Faksimile 0110 | Seite 102
Faksimile 0110 | Seite 102
Faksimile 0110 | Seite 102
Becher
Bécher, m., –s; uv.; –chen, lein; -:
1) ein Trinkgeschirr, meist walzenförmig, nach unten etwas verjüngt zulaufend, oft glockenförmig, s. Anm.: Goldne, gläserne, hölzerne B.; Den B. füllen, vollschenken, vollgießen, austrinken, leeren, Einem bringen, zutrinken; Beim Klang der B. etc. Oft c auch in Bezug auf den Inhalt des Gefäßes: Den B., den sie herunterstürzt. Gottschall Gött.55 etc., wobeiaufdiegewöhnliche Stellung des Ew. zu achten ist: Lasst mir den besten B. Weins | in purem Golde reichen. G. 1, 139; vgl.: Ein gutes Glas Wein, wo ,, Glas Wein“ gleichsam als ein Begriff erscheint; nicht das Glas, sondern der Wein ist gut. Übertr., zumal nach biblischem Sprachgebrauch: Nimm diesen Becher Weins voll Zorns ... und schenke dar- aus allen Völkern. Jer. 25, 15; Den B. seines Zornweins. H. R. 7, 330 (vgl.: Den Kelch des Weins von seinem grimmigen Zorn, Offenb. 16, 19), oft im Ggstz. des Kelchs (s. d. und vgl. Matth. 26, 39) von dem Wonnegewährenden, obgleich andrerseits auch, wie „Kelch“ von Leiden etc., z. B.: Statt des süßen B–s der Liebe den bittern Kelch der Leiden. G. 16, 297; Laß mich den B. des Jammers und der Freuden ... auf einmal trinken. 17, 236; Was ist es anders als Menschenschicksal, sein Maß auszuleiden, seinen Becher auszutrinken. Und ward der Kelch dem Gott vom Himmel auf seiner Menschenlippe zu bitter, warum soll ich großthun und mich stellen, als schmeckte er mir süß? 14, 105; B. des Elends. Prutz Mus. 1, 154; des Genusses. Klinger F. 83; der Liebe. B. 81b; des Liedes. Freiligrath 1, 197; der Wehmuth. H. R. 7, 166; der Wollust. Sch. 105a; Wie schäumt in meinem B. dir der herbe Spott! Platen 4, 181, und in vielen Zsstzg. s. d. 2) (s. 1) ein Maß, an einigen Orten = Nößel, an andern auch = Metze etc.: Ein Meßlein hat zehn B. Hebel 3, 472 etc. 3) ähnliche Gefäße, insofern sie auch nicht zum Trinken dienen, s. Zsstzg. z. B.: B. der Taschenspieler: Da man mit B. und Muskatnuß nur noch Kinder in Erstaunen setzt. Börne 2, 170; B. der Eichel, die sie oben umgebende erhärtete und vergrößerte Blumenhülle; auch: eine schildförmige mit erhabnem Rand umgebene Grube auf der Unterseite einiger Flechten; Das Centrum des sternförmigen Krinoīdenkörpers, der sogen. B. Burmeister gB. 1, 157; Der Honig [der Erdhummeln] liegt in walzenförmigen B–chen der obern Waben. Tschudi Th. 280; Den ausgebrannten hohlen B. [Krater] eines Vulkans. G. 16, 86; das Loch, das ein Pfahl durch das Wanken im Grunde macht etc. 4) ein Sternbild.
Anm. I. Von den sinnverwdt. Wörtern bezeichnet Glas eben nur ein gläsernes Trinkgeschirr, während der B. aus verschiedenen Stoffen sein kann, daher z. B.: die Zsstzg. Glas- B. G. 40, 26; V. Ant. 1, 60; Mit den grünlichen Römern, den echten B–n des Rheinweins ... Heiter klangen sogleich die Gläser. G. 5, 10; s. 6, 87 und Anm.; ferner z. B.:Gold-, Holz-, Silber-, Blech-B.; Rinden- B. Scherr Pilg. 1, 70; In einen Demant-B. | fasst er [die Zähren] wie Perlen sie. Pfeffel Po. 3, 46; Schädel-B. Stahr Rep. 2, 148 [ein als Trinkgefäß dienender Schädel] etc. Der B. kann einen Fuß haben; der Kelch hat immer einen hohen Fuß, worauf er steht. Man hat metallene Kelche, wie die in der Kirche beim Abendmahl benutzten, aber auch Kelchgläser, s. d. und vgl. Becherglas. Nicht dem allgemeinen Gebrauch gemäß ist es, wenn Stollberg Il. 2, 461 den großen Mischbecher (Krater) im Ggstz. der kleinern Trinkgefäße Kelch nennt: Als mit Wein die Knaben den Kelch bis oben erfüllten | und dann rund herum die vollen B. vertheilten, während ebenda B. 147b den Krater, 191b den Kump, V. den Krug den B–n gegenüber stellt, vgl. auch Scheuer Sirach 50, 10. Bei Sch. 352b wechseln die Bez.: Den großen Kelch verlangt man, Kellermeister! ... (indem er den Pokal hervorholt) Das ist eine Pracht von einem B. etc. Meist bezeichnet Pokal ein größeres Gefäß: Daß die Griechen anfangs kleine B–lein, und wann sie voll und satt wären, große Pokale brauchten. Zinkgräf 1, 304 etc. Jrrig ist Adelung’s Behauptung, daß ein Pokal immer aus Gold oder Silber sei, vgl.: Einen schöngedrechselten hölzernen Pokal. G. 20, 24 („Becher“ 25); Aus meinem tönernen Pokale | berauschtejüngst ein Priester sich. Thümmel 1, 113 etc., doch bezeichnet allerdings Pokal meist ein größeres, sei es durch Kostbarkeit des Stoffs, oder durch kunstvolle Arbeit werthvolles Trinkgeschirr (daher einigermaßen ironisch in der Stelle bei Thümmel), wobei die Bestimmung zum Trinken entschieden hervortritt, weßhalb es nicht wie B. von ähnlich geformten Gefäßen zu anderm Zweck gebraucht wird, vgl.: Asch(en)-, Cigarren-, Fidibus-B. etc., wofür weder Pokal, Kelch noch Glas steht. Als Maß kommt Glas und B. vor, nicht Kelch, weil darin auf den Fuß, oder Pokal, weil darin auf das Werthvolle des Gefäßes Nachdruck gelegt wird: In der Flasche sind noch zwei Glas, Becher Wein (nicht Pokal oder Kelch).
Anm. 2. Ahd. bëchar, mhd. bëcher, ital. bicchiere, mlat. bicarium, bacarium, vielleicht doch deutschen Stammes, zunächst den ausgetieften Raum bezeichnend, vgl. Back I.; Becken I.; Bacher. Bei Stumpf 400a: „Die Bechermaß bei den Weinschenken ward abgethan und die zinnen Maß zu schenken aufgesetzt“, wohl ein Holzgefäß im Gegensatz des metallenen. s. a. Stauf, Humpen, Stehauf, Tümmler, Angster etc. Zsstz. z. B. nach dem Stoff und dem Inhalt s. Anm., ferner die meist kaum der Erklärung bedürfenden, wonach leicht mehr zu bilden sind: Arz(e)nēī-. Asch(en)- [3]: zum Hineinthun der Cigarren- asche etc. Bewíllkommnungs-: Musäus M. 4, 151. Blūt-: Tschudi Th. 313. Déckel-: mit einem Deckel oder einer Stürze, Stürze-B. Dóppel-:
1) Würfel-B.
2) dessen Fuß hohl ist und ebenfalls als Trinkgefäß dient. 3) mit doppeltem Boden, z. B. der Taschenspieler etc. Ehren-: wodurch z.B. der Gast besonders geehrt wird. Rückert Rost. 5b. Eīchel-: [3]. Eīs-: gus Eis gedrechselt, zum Kühlhalten des Getränks. Essig-:
1) [1].
2) eine Art Becherschwamm, Peziza acetabulum. Fést-. Fīdibus-: [3]. Fópp-: der zum Anführen Dessen dient, der daraus trinken will, Gaukel-, Neck-, Vexier-B. etc. Frēūden-: freudespendender B.: Wohl entfliegt am F. auch ein thöricht W. V. 3, 188; ferner = B. der Freude [1]; Stahr Rep. 3, 288 etc. Gást-: s. Ehren-B. etc. Gāūkel-: s. Fopp-B. Gíft-: giftenthaltender, z. B. Schirlings-B., übertr. auch: eine boshaftige, giftige Person: Das alte G–li. Gotthelf U. 2, 49; vgl. Gallenblase. Hä́nsel-: Becher, den Einer bei seiner Aufnahme in einer Gesellschaft leeren muß etc., s. Hänseln. Hōch-: hoher Becher. Fischart Garg. 91b. Hōnig-: übertr.: Den H. keuscher Brunst gekostet. Musäus M.3,79, Ggstz. Wermuthbecher etc. Korállen-: ein becherartiger Theil der aus Lamellen bestehenden Korallen. Lêbens-: lebenspendender. Freiligrath 1, 5. Lêêr-: in den Papiermühlen ein Gefäß, die zerhackten Lumpen aus dem Geschirr zu raffen. Lēīb-: Mund-B. Mä́rz-: eine Blume, Narcissus pseudonarcissus. Mísch-: Mischkrug, s. Anm. Múnd-: Einem zum ausschließlichen Gebrauch dienend. Musäus M. 4, 143. Natiōnen-: übertragen: N., Rhein. Freiligrath 137, der Nationen tränkt etc. Néck-: Fopp-B. Néktar-: s. Honigbecher: Reicht ihrem Herkules den vollen N. | .. die junge Hebe. W. 20, 302; Den N. der Lust etc. Pāthen-: ein Pathengeschenk. V. Br. 2, 273. Rēīse-: Bodenstedt 2, 32. Schírlings-: s. Gift-B.: So bleibt doch eure Lehr’ ein böser Sch., | den eure Hand der Jugend thöricht beut. | Sie trinket hastig, trinkt sich um den Trost in Leiden etc. Alxinger D. 144. Spār-: Spar-Büchse, -Topf, -Hafen. Keller gH. 4, 446. Stürze-:
1) Deckel-B.
2) imperativisch: Einer der den Becher stürzt, ein Zecher. Tisch-. Trink-: im Ggstz. zum Würfel-B. etc., oder auch des größern Mischkrugs. Keler gH. 4, 257. Trōst-: übertragen: Die Elegie mischt das Vergangene und Gegenwärtige zusammen, schließt oder ahndet von Beiden auf die Zukunft und so trinkt sie den Zauber- u. T. ihrer so sonderbar gemischten Empfindung. H. R. 7, 169. Túmmel-: halbkugelförmig ohne Fuß, den manalsoaufeinmalleerenmuß, Tümmler, Tümmelchen: Sie spülten ihren Hals mit kleinen T–n, | bis daß der große kam. Rachel 7, 90. Versȫhnungs-: W. 20, 311. Vexīēr-: Fopp-B. Wérmuth(s)-: s. Honig-B. W. der Armuth. Prutz Mus. 2, 133. Wóllust-: übertragen: Der schnöd’ in Thais’ Schoß den W. trank [sich der Wollust ergab]. JDFalk 23. Würfel- [3]: wor- aus die Würfel geschüttet werden. Freiligrath 2, 109. Würz-: mit einem Würztrank gefüllt. Zāūber-:
1) mit einem Trank von zauberhafter Wirkung: Der kleine Dämon ... der alle Welt aus seinem Z. | berauscht. w. 20, 311 s. Trost-B.
2) [3] Becher eines Zaubrers oder Taschenspielers u. ä. m.