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Bauer
III. Bāūer, m., –n (–s); –n; Bäuerchen, lein;
–s, –n-: Einer, der baut, aber in dem beſtimmten
Sinne des Landbauers, mit dem fem. Bäuerin (ſ. Anm.
und II. Bauer, Anm., vgl. Bauersfrau). 1) in der
weiteſten Bed. jeder Landbewohner im Ggſtz. des Stadt-
bewohners, Bürgers, ſo daß darunter einerſeits ſowohl
die Landedelleute (ſammtne Bauern in Schwaben, vgl.
Bauernadel), als auch andrerſeits die ländlichen Tage-
löhner, die Einlieger, Häusler ꝛc. mit umfaſſt werden
(ſ. 3); ſo namentl. auch die, Landesprodukte zum Ver-
kauf in die Stadt führenden Landleute (ſ. Holz-, Koh-
len-, Waſſer-B. ꝛc.): Bürger und B. ſcheidet Nichts als
die [die Stadt einſchließende] Mauer. Sprchw. Alle
ſprechen von B–n, als der unterſten Klaſſe der Menſchen, ver-
miſchen unter dieſem Namen Alles, was einen ſchatzbaren Acker
bauet, unterſcheiden weder Freie noch Leibeigene und wenn ſie
ja recht genau gehen wollen, ſo ſetzen ſie Vollerbe, Halberbe
und Kötter von einander, ohne zu unterſuchen, ob Einer ſein
eigen Erbgut oder einen fremden Acker baue, oder unter wel-
chen Bedingungen er einen Hof bewohne. Und dann iſt es
bei ihnen keinem Zweifel unterworfen, daß nicht der Bürger
den Rang vor dem beſten (leider hat unſre verräthriſche
Sprache kein Wort mehr, den ruricolam von colono zu
unterſcheiden) den Vorzug habe ꝛc. Möſer Ph. 1, 154.
Alle Klaſſen der Perſonen, welche weder ritterbürtig noch durch
die Stadtrechte in ein anderes beſtimmtes Verhältnis zu dem
Landesherrn geſetzt waren, ſtanden ſich .. in ſo manchen Ver-
hältniſſen gleich, daß ſie .. als ein Stand betrachtet wurden,
den man ſeit dem 13. Jahrh. unter dem Namen des Bauer-
ſtandes bezeichnete. Eichhorn Deutſch. Privatr. 157. Ein
Trupp, der aufgeſtandnen B–n. „Ja, der Landleute,
denen der Geduldsfaden riß.“ G. 34, 114 ff.; Kretzſchmer
Volksl. 540—544; B. hat hier [in der Schweiz, ſ. 2]
mehr die Bed. von Landbewohner, während wir uns dabei
gleich einen der Nachkommen der ehemaligen Leibeigenen vor-
ſtellen. Kohl A. 1, 149; vgl.: Wenn nach Dem was ich
eben ſagte, Dorf hier ſoviel als urbs oder civitas bedeutet,
ſo heißt „B.“ dann ſoviel als Bürger. 343 u. ä. m. (ſ.
Benecke). 2) in engrer Bed. ein dem Bauernſtande
(ſ. 1) angehöriger Beſitzer eines Bauernguts (ſ. d.):
B., Landeigenthümer, Einer, der ein eigenes Landgut, Hof
u. ſ. w. beſitzt, im Ggſtz. eines Tagwers, Tauners. Stalder;
Unter den Landleuten ſelbſt wird in der Regel nur der Beſitzer
eines ganzen, halben oder viertel Hofs, nicht aber der eines
geringern Anweſens ein Baur genannt. Von minder Be-
güterten, Dienſtboten, Taglöhnern ꝛc. wird daher das einfache
Baur und Bäurin gegen die Beſitzer eines ſolchen Gutes als
eine Art Ehrenbenennung, ohngefähr wie Meiſter, Meiſterin
gebraucht. Schmeller; Das Sprichwort: „Es giebt keine Scheere,
die ſchärfer ſchiert, | als wenn der Bettler zum B–n wird.
Gotthelf U. 2, 356 u. ä. m. 3) Der B. gilt einerſeits
als treu, bieder und zuverläſſig (Falſchen Städtern ...
und treuen B–n. Hagedorn 1,32; Halten Sie wie ein B., was Sie
wie ein Edelmann verſprochen haben. Merck’s Br. 2, 74),
andrerſeits als grob, ungeſchliffen, roh und niedrig:
Elf Ochſen u. ein B. ſind 13 Stück Rindvieh. Auerbach D.4,103;
Grob wie Bauernvolk. Gutzkow; Wenn Jemand .. den Hut
allein auf dem Kopf behält ...: ſeid Ihr der König oder der
B.? Hebel; Setzt den Bauern auf den Edelmann, vom Pferd
zum Eſel. Fiſchart; Es hat manchmal auch ein Baur ein gut
Wort geredt. Zinkgräf u. ä. m. Daher als Beſtim-
mungswort zuweilen das Schlechtre, Unechte (ſ. auch
Bauernſchwager). 4) a) ein plumpes Reitpferd.
b) Bube, im Kartenſpiel: B–n, beſten B–n ſpielen, wo-
bei der Pikbube als höchſte Karte gilt; Baurund Bäurin
ſpielen (nach Schmeller) eine Art Glückſpiel. c) beim
Schachſpiel die beim Beginn in erſter Reihe ſtehnden
acht Steine (veralt. auch Elephant, Fant, Knabe): Matt
iſt er durch den B. Alxinger D. 352; Sie ſpielten Schach
-.., warf der Biſchof einen Bauern herunter. G. 9, 42.
d) Schiff.: ein Knie- oder Krummholz, das einen
ſpitzen Winkel macht; die unterſte Wrange oder
Worpe des Schiffsſpiegels. Bobrick. e) eine Art Kegel-
ſchnecke, Conus cinereus. f) Name der unter dem
Namen „Argusfalter“ bekannten, eine Unterabthei-
lung der „Plebejer“ bildenden Schmetterlinge; ferner
mehrerer andrer Jnſekten, in der lat. Kunſtſpr. mit dem
Beinamen rusticus, z. B. Cerambyx rust., Locusta
rust., Nepa rust., Sphinx rust. u. ä. m.
Anm. Veralt. Bed.: Einwohner wie in Nachbaur (ſ. d.
und Nachbar), Bauerſprache ꝛc. In Ez. ſchwache u. ſtarke
Formen neben einander. Zahlreiche Belege für die verſchiede-
nen Formen zuſammengeſtellt von Gortzitza bei Herrig 16,
410 ff., namentlich Genit.: des Bauern, Bauren,
Bauers; Dat. und Accuſ.: Dem, den Bauern, Bau-
ren, Bauer. Mz.: Bauern und Bauren, z. B.: dieſe
Form (Lichtwer 86), wo Ramler Lichtw. 78 jene hat ꝛc. Sehr
ſelten die Mz. Bauer (ſ. II.), wofür Gortzitza als Beleg
LSchefer Gräf. Uhlfeld (1834) 2, 27 anführt. Als Bſtw.
(ſ. auch Bäuerin), am gewöhnl. Bauern- (vgl. Bauren-
ſchwarm Stilling 1, 51 ꝛc.), daneben aber auch Bauer-,
welches Letztere mehr den Vergleich mit einem Bauern (ſo
grob, plump, niedrig ꝛc.) ausdrückt. Danach wäre z. B.
Bauernlümmel ein Lümmel von einem Bauern, während
Bauerlümmel auch einen Städter bezeichnet, der grob wie
ein Bauer iſt; Bauernhaus, das Haus eines Bauern,
Bauerhaus, auch ein einfach gebautes, ſchlechtes Haus
eines Städters: Es herrſcht hier auf dem Lande mehr Wohl-
habenheit als in den Städten; die Bauernhäuſer ſind alle
groß und ſchön wie Herrenhäuſer, während in den Städten
die Wohnungen der meiſten Bürger wahre Bauerhäuſer
ſind ꝛc. Doch finden ſich viele Ungenauigkeiten z. B.: des
freien Bauerſtandes. Stahr Jt. 2, 344 ꝛc. Die Form
Bauers- bezeichnet, obgleich auch das Verhältnis des Genit.,
mehr das der Appoſition: Starb Grolms ein Bauersmann
[ein Mann, der ein Bauer war]. Lichtwer 86; Bauers-
Leute. G. 25, 111; -Frau. 27, 189; -Volk. Opitz 2, 262,
vgl.: Bauersfrauen und Bauernmädchen. Kinkel E.
386; Bauersſohn. Rabener 1, 133; Bauernſohn.
Hagedorn 1, 65: Baurenſohn. Gotthelf U. 1, 278; Bau-
renleute. 207; Bauernvolk. Hagedorn 3, 11 u. o.
Veralt.: Gebauer, dazu: Gebauersvolk. Stumpf 311a;
312b; Gepauersmann. 526b ꝛc. Verkl. ſelten ohne Uml.
Baurlein. Zinkgräf 1, 268.
Zſſtzg. ſ. die von II., namentlich in der Schweiz
vielfach mit den Namen der Höfe, z. B. der Boden-B.
[auf dem ſogen. Bodenhof]. Gotthelf U. 2, 340 ꝛc., fer-
ner z. B.: Ácker-: Die Klaſſe der Ackerbauern. Kohl
Engl. 2, 22; gewöhnlich in der Mz. uv. ſ. II.
Ämts-: im Amtsgebiet wohnender. Aūszugs-:
= Altentheiler. Waldau Nat. 3, 195. Bēī-: der
nicht volles Recht wie die übrigen Bauern hat.
Bérg-: in der Schweiz, Ggſtz. der auf flachem, ebnen
Land wohnenden Landbauern. Béſte-: der reichſte
im Dorf. Bránd-: die den Bernſtein an den preu-
ßiſchen Küſten fiſchen. SElara EfA. 2, 5. Dríttel-:
ſ. Dritteler. Erbpacht-. Féſte-: in Schles-
wig Lehen-B. Frácht-: ländlicher Frachtfuhr-
mann. Kerner Bild. 224, vgl. Kohlen-B. Frēī-:
1) der Beſitzer eines Freiguts (ſ. d.) im Ggſtz. von
Frohnbauer. Gutzkow R. 5, 110; V. 2, 189. 2) früher
auch Bauer in einem freien Reichsdorf. Frēībank-:
ſ. Freibank. Immermann M. 4, 414. Frōhn-: der
Frohndienſte leiſten muß. Gánz-: ſ. Voll-B.
Ge-: ſ. Anm. Gēēſt-: auf dem Geeſtland woh-
nend, im Ggſtz. des Marſchbauern. Gehöft-: ſ.
Hof-B. Gutzkow R. 8, 3. Getrēīde-: ſ. B. II.
Im Innviertel, wo die Getreidebauern wohnen. Meißner Stein
173, Bauern, die ſehr viel Getreide bauen. Grōß-:
der zur Bewirthſchaftung ſeines Landes Pferde hält,
Pferde-B., ſ. Pferdner, Anſpänner ꝛc. Der G. iſt der Graf
des Dorfes, wie der Erbſcholzeſein Fürſt. Waldau Nat. 3, 145.
Gült-: ſ. Zins-B. Hálb-: 1) der nur eine halbe
Hufe beſitzt, im Gegenſatz des Vollbauern, = Halb-
ſpänner, -Meier, -Hübner. 2) in einigen Gegenden
auch ein Pächter, der ein Grundſtück in Halbpacht hat,
d. h. dem Eigenthümer ſtatt der Pacht die Hälfte des
Ertrags zahlt. Hōf-: 1) der Beſitzer eines Bauer-
hofs: War er nicht der künftige Hofbauer? Auerbach D. 4,
60. 2) ein zu einem adligen Gut als Leibeigner ge-
hörender Bauer: Einen Grafen, den man mit ſeinem Hofe-
bauer vermengen würde. L. 3, 279, vgl. Hof. Hólz-:
der nah an einem Gehölz wohnt, zumal ſich hauptſäch-
lich durch Fuhren von Brennholz nach der Stadt nährt.
Auerbach Leb. 1, 236. Jágd-: der bei Jagden Frohn-
dienſte leiſten muß. Döbel 2, 48a. Kírch-: der nahe
der Kirche wohnt. Auerbach Leb. 1, 271. Klēīn-:
Hinterſaß, Koſſathe, vgl. Groß-B.: Die armen K–n
und Häusler. Auerbach D. 4, 57. Kōhl(en)-: der Koh-
len nach den Städten u. Schmelzhütten fährt. Waldau Nat.
2,262; Kretzſchmer Volksl. 2, 538. Kórn-: ſ. Getreide-
B. Kūh-: Da kamen zu unterſt die Kühbauern, die
von ihren Zugthieren auch noch Milch und Kälber ziehen
müſſen; dann kamen die Ochſenbauern, deren Zugthiere man
doch noch mäſten und ſchlachten kann. Zuoberſt aber ſtanden
die Pferdebauern, deren Zugthiere weder Milch noch Fleiſch
geben und die doch das beſte Futter freſſen und oft am mei-
ſten gelten. Auerbach D. 1, 8; Grube Geogr. 3, 44. Lánd-:
Berg-B., doch z.B. auch (ſ. II): Die Geſammtheit derLand-
bauern. Jacobs Phil. 17. = der Landbau Treibenden; Dem
ſchmutzigen Loos eines deutſchen Landbauern. Spindler Stadt
1, 13. Lêhn-: der ein Bauergut zum Lehen hat.
Márſch-: der in der Marſchgegend wohnt, Ggſtz.
von Geeſt-B. Mít-: Mitbewohner, Dorfgenoſſe ꝛc.,
ſ. II. und vgl. Nach-B.: An die Eigenheiten ihres neuen
Mitbauers gewöhnt. EWillkomm Wald. 18. Nāch-:
der einem Andern nahe baut, d. h. wohnt, jetzt veralt.
und übergegangen in Nachbar (ſ. d.). Das urſprüngliche
Wort z. B. Schaidenreißer 35b; Stumpf 396a; 608a;
Zinkgräf 1, 291, 275; 2, 5; 60; und das fem.: Ihre
Nachbaurin. 3, 75, vgl. Bauer II., und frieſ. umbibur,
Umwohner, Nachbar. Nēū-: ſ. Bauer II. Sind
entweder Kötter, Erpächter oder N–n. Grube Geogr. 3, 77,
vgl.: Können ſie es zu einer Erbpacht oder gar zu einer
Neubauerei bringen. 82. Öber-, [4c]: im
deutſchen Kartenſpiel der Eichel-Ober. Ochſen-:
ſ. Kuh-B. Pácht-: 1) der ein Bauergut in
Pacht hat, vgl. Zeit-B. 2) auch Einer, der
ein gepachtetes Grundſtück wenn es auch kein
Bauergut iſt bewirthſchaftet und baut. V. Ant.
1, 176; Jemandes P. ſein, ſprichwörtl., in abhängigen
Verhältniſſen leben, ſich von ihm Allerlei aufbürden
laſſen müſſen. Pfāhl-: vgl. Pfahlbürger; ſchutz-
verwandter, als innerhalb der Grenzpfähle des Dorfs
wohnend angeſehner Bauer. Beſchaffenheit des osna-
brückiſchen Pf.-Rechts. Berghof. Pfêrde-: ſ. Kuh-
B. und Groß-B. Rēīchs-: ſ. Frei-B. 2.
Schúlden-: verſchuldeter Bauer: Erlebniſſe eines
Sch–s. Gotthelf. Vóll-: vgl. Halb-B. Wáld-:
ſ. Holz-B. G. 15, 67. Wáſſer-: Die ſogen. W–n,
welche auf ihren Wägen das Waſſer aus benachbarten Quellen
in Fäſſern nach der Stadt führen und eimerweiſe verkaufen.
Zſchokke 8, 279. Wēīn- (ſ. II.): Wenn gleich der
W. nichts erübrigt ... die Herabwürdigung der Sittlichkeit
dieſes Bauers. Forſter Anſ. 1, 15; Die Weinbauern. G. 23,
39. Zēīt-: der einen Bauerhof nicht in Erb-, ſon-
dern nur in Zeitpacht (ſ. d.) hat. Zíns-: der dem
Grundherrn Zins für den Genuß ſeines Grundſtücks
entrichten muß u. ä. m.