der Straße.
Chamiſſo 4, 123, vgl.: Bogen 1; Noch eine Biegung und
die Kuppel wurde ſichtbar. Gutzkow 11, 255; Biegung des
Klaviers. Auerbach Ab. 136; Zickzackbiegung. Burmeiſter Geſch.
170 ꝛc. Durch des Lebens | wirrende Beugung. G. 1,
88; Die Beugung der Strahlen bei der Refraktion. 39,
287; Macht eine verbindliche Beugung [Verbeugung]. 9,
258; 18, 265; Sch. 699b; Beugungen der Stimme.
WHumboldt 3, 150 ꝛc. Außerdem gewöhnl. biegen,
nicht beugen als intr.: Biegen oder brechen; Tadler- und
Verleumdungswaffen | biegen wie geſchliffnes Blei. Günther ꝛc.
Nur ſcheinbar intr. beugen durch Fortlaſſung des „ſich“
beim Partic. und zuw. beim Infin.: „Beuge dem Ve-
ziere dich“ ... Nie ein Beugender. G. 2, 333; Daß er nur
beugen und anbeten muß. 31, 8, ungewöhnl., vgl.: Lehrt
... euren Rücken wie einen Aal biegen. Alexis H. 1, 2, 359.
3) Sonſt iſt nach dem heutigen Gebrauch biegen in
der ſinnlichen, beugen in der übertr. Bed. von weitrem
Umfang: Das Gebeugte iſt immer durch Krümmung
geſenkt, niedriger geworden, auch übertr. = nieder-
gedrückt, niedergeſchlagen, auch das Sich-demüthigen,
wie das Gedemüthigt-werden bezeichnend; dagegen kann
z. B. auch etwas Krummes wieder grade gebogen,
etwas Niedergebeugtes oder Niedergebognes auch in
die Höhe gebogen werden ꝛc.: Der Hut, den ſie grade bog.
Gutzkow R. 5, 168; Die Krämpe iſt in die Höhe gebogen,
ſ. auf-, emporbiegen. Beide Zeitw. können alſo nur
da ſtehen, wo der geſenkte Ggſtd. zugleich der ge-
krümmte iſt, und zwar biegen oder beugen, je nachdem
mehr das Krümmen oder das Senken (im übertr. Sinn
das Niederdrücken, Demüthigen) hervorgehoben wer-
den ſollen, z. B.: Das Knie, den Nacken, die Schultern
biegen oder beugen ꝛc., ſ. 4. Dagegen wird z. B., wenn
der Halsgebogen wird, gleichzeitig auch das Haupt,
die Stirn gebeugt (geſenkt, nicht gekrümmt). Daher
tadelt Adelung mit Recht den Gebrauch bei Duſch: Wenn
Jahre erdenwärts der Mutter Stirn gebogen, während Grimm
(1, 1743) ſehr irrt, wenn er bei Claudius 7, 148: Wir
nehmen das Geheimnis mit gebeugter Stirne an (mit ge-
ſenkter Stirn, demüthig), dafür gebogen (?!!) ver-
langt, vgl.: Beuge vor Allah das Haupt. Chamiſſo 3, 317;
Sein Haupt iſt vor Alter gebeugt. G. 14, 137 ꝛc.; Eine ge-
bogene Stirn iſt eine gewölbte ꝛc.; Deren Schnabel blos an
der Spitze gebogen [gekrümmt] iſt. Tſchudi Th. 333 (ſ. 7);
Den rundum-gebognen Kelch. B. 149a; Krummgebognes Sil-
bergeſchirr. Hebel 3, 339; Mit ſchöngebognem Silberhorn.
Sch. 73h; Eine Brücke hoch über den Rand | der furchtbaren
Tiefe gebogen. 50a ꝛc. Gegen den heutigen Gebrauch
aber erſcheinen Stellen, wie Adelung ſchon ähnl. bei
Günther anmerkt: Die Häupter unſers Stamms ſind längſt
in Staub gebogen. Haller (11) 293; Was hat den großen
Geiſt ſo ſtark, ſo tief gebogen? 250 (Bodmer) und: Ge-
beugt erſt, zeigt der Bogen ſeine Kraft. Grillparzer (ſ. Börne
1, 305) ꝛc. Doch hat ſich „beugen“ bei einzelnen
Gewerben als Kunſtausdruck neben „biegen“ erhalten
(= krümmen), z. B. bei den Böttchern (ſ. Biege) und
danach z. B. auch: Wenn der Wagenbereiter ... Äſte.
ſich beuget ꝛc. V. Th. 25, 248 (dagegen veralt. z. B.:
Gebeuget ſtatt gebogen Gold). Im übertr. Sinn iſt die-
ſer Gebrauch auch der gewöhnl. (ſ. 2): Das Grade
krumm biegen; Das Recht beugen, z. B.: 2. Moſ. 23, 6:
5, 16; 19; 27, 19; Apel Aitol. 40; Lichtwer 247 u. v.;
und ſo tadelt JGrimm (1, 13) wiederum mit Unrecht bei
V.: Welche mit Bosheit | anderswohin abbeugen das Recht,
obgleich ſich natürlich auch findet: Da er das Recht zu
Gunſt der Pfaffen bog. Sch. 529b ꝛc. 4) Beiſp. wo
biegen und beugen (ſ. 3) beide mit einer Nüance ſtehen
können: Die Kniee biegen. G. 13, 327; Lichtwer 135;
237; Reithard 63; Sch. 529a; Mit ungebognem Knie.
Pfeffel Po. 3, 112 ꝛc.; Die Kniee beugen. Reithard 92; Stol-
berg Il. 19, 71; V. ebd. ꝛc. Zuw. mit merklicherem Un-
terſchied: Wer ein ſteifes Knie hat, kann es nicht biegen;
Wer ſich nicht demüthigen will, wird das Knie nicht beugen;
Bog vor ihm das ſteife Knie demüthig faſt. Chamiſſo 4, 137.
Bei Sch. 521a’ ſagt der Schweiꝛer, der in der vorge-
ſchriebnen Verehrung des Huts „mit gebognem Knie und
mit entblößtem Haupt“ eine Demüthigung erblickt: Wir
unſre Kniee beugen einem Hut! und ſo gewöhnl., wo es
als Zeichen der Demuth gelten ſoll: Was in Augenblicken
der Entzückung | die Kniee beugt, iſt auch ein ſüß Gefühl.
G. 13, 245; 11, 44; 6, 54; 29, 255; Chamiſſo 6, 290;
Heine Reiſ. 2, 53; Schlegel Cvmb. 5, 5; Gebete und Knie-
beugungen. Tieck N. Kr. 2, 345; Börne 3, 9 u. v.
Ebenſo: Der Pflugſtier .., der die .. Kraft | des Halſes
duldſam unters Joch gebogen. Sch. 523b; 489b; L. 1,
395; Wie hier das Joch .. den ſteifen Hals .. bog. Thümmel
5, 42; Wenn ſich .. vor ihm der ſteifen Räthe Rücken bie-
gen. LHNicolai 1, 136 ꝛc.; dagegen: Hatten ſeinen Nacken
nur, nicht ſeinen Muth gebeugt. Alxinger D. 96 (übertr. =
niedergedrückt) und ſo auch: Daß ſie den Nacken lernen
beugen, | den ſie aufrecht tragen. Sch. 545b; Chamiſſo 4,
184; Züchtig, mit gebeugtem Nacken | treten fromm wir
*zum Altar. Platen 6, 9. Aber von der rein mechaniſchen
Wirkung: Froh kehrten ſie zurück, den Nacken krumm gebo-
gen | von des Äghpters gelbem Korn. Freiligrath Garb. 142,
vgl.: Die Schultern beugen | ſich unter meines Vaters Laſt.
Sch. 37b. (Ich bücke mich, um ihn auf die Schulter zu
nehmen.) Ferner: Schwankes Biegen [des Rohrs]. Heine
Lied. 95; LHNicolai 1, 5; Beugte ... das Rohr. Freiligrath
Pol. 1, 9. Bäume biegen (Kerner Bild. 4), beugen ſich
unter der Laſt der Früchte (Scherr Grgz. 1, 68; Haller 33);
Bogen ſich die Tannen. Kinkel E. 101; Daß die Myrte ...
den Wipfel ... bieget. LHNicolai 2, 87; Die Ceder ... bog
ſich wie ein Buchs. Rückert Roſt. 10 u. o.; Ein Wind beugt
den Maſt. Freiligrath Garb. 169; Frühlingslüfte beugen das
Gras. G. 14, 134; Liefen über die Spitzen der Ähren, ohne
ſie zu beugen. Die Ähre muß ſich ... beugen und wieder auf-
richten, d. i. ſich gar nicht beugen. L. 11, 148; Sturm, der
die Tanne zu Thal beugt. Schlegel Cymb. 4, 2. Das
Haupt auf eine Mappe (Gutzkow R. 1, 13); über die Bahre
(8, 319); über die niedrige Mauer (Immermann M. 4, 129)
beugen [oder biegen]; Ein Reh ſtand neugierig auf ihn ge-
beugt [gebückt]. Kinkel E. 8. Nie biege mehr Geſchütz
die Joche deiner Brücken. Freiligrath Garb. 137; Er läſſt ...
den Spieltiſch unterm Gold ſich biegen. Pol. 1, 21; Eine
Taufe, der Tiſch ſoll ſich biegen. Prutz Eng. 1, 427 [rein
mechaniſche Wirkung, daher beſſer als „beugen“]; aber:
Der ... die Ranken, die uns Nektar geben, | um den Ulm-
baum beugt. Michaelis 244 [füglicher biegt] u. ä. m.
5) Beiſp. von beugen beſonders in übertr. Bed., nam.
auch: ſich beugen, verbeugen, verneigen: Heine Lied. 11;
Beugung. G. 5, 191; 15, 178 ꝛc. Sich beugen gegen
den Meiſter. 31, 57 [zur Bezeichnung der Richtung, ſo
auch: nach, zu Einem, über Etwas ꝛc.]; vor Einem [dem
man dadurch ſeine Ehrfurcht bezeigen will]. Bodenſtedt
2, 308; Chamiſſo 3, 237; G. 13, 388; Gutzkow R. 3,
222; Mendelsſohn Pſ. 72, 9; 97, 7 u. v.; Einem [dem
man als Mächtigern ſich unterwirft]. G. 2, 333; 11,
54; 13, 255; FSchlegel Al. 14; Fürſten nie | beugteſt du ein
Sklavenknie. Sch. 11a; 13a. Sonſt gewöhnl.: Sich, den
Nacken ꝛc. unter das Joch (Gutzkow R. 5, 189 u. o.), Beil ꝛc.
beugen (ſ. 4), zuw. aber auch: unter mit Dat.: Lacedä-
mon ... beugte zuerſt ſeinen Nacken unter dem [ſchon über
ihm ſchwebendem] Beile. Fallmerayer Mor. 1, 74; Rahel 1,
413; So beugſt du meine Widerſacher unter mir. Mendels-
ſohn Pſ. 18, 40; 106, 42 ꝛc. Ihren ſtarren Hals zu
einem höfiſchen Bückling beugen. Sch. 209 a ꝛc. Ferner:
Seinen Charakter zu beugen. G. 20, 99; Dein Brief hat
mich ſehr gedrückt, ja gebeugt. Zelter 2, 43; Den feſten Wil-
len zu beugen. Gutzkow 11, 86; Mich lehren, beugen und
[be]deuten. Luther 6, 544b; Es beugten ſich für ihr die hohen
Kaiſerkronen, | die Schmergeln bückten ſich ... Die Wälder
regten ſich mit tiefgebognen Zweigen. Mühlpforth Hochz. 4;
Er bog und beugte ſich und ſank und fiel dahin. Rank Arm
201. [Das Krümmen geht dem Senken voran.] Daß
der, die hier ſich beugt ſich einſt jedes Knie und Haupt ge-
beugt eh das Unglück ſie gebeugt. Rückert Mak. 1, 104:
Den Stolz zu beugen. Sch. 13a; Eh Semele den Grimm der
Götter beugt [wendet]. 14b; Deß ſchrankenloſe Macht |
ſelbſt Götter ſklaviſch beugt. 18a; Dies Thor lehrt euch, wie
man zum Himmel betet; | es beugt euch [macht, daß ihr
euch beugt] zu des Morgens heiligem Dienſt. Schlegel Cymb.
3, 3; 1, 6. Beſonders oft im Partic.: Richtet die
Gebeugten auf. Mendelsſohn Pſ. 145, 14 ꝛc. Die tiefgebeug-
ten Herzen. G. 13, 346; Deſto tiefgebeugter [ſ. beſſer 3]
ſtehen wir da. 31, 11; Gott- (33, 35), gram- (Auerbach
Leb. 2, 161), kummer- (Platen 2, 32), ſchmerz- (FLewald
Wandl. 2, 447), -gebeugt ꝛc. = von Gott ꝛc., und als
Ggſtz.: Ihre hohe Geſtalt ... ungebeugt. Hackländer Handel
1, 3; Ihr Muth iſt ungebeugt. Alxinger D. 263; LHNicolai
1, 88; Verſteint und ungebeugt. Platen 6, 19 ꝛc. Dazu
(ún-) Gebeugtheit, f. 6) Beiſp. von biegen,
ſinnlich: Sich abwärts biegen. Burmeiſter gB. 2, 58; ſo
auch: auf-, aus-, ein-, hinter-, rück-, ſeit-, vorwärts biegen ꝛc.
Sich ſchmiegen und biegen. G. 17, 23 u. v. Es muß
ſich biegen oder brechen. Zinkgräf 2, 83. Nun will der
Zweig der Myrte | ſich biegen [winden] zum bräutlichen
Kranz. Chamiſſo 3, 48; Daß ein alter ... Stamm ſich nun
noch biegen und ziehen ſoll. Engel 12, 62; Eine wachſene
Nas ... in allerlei Geſtalt biegen. Fiſchart B. 33a; Gott
konnte ſie nicht grade machen: | willſt du ſie biegen, ſie bricht.
G. 4, 44; Mit jedem Augenblick biegt und verändert ſich die
Landſchaft. 14, 210; Auf mannigfaltig gebogenen Hügeln.
220; Daß er [Tycho] den Himmel öfter nach ſeiner Lehre
ziehen und biegen werde. 39, 235; Um den ſchlanken Leib
... meinen Arm gebogen [geſchlungen]. Heine Lied. 251;
Sprang auf wie gebogner Stahl. Hölderlin H. 1, 56; Wo
der See ſich biegt. Ruge Rev. 2, 92. Auf lateiniſchen Schlag
gelenkt und gebogen (ſ. 7). Stumpf 390b; Biegen wie Salat.
Zelter 1, 301 ꝛc. 7) das Partic. gebogen (ſ. 3), ſinn-
verwandt „krumm“ (ſ. d.), das als Ggſtz. des Graden,
die unregelmäßigen Abweichungen, wie die regelmäßigen
umfaſſt, während gebogen, als Partic., einen Biegenden
und darin eine Abſicht, eine Regelmäßigkeit vorausſetzt:
Zwiſchen zwei Punkten giebt es nur eine grade, aber unzäh-
liche krumme Linien, darunter auch gebogne, z. B. Kreisbogen,
elliptiſche Linien ꝛc. Und ſo bez. gewöhnl. „krumm“
das Unregelmäßige, Häßliche, vgl. z. B.: Eine krumme
und eine gebogne Naſe; Der Schwan hat einen gebog-
nen Hals ꝛc. So auch: Gebogenheit, f. Bie-
gung, f., –en: Die prächtige Biegung [des Schwanen-
halſes]. L. 1, 135; Durch bloße Änderung der natürlichen
Biegung des Bogens. Forſter R. 1, 330 ꝛc. (ſ. 2).
Anm. Die Formen mit „eu“ ſind urſprüngl. aus der 2.
und 3. Perſon des Präſ. hervorgegangen (vgl. die entſprechen-
den Formen von bieten, fliegen, fliehen, fließen, gießen, ziehen
u. a. m.); beide Zeitw. beſtanden lange ohne ſichern Unter-
ſchied neben einander: Den Baum ... beugen, weil er jung
iſt; wird er alt, ſo bleibt er ungebogen. Luther 6, 165b;
Bog ſich die Straße; in der Beugung. Gotthelf Sch. 288;
ſ. auch G. 39, 26. Spate 2, 151 führt noch unter den
unregelm. Zeitw. auf: Beugen und biegen. Impf.: Bog,
beugete oder biegete (z. B. noch L. 8, 51: Ein Hund,
der ſich über das Vordertheil des Schiffes herabbiegte);
Partic.: gebogen, gebeuget und gebieget (Ramler
F. 3, 263: Der ſchlanke Baum, der ſich gebieget); vgl.
ver-b. Die Herſtammung des weitverzweigten Worts,
wozu z.B. Bogen, Bug, Bügel, Bühel, Buckel, Bucht, wohl
auch Bauch u. a. m. gehören, unſicher.
Zſſtzg. vielfach, z. B.: Áb-: Vom Wege abbiegen.
Auerbach D. 4, 297; Gutzkow R. 6, 132 u. v.; abbeugen.
Putlitz Wald 31; Willkomm Sag. 1, 61 ꝛc.; Mädchen, das
ſeitwärts abgebogen [weggewendet] ſtammelte. JP. 21, 90;
Die Rebe vom Stock abbiegen. Kecht 21; Leid, das mich
ſcheuſelig von aller Welt abbog [entfernte]. Zelter 2, 51;
Das Recht abbeugen. [3] ꝛc.; Ein Stück Blech abbiegen,
biegend abbrechen; Ein Wort abbiegen, abbeugen, flektie-
ren ꝛc.; Leichte und raſche Abbiegung des Hinterkopfs [vom
Vorderkopf]. Auerbach Ab. 60 ꝛc. Án-: Er ſchmiegt
und biegt ſich an mich an ꝛc., namentl. Kanzleiſpr.;
kaufm. = beifügen, ſ. bei-b.: In abſchriftlich angebog-
nem Steckbrief. Muſäus Ph. 1, 42 u. o.; übertr.: Nie die
Schönheit iſoliert ohne angebognen Vortheil zu ſuchen. IP.
21, 42. Āūf- [3]: 1) in die Höhe biegen: Aufge-
bognen Rand. Karmarſch 1, 717; 2, 156 ꝛc.; Das leis auf-
gebogne Näschen. Ruge Nov. 68. 2) durch Biegen
öffnen ꝛc. Āūs-: In weiten amphitheatraliſch ausge-
bogenen Prachtfächern. Fallmerayer Or. 2, 7; Eine runde
Ausbiegung. Kohl A. 1, 257; Geringe und allmähliche Aus-
und Einbiegungen. Irl. 1, 267 ꝛc.; Da er nicht ausbiegen
wollte, ſondern im Fahrgleiſe blieb. Grimm M. 192; Kinkel
E. 50; Stets dem Anlaß ausgebogen. W. 20, 158; Heinſe
A. 1, 84 ꝛc.; Gefliſſentliches Ausbeugen und Ablehnen.
Engel 12, 219; David beugte aus, daß der Spieß in die
Wand fuhr. Hebel 4, 93 (1. Sam. 18, 11); Bleibt bei der
Sache! beugt nicht aus! Sch. 414a; Daß weder zur Rechten
noch linksab ausbeuge der Wagen. V. Ov. 1, 76 v. 171;
Od. 17, 581; Nach dieſer kurzen Ausbeugung. Fichte 7, 25 ꝛc.;
Diſſonanzen durch geſchickte Ausbeugungen ins Gleiche bringen.
W. 19, 317; Tieck Nov. 4, 53 ꝛc. Bēī-: ſ. an-b.:
Beigebogenes Blatt. Merck’s Br. 2, 277. Danīēder-:
Die Schmach beugt mich danieder. Lewald W. 2, 437, ſ.
nieder-b. Eīn-: Bogen in einen Seitenweg ein. Gutzkow
11, 115; R. 7, 82; Prutz Muſ. 1, 217; Scherr Pr. 102
u. o. Wo ſich beuget ein | der Weg. Werner Febr. 45 ꝛc.;
Zwei Stellen nur hab’ ich eingebogen [durch einen Kniff
bezeichnet]. G. Sch. 249; Eine Karte beim Pharo, die
Schärfe des Schwerts (Mendelsſohn Pſ. 89, 44), das Horn
des Bogens (V. Ov. 1, 36) einbiegen; Geflügel in der Küche
einbiegen, in gute Form bringen. Empōr- [3]: Bog
jeden knospenden Zweig desſelben zur hohen Menſchengeſtalt
empor. IP. 1, 31; Bog man des Viehes Hälſ’ empor zum
Schlachten. B. 147a, vgl.: Beugten ſie hinter die Hälſe.
191; Beugten zurück ſie die Hälſe. V. Il. 1, 459; Beugten
ſie rückwärts die Nacken der Stier’. Stolberg ebd. Ent-
gêgen-: Wenn ſich mir ein Lockenhaupt entgegenbog.
Geibel 223; Der ſeinen Nacken ſelbſt der Straf’ entgegenbie-
get. W. 20, 119; Und beugt dem Mörderſtreiche ſich ent-
gegen. Alxinger D. 117. Fórt-: z. B.: Das Geſicht
fortbiegen, fort-, abwenden ꝛc. Hêr-, hin- ꝛc.:
Und bog die Zweige ſchirmend um ſie her. Freiligrath Garb.
106; Ich hatte über ſie mich hingebogen. Rückert 1, 141;
So entfernt von der Streitfrage, daß man nicht begreifen
kann, wie er ſie darauf hinbiegen wird ꝛc.; Drüber [über die
Leiche] hingebeugt. Falk 136. Ich bog hinab mich in die
Tiefe. Freiligrath Garb. 41; Daß wir kaum um die Ecke in
die Tiefe hinabgebogen waren. Kohl A. 1, 42; 183; [Das
Tragiſche] biegt ſich bis zum Komiſchen herab. Rahel 1, 260;
Zu den Füßen eines Wunderbildes hinabgebeugt. FSchlegel
Flor. 1, 237; V. Jl. 2, 148; In liebevoll herabgebeugter
Haltung. Gutzkow R. 1, 27; Ich beugt’ ihn herab zum
ſchwellenden Polſter. V. Th. 2, 139 ꝛc. Hatte den Kopf
hinausgebogen. Lewald W. 1, 319. Bog in die Straße
hinein. Temme Schw. M. 2, 60. Sah ihn, ſich um den
Stuhl herumbeugend von der Seite an. HKleiſt E. 1, 295;
Die Halbinſel, die ſich um den See herumbiegt. Kohl Irl. 2,
311. Ihrem auf die Bruſt heruntergebeugten Geſicht.
Temme Schw. M. 2, 151. Kaſtanien, welche ihre Äſte
hinüberbogen. Lewald W. 1, 1. Bogſt dem Flehenden du
ſpröde den Mund hinweg. V. 3, 77 u. ä. m. Hínter-:
ſ. empor-b. Knīē-[4]: Pſ. 22, 30; W. 20, 236 ꝛc.
Nīēder-: Sich niederbog, des Vaters Hand zu küſſen.
Lewald W. 1, 276; Niedergebeugt von der offenen Verach-
tung. 2, 362; Die Niedergebeugten aufzurichten. G. 18,
178; Beugt ſich vor Schrecken zurück, ſtarrt, das Haupt nie-
dergebeugt vor ſich hin. 31, 57; Beugten ſich ehrfurchtsvoll
vor ihm nieder. Klinger F. 28; Vorwärts niedergebeugt.
Rahel 1, 45 u. 0. Über-: Der mit der Spitze ſich
rückwärts überbiegt. Burmeiſter Geſch. 379; gB. 2, 232;
Seinen übergebogenen Körper unterſtützend. G. 31, 58; Sie
beugte ſich über, zu ſchöpfen. G. 5, 67; Sich hinten, vorn
(oder vor-) überbeugen ꝛc. Um-: Er hätte ſich gern um-
gebeugt und in die Loge eingeſehen. Gutzkow R. 4, 380; Er
bog den Brief um und zeigte ihr die Stelle. 421; Die ſchar-
fen Spitzen .. ſind .. umgebogen. Auerbach Tageb. 56; Wie
das Ende ſeines Lebens doch wieder in ſeinen Ausgangspunkt
umbiege. Dicht. 2, 183; Die gradgeſtreckten Senſen waren
wieder umgebogen. Dorf. 4, 66; Eine ſeltſame ... Umbiegung
[Verdrehung] des Gedankens. 161; Sie heißen bei ihrem
und nicht bei vornehm umgebogenen Namen. Immermann M.
1, 398; Das Umbiegen des Hauptes. Knebel 3, 96; Als ſie
das Dampfſchiff ... in den Hafen umbiegen ſah. Ruge Rev.
2, 295; Kohl A. 2, 5 ꝛc. Unter-: Geduld, | die
lange ſchon den zarten Hals der Wucht | ſo langer ſchwerer
Leiden unterbeugt. Schubart 2, 217; Tracht’ ich mir ſelber die
Welt, nicht der Welt mich unterzubeugen. V. Hor. 2, 210.
Ver-: Verbiegen, einem Dinge eine falſche Biegung
geben: Mit einem verbogenen Rückgrat. Heine Verm. 1,
295; Der Hut hat ſich verbogen ꝛc. Verbeugen refl.,
ſich verneigen: Verbeugt vor Dem euch, der ihn ſchlug.
Chamiſſo 4, 185; Die ſich tief knickſend vor dem Prinzen ver-
beugte. Gutzkow R. 5, 30 ꝛc. Die Mädchen machten ſtatt
der Verbeugung eine Vertiefung. IP. 1,87; Wollte ihr eben
meine Verbeugung machen. Sch. 626a; Abſchiedsverbeugung
G. Sch. 2, 59 ꝛc. Vōr-: 1) nach vorn biegen oder
beugen: Da ſtand ich ... | mit ausgeſtrecktem Arm vorge-
bogen. Chamiſſo 4, 123; Fenſter das von innen vorgebogen
werden konnte. Gutzkow R. 6, 384; Ha, bögeſt du Thor, |
in Vermeſſenheit | zu weit dich vor. Tſchudi Th. 377; Vor-
gebogner Hals. W. 11, 169 ꝛc. Er beugte ſich gegen den
Doktor vor. Engel 12, 157; Leicht vorgebeugt auf dem rech-
ten Fuß feſtſtehend. Mörike N. 191; Alle, vorgebeugt den
jugendlichen | ... Leib. Platen 4, 297; V. Th. 22, 91 ꝛc.
Auch: Den Leib vorüberbeugen ꝛc.; Wo er vorüberbog
[vorbeizog]. Rückert Morg. 1, 179. 2) mit Dat. =
vorbauen, durch eine getroffne Vorkehrung Etwas hin-
dern: Aller Unluſt vorzubiegen. Canitz 127; Damit glaubte
man derartigen Schelmereien vorgebogen zu haben. Gotthelf
Sch. 2, 212; Rahel 1, 129 ꝛc.; gewöhnl.: Der Gefahr
vorgebeugt. Forſter R. 1, 34; Den Mißverſtändniſſen vorzu-
beugen. Heine Sal. 1, 53; Lichtwer 244; Müllner 2, 107;
V. Sch. 1, LIII. ꝛc. Wég-: fort-, hinweg-b.: Hat
ſie ſich auch ſchon wieder weggebogen. Rückert 1, 143 ꝛc.
Zū-: Der Sturm ergriffs und bog in einem Nu | das lecke
Boot der groll’nden Tiefe zu. Kinkel 464; Als ſie um die Ecke
nach dem Gaſthofe zubogen. Tieck Nov. 4, 5 ꝛc.; Das Licht
der Kerze | beugt ſich ihr zu. Schlegel Cymb. 2, 2, auch Et-
was durch Biegen ſchließen. Zurécht-. Zu-
rück-: Das Haupt (Chamiſſo 4, 93), das Laub (Gutzkow
Bl. 1, 153), die Zweige (Kinkel E. 123), die Glocke der
Hausthüre (Voigts H. 189) zurückbiegen ꝛc.; Wie ... ſich von
der That zurück mein Wille bog. Chamiſſo 4, 98. Den
Kopf (Alxinger D. 75), die Zweige (Auerbach Dicht. 1, 190),
den Strauch (Gutzkow 11, 89), ſich (Mörike N. 7) zurück-
beugen; Während der Jäger zurückgebeugt lag. Immermann
M. 1, 413 ꝛc. Zuſámmen-: Der ... die Begeg-
nenden durch zuſammengebogene Bäume von einander riß. V.
Myth. 1. 110; Bog das Schreiben zuſammen ... Es läſſt
ſich biegen, es iſt kein Spieß darinnen. Zinkgräf 2, 216 ꝛc.