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beben
I. Beben, intr. (haben), Bebe-: zittern, in raſch
und ruckweiſe aufeinanderfolgenden geringen Erſchütte-
rungen ſich hin und her bewegen (vgl. Schwingung).
B. drückt eine heftigere und plötzlichere Erſchütterung
aus als das dagegen oft länger andauernde Zittern (ſ.
d.), daher gewöhnl. in ſteigender Folge: Zittern und b.;
Die Berge bebeten und alle Hügel zitterten. Jer. 4, 24 ꝛc.;
Das Land bebt auch in Oſtfriesland noch dergeſtalt, daß wenn
man im Sommer bei trocknem Wetter darüber fähret, die
Bäume ... von dem Getöſe des Wagens zittern. Möſer Osn.
1, 95, ſ. Erd-B. ꝛc. Von unbelebten Dingen z. B.:
Himmel und Erde; die Grundfeſten der Erde; Berge; Pfoſten;
Spieße, Lanzen b. ꝛc. Bibl.; Gewaltige Klänge bebten in den
filbernen Geſang. Novalis 1, 71; Der feſte Ton gewann etwas
B–des. Auerbach D. 4, 273; Alle Saiten ihres Herzens bebten.
König Kl. 2, 149 ꝛc., ſ. nam. Platen 3, 19. Von belebten
Weſen: Jch bebe; das Herz, die Kniee, die Gelenke b. Bibl.; Der
Körper (Heinſe A. 2, 64), die Knochen (Immermann M. 4, 53),
die Hand (73), alle Glieder (Stilling 1, 146), die Zunge (Sch.
30b), die Seele (Cronegk Einſ. 29) bebt; Der König ſchreit
es wüthend, er bebt am ganzen Leib. Uhland ꝛc. In Be-
zug auf das Zittern Erregende die Präpoſ.: von, vor,
aus (ſ. d. und Sanders Krit. 2, 220 ff.) und bei, die
Veranlaſſung, eigentlich Gleichzeitigkeit bezeichnend: Die
[lebloſe] Erde wird b. von dem Geſchrei [rein äußerlich].
Jer. 50, 46; Vor ſeinem Zorn bebt die [belebt gedächte]
Erde. 10, 10; Der Saal begann zu b. von der Helden Schlä-
gen. Simrock Gudr. 367 ꝛc. Vor oder aus [der in Einem
wohnenden] Angſt, Furcht, Schrecken ꝛc. b., ſeltner: Wo
das Volk von Fieberangſt bebt. Alexis H. 2, 2, 264, vgl.:
Da bebte Angſt durch mein Gebein. Freiligrath 1, 357; Welch
b–de Angſt zwiſchen Hoffnung und Furcht. Hebel 3, 375;
In ängſtlicher Verwirrung b–d zwiſchen Liebe und Zorn.
G. 14, 142. Ich bebe bei dem bloßen Gedanken daran;
Die ſchwangere Zeit will kreißen. | Nun bebt die Welt bei
ihrer Niederkunft. Chamiſſo 3, 52. Vor Kälte, Froſt ꝛc.,
vor der Ruthe, vor der Rache der Götter b., Und
ſtatt deſſen dichteriſch auch mit Dat.: Aller Lüfte
Morgenzug, | dem ich ſommerlangt gebebt. Rückert 1, 28;
WHumboldt 1, 349; Sieh, ich bebte nicht dir, ich bebte der
furchtbaren Göttin. FStollberg (B. 41b); Es bebten die Höhn
u. die Wälder | weit den unſterblichen Füßen des wandelnden
Poſeidaon. V. Jl. 13, 19 ꝛc., ſeltner ſtatt für od. um
zur Bez. des Ggſt., um den man ängſtlich beſorgt iſt,
vgl.: Sollt’ ich ängſtlicher für meinen Thron,,als für die
Gattin meines Herzens b.? Sch.; Der Held um den du beb-
teſt. Ramler. Statt des „vor“ beim Partic., Zſſtzg.
z. B.: Betäubt und freudebebend. Lewald W. 3, 57; Hier
bliebe, wonneb–d | ſelbſt Haller’s Muſe ſtumm. Matthiſſon
130; Mit ſehnſuchtb–der Stimme. Heine Reiſ. 1, 200;
Mit ehrfurcht bebender Bruſt. W. 20, 216 ꝛc.
Anm. Goth. biban, ahd. bibên, mhd. biben, ſo z. B.
noch Ryff Th. 226 ꝛc., wahrſcheinlich urverwandt mit griech.
φésoμλe, lat. paveo, worin beſonders der Begriff der Furcht
hervortritt, wohl Tonw. nach dem vor Froſt u. ähnl.
Empfindungen zuſammenklappenden Lippen, vgl. babbeln.
Nbnf.: bebelen. Schottel 1004; bebenen. Frank (ſ.
Grimm); bebern. B. 164a; 226b, in Mecklenburg beſon-
ders oft in der Verbind. Zittern u. bebern, vgl.: Bebereſche;
ſchweizr. bebbern, ſ. Stalder; Daß die Fenſterſcheiben bib-
bern [märkiſch]. Holtei Lammf. 1, 310; Wenn nur ſchon
die feierliche Stimmung mich durchbibberte. 265; Der
Erdboden, der bubberte nur immer ſo. Laube Dr. W. 5,
30; Bobbern. Spate, vgl.: bobbeln, bubbeln, quabbeln,
wippen ꝛc., bidmen ꝛc.; Eier-bubbert, Name einer quab-
belnden, zitternden Eierſpeiſe; Bobbert nach Nemnich eine
Apfelſorte.
Zſſtzg., wovon die Intr. in verſchieden nüanciertem
Sinn, wenn nämlich die Ortsverändrung hervorgehoben
werden ſoll (vgl. Fliegen ꝛc.), auch mit ſein (theil-
weiſe ſchwankend) verbunden ſind; z. B.: Āūf-: intr.
(haben, ſein): bebend in die Höhe gehn, ſo auffahren,
empor-b.: Er bebt auf im Bett. Alxinger; Da bebt ein
Schauer durch ihn auf. Geßner 2, 47; Dein Herz, | aus Aſchen-
ruh | zu Flammenqualen | wieder aufgeſchaffen | bebt auf.
G.; Laut bebet auf der Erde Grund | u. öffnet gähnend ſei-
nen Schlund. Heine; Bebt der Strauß dir | ſchon an der
wallenden Bruſt auf. Hölty; Der nie erzitterte, nie aufbebte vor
etwas Unbegreiflichem. Kühne Char. 1, 172 ꝛc. Aūs-: intr.
(haben): zu Ende beben, zitternd austönen ꝛc.: Solche
Schmerzen wollen ruhig a. König. Dahêr-: intr. (ſein):
Wenn die klingende Lanze daherbebt. Kl. Davón-:
intr. (ſein): fort-b. (2): Sie flohen weg u. bebeten davon.
H. R. 7, 182. I. Durch-: tr.: 1) bebend durch-
fahren, durchziehn ꝛc.: Schmerz, Ungeduld u. Grimm d.
ſeine Glieder. Alxinger; Der Ähren goldnes Meer, vom lauen
Wind durchbebt. Dſ.; Mond, warum durchbebſt du bleich den
dämmernden Horizont. DFalk; Von ſüßen Schauern ief
durchbebt. Matthiſſon; Ich wähne den Hauch, der die Blüthen
umwebt, | von deiner melodiſchen Stimme durchbebt. Dſ.;
Durchbebt von innerſter Sehnſucht. V. ꝛc. 2) Eine Zeit
bebend verbringen: Wer Gelder eingetrieben, | durchbebt die
Nacht vor Dieben. Platen 2, 45; vgl.: bebt die Nacht (hin)-
r α
durch. II. Dúrch-: 1) ſ. I. 2. 2) ungewöhn-
lich ſtatt I. 1: Vom Süd- u. Nordwind durchgebebt. Bag-
geſen 4, 151. Einhêr-: ſ. daherbeben. Em-
pōr-: auf-b.: Da bebt ſie ſcheu empor. Gottſchall; Ein
dumpfer Wiederhall [iſt]aus der Gruft emporgebebet. Uhland 6;
Daß die Wehmuth mir emporbebt in dem Anklang der Em-
pfindung. V. Ent-: intr. (ſein): mit Zittern ent-
fahren, enteilen: Mir entbebt kein Weh u. Ach. Arndt; So
entbebte ſie dem Flaum [fuhr aus dem Bett]. Freiligrath
Pol. 2, 58; Dem Feind entbebte Schild u. Speer. Hölty;
Thränen die dem Auge ſtill entbeben. Matthiſſon; Blum’ u.
Zweig entbebten [wichen zitternd vor] ihm. V. 4, 81 ꝛc.
Entgêgen-: 1) intr. (haben): Wie ihnen Lila’s
Bruſt | entgegenbebte. G.; Wenn nicht ihm Liebeshauch ent-
gegenbebte. WHumboldt; Da dankten, jauchzten, bebten ihr
alle Organe der Schöpfung entgegen. Thümmel ꝛc. 2) intr.
(ſein): bebend entgegeneilen. Er-: erzittern, in
Beben gerathen, ſehr beben: Wir, die Glieder, die Füße,
die Herzen e.; Die Erde, die Luft erbebt; Schild u. Lanze
[ſcheinen] ſchütternd zu e. Sch.; Erbebſt du vor dem Stirn-
falten der Geliebten? Grabbe Hann. 9; Daß ihm die Erde, das
Meer u. der Himmel erbebten. V. Ov. 1, 16; Erbebten dem Ge-
richt. H. 15, 243; Die Seele von ſüßträumender Ahnung
erbebt. V. 3, 30 ꝛc.; Wer nie erbebt wäre vor dem Anblick
des Todes! Gutzkow R. 1, 374; Nachdem lange der Boden
erbebt hatte, hörten die Erſchütterungen plötzlich auf. Hum-
boldt K. 1, 223; Daß innerhalb 24 Stunden das Erdreich
bei 140 Malen erbebt iſt. Stumpf 127bꝛc. S. Erd-Beben.
Das bloße Mit-E. der gleichgeſtimmten Saite. Danzel 363 ꝛc.
Fórt-: 1) (haben): weiter beben, fortfahren zu
beben: Die Nerven bebten in einem entkräftenden Schlummer
fort. IP. 2) (ſein): bebend fort- od. weggehn, vgl.:
Kaīn bebte ſchaudernd vom Altar weg. Geßner. Hêr-,
Hín- ꝛc.: intr. (ſein): Durch die Jahrtauſende herbebt
es [d. Lied] bis auf heute. Freiligrath Garb. 4. Dann
floh’s [d. Gewäſſer] vor deinem Drohn, bebte hin. Men-
delsſohn Pſ. 104, 7. Die .. Thräne | bebt mir heißer die
Wang’ herab. Hölty 167. O Fürſt, in Demuth beb’ her-
an | vor Gottes Antlitz. V. 3, 168. Er bebt die Stufen
ſcheu hinauf. Sch. 249 b. Indem die Zähren ihm am
Bart herunter-b. W. 20, 28. Sie bebt hervor. Hölty 36.
Jſt hinweggebebt zu ihrer Schlummerhöhle. H. 16, 246
u. ä. m. Nāch-: 1) intr. (ſein, haben): Als die
Glocke läutete, bebten die Töne in Eugens Herzen nach.
Auerbach u. o. 2) tr.: nachbebend tönen laſſen: So
müſſen euere Seelen die Harmonieen in Einklang n. IP. 2,
31. Niēder-: intr. (ſein): bebend niederſinken:
Ich bebe nieder vor dem hohen Meiſter. Arndt 423; Daß
in der Hand ihm [Zeus] der Donnerkeil niederbebt. Sch.
16b. Um-: tr.: bebend umgeben: Das Gold der
ſinkenden Sonne umbebte die Ähren. Hölty 54; Wo künftig,
vom Graswuchs umbebt, | mein Hügel ſich hebt. Salis 20.
Ver-: intr. (ſein): bebend verklingen: Leiſe o–de
Töne. Waldau N. 1, 183. Vorbēī ꝛc.: intr. (ſein):
So ’bebt Der bei ſeines Vaters Grab vorbei, der .... Jtzt
war er vorübergebebt. Geßner 1, 233; Wie ein Roſen-
blatt auf Zephyrs Flügel | vorüberbebt. Matthiſſon 182.
Wég-: ſ. fort-b. 2. Zer: intr. (ſein): bebend zer-
fallen: Wenn das All in Nichts zerbebt. Arndt 329. Zū-:
intr.: 1) (ſein): Falbe Blätter beben | bäumen-ab dem
Moder zu. Rückert 1, 93. 2) (haben): bebend zuflüſtern
ꝛc.: „Rabbuni“, bebte ſie ihm zu. Kl. Zurück-: be-
bend zurückfahren, zurückweichen: Er ſtrebt nach Erfah-
rung .., dann bebt er wieder davor zurück. G.; Das Gegen-
theil zu ſagen, bebt mein Mund zurück. WHumboldt; Bebt
einen Schritt [weit] zurück. W. ꝛc.; Dieſer Anblick, von dem
er würde zurückgebebt haben. Engel 4, 72; Seine kräftige
Natur war zurückgebebt, als ꝛc. Kompert Pfl. 2, 128.
Zuſámmen-: intr. (ſein): bebend zuſammenfahren.
Gutzkow R. 7, 181 u. ä. m.