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Becher
Bécher, m., –s; uv.; –chen, lein; -: 1) ein Trink-
geſchirr, meiſt walzenförmig, nach unten etwas verjüngt
zulaufend, oft glockenförmig, ſ. Anm.: Goldne, gläſerne,
hölzerne B.; Den B. füllen, vollſchenken, vollgießen, austrinken,
leeren, Einem bringen, zutrinken; Beim Klang der B. ꝛc. Oft
c
auch in Bezug auf den Inhalt des Gefäßes: Den B., den
ſie herunterſtürzt. Gottſchall Gött.55 ꝛc., wobeiaufdiegewöhn-
liche Stellung des Ew. zu achten iſt: Laſſt mir den beſten B.
Weins | in purem Golde reichen. G. 1, 139; vgl.: Ein gutes
Glas Wein, wo ,, Glas Wein“ gleichſam als ein Be-
griff erſcheint; nicht das Glas, ſondern der Wein iſt
gut. Übertr., zumal nach bibliſchem Sprachgebrauch:
Nimm dieſen Becher Weins voll Zorns ... und ſchenke dar-
aus allen Völkern. Jer. 25, 15; Den B. ſeines Zornweins.
H. R. 7, 330 (vgl.: Den Kelch des Weins von ſeinem grim-
migen Zorn, Offenb. 16, 19), oft im Ggſtz. des Kelchs
(ſ. d. und vgl. Matth. 26, 39) von dem Wonnegewäh-
renden, obgleich andrerſeits auch, wie „Kelch“ von Lei-
den ꝛc., z. B.: Statt des ſüßen B–s der Liebe den bittern
Kelch der Leiden. G. 16, 297; Laß mich den B. des Jam-
mers und der Freuden ... auf einmal trinken. 17, 236; Was
iſt es anders als Menſchenſchickſal, ſein Maß auszuleiden, ſei-
nen Becher auszutrinken. Und ward der Kelch dem Gott vom
Himmel auf ſeiner Menſchenlippe zu bitter, warum ſoll ich
großthun und mich ſtellen, als ſchmeckte er mir ſüß? 14, 105;
B. des Elends. Prutz Muſ. 1, 154; des Genuſſes. Klinger
F. 83; der Liebe. B. 81b; des Liedes. Freiligrath 1, 197;
der Wehmuth. H. R. 7, 166; der Wolluſt. Sch. 105a;
Wie ſchäumt in meinem B. dir der herbe Spott! Platen 4,
181, und in vielen Zſſtzg. ſ. d. 2) (ſ. 1) ein Maß,
an einigen Orten = Nößel, an andern auch =
Metze ꝛc.: Ein Meßlein hat zehn B. Hebel 3, 472 ꝛc.
3) ähnliche Gefäße, inſofern ſie auch nicht zum Trinken
dienen, ſ. Zſſtzg. z. B.: B. der Taſchenſpieler: Da man
mit B. und Muskatnuß nur noch Kinder in Erſtaunen ſetzt.
Börne 2, 170; B. der Eichel, die ſie oben umgebende erhärtete
und vergrößerte Blumenhülle; auch: eine ſchildför-
mige mit erhabnem Rand umgebene Grube auf der
Unterſeite einiger Flechten; Das Centrum des ſternförmi-
gen Krinoīdenkörpers, der ſogen. B. Burmeiſter gB. 1, 157;
Der Honig [der Erdhummeln] liegt in walzenförmigen
B–chen der obern Waben. Tſchudi Th. 280; Den ausgebrann-
ten hohlen B. [Krater] eines Vulkans. G. 16, 86; das
Loch, das ein Pfahl durch das Wanken im Grunde
macht ꝛc. 4) ein Sternbild.
Anm. I. Von den ſinnverwdt. Wörtern bezeichnet Glas
eben nur ein gläſernes Trinkgeſchirr, während der B. aus ver-
ſchiedenen Stoffen ſein kann, daher z. B.: die Zſſtzg. Glas-
B. G. 40, 26; V. Ant. 1, 60; Mit den grünlichen Rö-
mern, den echten B–n des Rheinweins ... Heiter klangen ſo-
gleich die Gläſer. G. 5, 10; ſ. 6, 87 und Anm.; ferner
z. B.:Gold-, Holz-, Silber-, Blech-B.; Rinden-
B. Scherr Pilg. 1, 70; In einen Demant-B. | faſſt er
[die Zähren] wie Perlen ſie. Pfeffel Po. 3, 46; Schädel-B.
Stahr Rep. 2, 148 [ein als Trinkgefäß dienender Schädel] ꝛc.
Der B. kann einen Fuß haben; der Kelch hat immer einen
hohen Fuß, worauf er ſteht. Man hat metallene Kelche, wie
die in der Kirche beim Abendmahl benutzten, aber auch Kelch-
gläſer, ſ. d. und vgl. Becherglas. Nicht dem allgemeinen Ge-
brauch gemäß iſt es, wenn Stollberg Il. 2, 461 den großen
Miſchbecher (Krater) im Ggſtz. der kleinern Trinkgefäße Kelch
nennt: Als mit Wein die Knaben den Kelch bis oben erfüll-
ten | und dann rund herum die vollen B. vertheilten, wäh-
rend ebenda B. 147b den Krater, 191b den Kump, V. den
Krug den B–n gegenüber ſtellt, vgl. auch Scheuer Sirach 50,
10. Bei Sch. 352b wechſeln die Bez.: Den großen Kelch
verlangt man, Kellermeiſter! ... (indem er den Pokal her-
vorholt) Das iſt eine Pracht von einem B. ꝛc. Meiſt bezeichnet
Pokal ein größeres Gefäß: Daß die Griechen anfangs kleine
B–lein, und wann ſie voll und ſatt wären, große Pokale
brauchten. Zinkgräf 1, 304 ꝛc. Jrrig iſt Adelung’s Behaup-
tung, daß ein Pokal immer aus Gold oder Silber ſei, vgl.:
Einen ſchöngedrechſelten hölzernen Pokal. G.
20, 24 („Becher“ 25); Aus meinem tönernen Po-
kale | berauſchtejüngſt ein Prieſter ſich. Thümmel
1, 113 ꝛc., doch bezeichnet allerdings Pokal meiſt ein größe-
res, ſei es durch Koſtbarkeit des Stoffs, oder durch kunſtvolle
Arbeit werthvolles Trinkgeſchirr (daher einigermaßen ironiſch
in der Stelle bei Thümmel), wobei die Beſtimmung zum Trin-
ken entſchieden hervortritt, weßhalb es nicht wie B. von ähn-
lich geformten Gefäßen zu anderm Zweck gebraucht wird, vgl.:
Aſch(en)-, Cigarren-, Fidibus-B. ꝛc., wofür weder
Pokal, Kelch noch Glas ſteht. Als Maß kommt Glas und B.
vor, nicht Kelch, weil darin auf den Fuß, oder Pokal, weil
darin auf das Werthvolle des Gefäßes Nachdruck gelegt wird:
In der Flaſche ſind noch zwei Glas, Becher Wein (nicht Pokal
oder Kelch).
Anm. 2. Ahd. bëchar, mhd. bëcher, ital. bicchiere,
mlat. bicarium, bacarium, vielleicht doch deutſchen Stam-
mes, zunächſt den ausgetieften Raum bezeichnend, vgl. Back I.;
Becken I.; Bacher. Bei Stumpf 400a: „Die Bechermaß
bei den Weinſchenken ward abgethan und die zinnen Maß zu
ſchenken aufgeſetzt“, wohl ein Holzgefäß im Gegenſatz des
metallenen. ſ. a. Stauf, Humpen, Stehauf, Tümmler,
Angſter ꝛc.
Zſſtz. z. B. nach dem Stoff und dem Inhalt ſ.
Anm., ferner die meiſt kaum der Erklärung bedürfen-
den, wonach leicht mehr zu bilden ſind: Arz(e)nēī-.
Aſch(en)- [3]: zum Hineinthun der Cigarren-
aſche ꝛc. Bewíllkommnungs-: Muſäus M. 4,
151. Blūt-: Tſchudi Th. 313. Déckel-: mit
einem Deckel oder einer Stürze, Stürze-B. Dóp-
pel-: 1) Würfel-B. 2) deſſen Fuß hohl iſt und
ebenfalls als Trinkgefäß dient. 3) mit doppeltem
Boden, z. B. der Taſchenſpieler ꝛc. Ehren-: wo-
durch z.B. der Gaſt beſonders geehrt wird. Rückert Roſt.
5b. Eīchel-: [3]. Eīs-: gus Eis gedrechſelt,
zum Kühlhalten des Getränks. Eſſig-: 1) [1].
2) eine Art Becherſchwamm, Peziza acetabulum.
Féſt-. Fīdibus-: [3]. Fópp-: der zum An-
führen Deſſen dient, der daraus trinken will, Gaukel-,
Neck-, Vexier-B. ꝛc. Frēūden-: freudeſpendender
B.: Wohl entfliegt am F. auch ein thöricht W. V. 3, 188; ferner
= B. der Freude [1]; Stahr Rep. 3, 288 ꝛc. Gáſt-:
ſ. Ehren-B. ꝛc. Gāūkel-: ſ. Fopp-B. Gíft-:
giftenthaltender, z. B. Schirlings-B., übertr. auch:
eine boshaftige, giftige Perſon: Das alte G–li. Gotthelf
U. 2, 49; vgl. Gallenblaſe. Hä́nſel-: Becher, den
Einer bei ſeiner Aufnahme in einer Geſellſchaft leeren
muß ꝛc., ſ. Hänſeln. Hōch-: hoher Becher. Fiſchart
Garg. 91b. Hōnig-: übertr.: Den H. keuſcher Brunſt
gekoſtet. Muſäus M.3,79, Ggſtz. Wermuthbecher ꝛc. Ko-
rállen-: ein becherartiger Theil der aus Lamellen beſte-
henden Korallen. Lêbens-: lebenſpendender. Frei-
ligrath 1, 5. Lêêr-: in den Papiermühlen ein Ge-
fäß, die zerhackten Lumpen aus dem Geſchirr zu raffen.
Lēīb-: Mund-B. Mä́rz-: eine Blume, Nar-
cissus pseudonarcissus. Míſch-: Miſchkrug, ſ.
Anm. Múnd-: Einem zum ausſchließlichen Ge-
brauch dienend. Muſäus M. 4, 143. Natiōnen-:
übertragen: N., Rhein. Freiligrath 137, der Nationen
tränkt ꝛc. Néck-: Fopp-B. Néktar-: ſ. Honig-
becher: Reicht ihrem Herkules den vollen N. | .. die junge Hebe.
W. 20, 302; Den N. der Luſt ꝛc. Pāthen-: ein Pathen-
geſchenk. V. Br. 2, 273. Rēīſe-: Bodenſtedt 2, 32.
Schírlings-: ſ. Gift-B.: So bleibt doch eure
Lehr’ ein böſer Sch., | den eure Hand der Jugend thöricht
beut. | Sie trinket haſtig, trinkt ſich um den Troſt in Leiden ꝛc.
Alxinger D. 144. Spār-: Spar-Büchſe, -Topf, -Ha-
fen. Keller gH. 4, 446. Stürze-: 1) Deckel-B.
2) imperativiſch: Einer der den Becher ſtürzt, ein
Zecher. Tiſch-. Trink-: im Ggſtz. zum Wür-
fel-B. ꝛc., oder auch des größern Miſchkrugs. Keler
gH. 4, 257. Trōſt-: übertragen: Die Elegie miſcht
das Vergangene und Gegenwärtige zuſammen, ſchließt oder
ahndet von Beiden auf die Zukunft und ſo trinkt ſie den Zau-
ber- u. T. ihrer ſo ſonderbar gemiſchten Empfindung. H. R. 7,
169. Túmmel-: halbkugelförmig ohne Fuß, den
manalſoaufeinmalleerenmuß, Tümmler, Tümmelchen:
Sie ſpülten ihren Hals mit kleinen T–n, | bis daß der große kam.
Rachel 7, 90. Verſȫhnungs-: W. 20, 311.
Vexīēr-: Fopp-B. Wérmuth(s)-: ſ. Honig-B.
W. der Armuth. Prutz Muſ. 2, 133. Wólluſt-:
übertragen: Der ſchnöd’ in Thais’ Schoß den W. trank [ſich
der Wolluſt ergab]. JDFalk 23. Würfel- [3]: wor-
aus die Würfel geſchüttet werden. Freiligrath 2, 109.
Würz-: mit einem Würztrank gefüllt. Zāūber-:
1) mit einem Trank von zauberhafter Wirkung: Der
kleine Dämon ... der alle Welt aus ſeinem Z. | berauſcht.
w. 20, 311 ſ. Troſt-B. 2) [3] Becher eines Zaubrers
oder Taſchenſpielers u. ä. m.